Die Pandemie und das Dorf

KRANENBURG. Vor dem Haus: eine Bank. Vor der Bank: ein Tisch. Auf dem Tisch: zwei Gläser – eine Flasche Wein. So könnte ein schöner Abend beginnen, wenn es nicht 9 Uhr vormittags wäre. Die Bank, der Tisch, die Gläser, die Flasche: ein Symbol. Natürlich kann man sich auf der Straße im Gehen unterhalten, aber das hier handelt eher von Zeit, Gemütlichkeit.

Schön, dass Sie kommen konnten

Kranenburg Mehr, Wibbeltstraße 21: Hier wohnt Friedhelm Kahm. „Schön, dass Sie kommen konnten“, sagt er. „Setzen wir uns in den Garten.“ Vorher: der Ellbogencheck – die Coronabegrüßung. Corona hat unsere Welt verändert. Das Gebot der Pandemie: Distanz. Aber das ist auch das Corona-Paradox: Krisen – und wer würde daran zweifeln wollen, dass das Virus eine Krise verursacht hat – Krisen lassen Menschen immer auch zusammenrücken.
Friedhelm Kahm hat sich mit den Menschen in seinem Dorf unterhalten – hat sich Geschichten angehört, von Schicksalen erfahren. Kahm hat aufgeschrieben, was die Menschen ihm erzählt haben.

-Anzeige-

Die Menschen hinter den Masken

„Dieser Versuch der Beschreibung der unterschiedlichen Schicksale der Menschen in unserem kleinen Dorf hat auch zum Ziel, die Menschen hinter den Masken wieder ein wenig näher zusammenrücken zu lassen“, sagt er. Kahms Protokolle am Rande einer Pandemie hätten, denkt man, jederzeit entstehen können, aber sie sind es eben nicht. „Vielleicht werden wir eines Tages gerne lesen, wie es uns damals ergangen ist, in dem ersten Halbjahr von 2020“, schreibt Kahm in seinem Vorwort. Danach folgen 17 Geschichten. Eigentlich wird ein anderes Wort gebraucht. Geschichten, könnte man meinen, sind etwas Erfundenes, aber was Kahm in „Die Pandemie und das Dorf“ erzählt, ist ein Wirklichkeitsprotokoll. Schon merkt man, dass auch „Protokoll“ ein irgendwie ungeeignetes Wort ist: Es klingt zu rational, zu scheinobjektiv.

Gespräche auf Dorf-Ebene

Kahms Gespräche auf Dorf-Ebene stellen unterschiedliche Menschen in unterschiedlichen Situationen vor. Zu nennen wären beispielsweise ein Stammtisch, ein „ewiger Schützenkönig“, ein Pastor, ein Tierarzt, eine Küsterin, ein Organist („Messen ohne Leute und Läuten) oder „die einzige Person in Mehr, an der man sich nicht mehr anstecken kann“, einen Mann, der „eine Tüte Frohsinn“ brachte (der Alex steht da mit einem Blumengruß in den Händen; ihm ist es ein Bedürfnis, mit diesem bunten Gruß die Menschen im Dorf aufzumuntern). Ein Kind schreibt dem Alex zurück: „Hallo. Es ist doof in der Coronazeit, oder wir freuen uns, wenn die Zeit endlich wieder vorbei ist. Viele Grüße.“

Eigenverlag

Kahm hat die Geschichten aus Mehr jetzt im Eigenverlag veröffentlicht (DIN-A-4, Ringlochbindung). „Das richtet sich in erster Linie an die Menschen hier im Dorf“, sagt er und fast liegt ein Stück Intimität in der Luft. Aber im Zeitalter des Internets bleibt nichts da, wo es entstand. „Natürlich können sich auch Menschen von außerhalb an mich wenden, wenn sie Interesse haben“, sagt Kahm. „Fünf Euro – das ist der Selbstkostenpreis, und mehr möchte ich dafür auch nicht haben.“
Wer sich für „Die Pandemie und das Dorf“ interessiert, scheibt eine Email an Friedhelm Kahm. Die Adresse lautet: fkahm@me.com. Friedhelm Kahm: „Es ist wirklich am besten, wenn Interessierte sich per Email an mich wenden, aber für alle, die keinen Zugang zu diesem Medium haben, ist es auch okay, mich unter 0163/1327053 anzurufen.“

Vorheriger ArtikelGesundheitsamt betreut drei Corona-Fälle an Schulen in Kleve und in Wallfahrtsstadt Kevelaer
Nächster ArtikelWolfgang Gebing möchte Prozesse beschleunigen