KLEVE. „Es ist wahnsinnig laut da drin. Alles stinkt nach Kot und Urin und in den Ecken vegetieren die rangniedrigen Hunde, abgemagert und mit Bisswunden übersät. Überall Müll und verdorbene Futterreste.“ Wenn Lea Verfondern von ihrem Sommerurlaub erzählt, dann sind ihre Erinnerungen ganz weit weg von Sonne, Strand und Meer. Eine Woche lang war die 18-Jährige aus Kleve als Freiwillige in Sachen Tierschutz unterwegs. In Rumänien hat sie in einer Tierklinik geholfen und mit Mitarbeitern des Vereins Special Dogs Tierheime besucht.

Lea mit einem kleinen Patienten in der Tierklinik in Cluj. (Foto: privat)

Wie in vielen anderen süd- und osteuropäischen Ländern leben auch in Rumänien Tausende herrenlose Hunde und Katzen auf der Straße. Unzählige Tiere werden misshandelt, gejagt, gequält und erschossen. Oder aber sie leben in öffentlichen Tierheimen, sogenannten Sheltern – und sind dort sich selbst überlassen. „Diese Shelter bekommen unter anderem Gelder von der EU, die aber nicht dafür eingesetzt werden, den Tieren zu helfen“, weiß Lea. Täglich verhungern unzählige Hunde oder sterben qualvoll an Krankheiten. Die Betreiber der Heime sorgen für nicht viel mehr als eine Aufsicht über das Elend. Ein Großteil des Geldes landet in ihren eigenen Taschen.
Leas erste Station in Rumänien: Eine Tierklinik in Cluj, gelegen im Nordwesten des Landes. Hier hat sie die junge Tierärztin Lidia unterstützt, deren Arbeit sich im Wesentlichen auf die Kastration von Hunden und Katzen konzentriert. „Oft waren es Tiere von der Straße“, erzählt Lea. „Es gab auch einige Pivatpersonen, die mit ihren Tieren gekommen sind – aber die Einstellung zu Haustieren ist in Rumänien ganz anders als bei uns. Die Menschen sind sehr arm.“

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Im öffentlichen Tierheim sind Vermittlungschancen gleich Null

Lea weiß, wie anders der Umgang mit Tieren im Gegensatz zu dem hierzulande ist. Sie arbeitet in einer Kleintierpraxis in Bedburg-Hau. Im nächsten Jahr wird sie ihre Ausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten abschließen. Ein Kaninchen mit Schnupfen? Mit dem Hamster zum Krallenschneiden? „Kleintiere habe ich kaum gesehen“, sagt Lea. Während die meisten Katzen nach ihrer Kastration wieder in die Freiheit entlassen werden (markiert, damit die Tierschützer wissen, wer bereits operiert wurde), können die Hunde nur darauf hoffen, von einer der zahlreichen in Rumänien aktiven Tierschutzorganisationen aufgenommen und weitervermittelt zu werden. Sind sie erstmal in einem der staatlichen Tierheime gelandet, sind ihre Chancen gleich Null. Kranke und alte Tiere fallen dort ohnehin durchs Raster, eine Vermittlung findet kaum statt. „Die Tiere werden mit dem Nötigsten versorgt. Das war‘s“, sagt die 18-Jährige.

Freiwilligenarbeit und die Welt sehen

Den Kontakt zum Verein Special Dogs mit Hauptsitz in Frankfurt hat Leas Vater Tim geknüpft. „Ich wollte immer schon ins Ausland und mich dort im Tierschutz engagieren“, sagt die überzeugte Veganerin. Nach ihrem Aufenthalt in Rumänien steht für sie fest, dass sie nach der Ausbildung erstmal da weitermachen will: Freiwilligenarbeit und die Welt sehen. Vater Tim findet‘s gut. „Warum nicht? Das ist sicher eine sinnvolle Alternative für junge Leute“, sagt er. Lea hat in den letzten Jahren ein bisschen Geld angespart. Feste Pläne hat sie aber noch nicht. Auf jeden Fall soll es aber noch einmal nach Rumänien gehen. „Die Familie, bei der ich in Onesti gewohnt habe, war total lieb“, sagt Lea.

“Sie tun ihr Möglichstes, um das Leid zu mildern”

In Onesti, einer Stadt in der Region Westmoldau, hat Lea unter anderem ein öffentliches Shelter besucht. Sie durfte dort im Auftrag des Vereins drei Hunde aussuchen, für die jetzt neue Besitzer gesucht werden. Eigentlich eine schöne Aufgabe. Angesichts der rund 600 Tiere, die dort unter miserablen Bedingungen untergebracht sind, aber auch sehr belastend für die junge Frau. Der erste Eindruck beim Betreten des Geländes? „Völlige Leere.“ Sie weiß, dass der Verein gegen den vorherigen Besitzer geklagt hat. „Jetzt ist es etwas besser.“ Zumindest sei der neue Betreiber Tierschutzorganisationen gegenüber „aufgeschlossener“.

Und auch, wenn sie zunächst kaum Freude über die Rettung der drei Hunde empfinden konnte, ist sie im Nachhinein zu der Einsicht gelangt: „Jedes Tier bringt was. Die Mitarbeiter von Special Dogs leisten gute Arbeit und tun ihr Möglichstes, um das Leid zu mildern.“
Ihre Eindrücke schildert Lea auch in einem kurzen Video, das unter www.niederrhein-nachrichten.de und mit Hilfe des QR-Codes (unten) zu finden ist. Wer den Verein unterstützen, einen Hund aus Rumänien adoptieren möchte oder an Freiwilligenarbeit interessiert ist, findet alle Infos und Kontaktdaten im Netz unter specialdogs.org. „Für mich war es in jedem Fall eine ganz wichtige Erfahrung“, sagt Lea. Und sie hofft, dass sie mit ihrem Einsatz einen kleinen Beitrag leisten konnte.

Ein kurzes Video von ihrem Einsatz in Rumänien gibt es hier:

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