KREIS KLEVE. Die Hörsäle an der Hochschule Rhein-Waal (HSRW) bleiben auch im nächsten Semester weitestgehend leer. „Wir befinden uns immer noch in einer Pandemie. Die Gesundheit von Studierenden, Lehrenden und Beschäftigten hat für die Hochschulleitung oberste Priorität. Die HSRW wird deshalb weiterhin sehr verantwortungsvoll und unter Berücksichtigung des Infektionsgeschehens handeln”, sagt Dr. Oliver Locker-Grütjen, Präsident der Hochschule Rhein-Waal. Das kommende Wintersemester 2020/21 soll daher als flexibles „Hybrid-Semester” durchgeführt werden, bei dem nach wie vor verstärkt auf digitalen Unterricht gesetzt werde.

Die Hochschule Rhein-Waal versucht sich dabei möglichst breit aufzustellen. Den Fakultäten soll eine umfangreiche Variabilität in der Ausgestaltung ihres Lehrangebots ermöglicht werden, um im Grundsatz ein flexibles, digitales Semester durchführen zu können. „Dabei gilt für uns die Prämisse: so viel online wie möglich, so wenig Präsenz wie nötig”, sagt Locker-Grütjen. Neben Blended-Learning-Angeboten bis hin zu reinem Distance-Learning könnten demnach auch vereinzelt notwendige Präsenz-Veranstaltungen angeboten werden.

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„Wir wissen natürlich, dass die Situation von Fakultät zu Fakultät unterschiedlich ist”, sagt Locker-Grütjen. Während es in den Geisteswissenschaften in der Regel kein Problem sei, auf e-Learning-Angebote zurückzugreifen, sei dass etwa in den Naturwissenschaften mitunter schon schwieriger. Das bestätigt auch Prof. Dr.-Ing. Frank Platte, Professor für Chemische Verfahrenstechnik an der Hochschule Rhein-Waal. „Mir macht es Spaß, wenn etwas stinkt oder qualmt. Das geht virtuell allerdings verloren. Es gibt einfach einen Unterschied, ob im Labor ein Behälter überläuft oder am Computer. Der Lerneffekt ist im Labor einfach größer”, meint Platte. Seine Praktika würde er deshalb gerne wieder als Präsenz-Unterricht anbieten können.

Flexibles und selbstbestimmtes Lernen

In den vergangenen Monaten seit dem Lock-Down im März dieses Jahres habe jedoch auch er verstärkt die digitalen Medien genutzt, um seinen Studierenden Lerninhalte zu vermitteln. Dabei habe er unter anderem auf der Internet-Plattform YouTube einen Live-Vortrag gehalten, den sich Studierende in Vorbereitung auf ihre Prüfung nach wie vor jederzeit online ansehen können. Das habe auch seine Vorteile, findet Platte. Joshua Lehmann, Vertreter des Allgemeinen Studierenden Ausschusses an der Hochschule Rhein-Waal, stimmt dem ebenfalls zu. „Viele Studierenden haben unter den neuen Gegebenheiten die Flexibilität geschätzt, in der sie ihr Studium absolvieren konnten. Sie konnten freier und selbstbestimmter lernen. Dabei fanden sie es von Vorteil, dass sie sich zum Beispiel in einer Woche intensiv um Fach A und in der anderen Woche intensiv um Fach B kümmern konnten. Das ist im normalen Studienbetrieb sonst gar nicht möglich”, erläutert Lehmann.

Dr. Oliver Locker-Grütjen glaubt sogar, dass bestimmte Ansätze, die durch die Coronavirus-Pandemie jetzt geschafft werden mussten, auch danach erhalten bleiben könnten. „Bisher ist es ja so gewesen, dass erst der Dozent etwas vorgetragen und sich der Student anschließend mit dem Inhalt in Büchern beschäftigt hat. Dabei ist der umgekehrte Weg oftmals besser. Denn wenn sich der Student mit dem Inhalt bereits auseinandergesetzt hat, kann er in der Vorlesung direkt mit dem Dozenten diskutieren und sich austauschen. Das wollen wir doch an einer Hochschule”, sagt Locker-Grütjen.

Kein „Null-Semester”

In den vergangenen Monaten sei es jedoch vor allem darum gegangen, ein „Null-Semester” zu vermeiden und möglichst vielen Studierenden ein erfolgreiches Sommersemester zu ermöglichen. „Dies war und ist eine Herausforderung vor dem Hintergrund der Heterogenität und Internationalität unserer Studierenden”, sagt Locker-Grütjen. Viele Studierenden seien nach dem Ausbruch der Pandemie in ihre Heimatländer gereist, was auch einen gemeinsamen e-Learning-Unterricht aufgrund unterschiedlicher Zeitzonen schwierig gemacht habe. „Wir haben deshalb die Lehrenden gebeten, zu erfassen, wie viele Studierende sich im Ausland befinden und wie wir das schaffen können. Mithilfe einer A-Synchronität unseres Angebots hat das aber geklappt”, sagt Prof. Dr. Tatiana Zimenkova, Vizepräsidentin für Internationales und Diversität an der Hochschule Rhein-Waal. Die Dozenten hätten dabei Videos und Sprachnachrichten ins Internet gestellt beziehungsweise über Messanger-Dienste verschickt, welche die Studierenden zu jeder Tages- und Nachtzeit abrufen konnten.

Flexibilität musste die Hochschule Rhein-Waal auch bei der Abhaltung von Prüfungen zeigen. „Wir haben versucht, möglichst viele Prüfungen durch Hausarbeiten zu ersetzen”, sagt Prof. Dr. Corinna Titze, Professorin für Angewandte Psychologie. Für Studierende, die aus dem Ausland nicht anreisen konnten, habe die HSRW etwa auch mündliche Prüfungen per Videokonferenz angeboten, sagt Zimenkova.

Semester-Start
Der Vorlesungsbetrieb für Studierende startet am 2. November und endet am 12. Februar 2021. Die Einführungsphase für Erstsemester wird so gestaltet, dass die Studierenden auf verschiedenen medialen Wegen alle relevanten Informationen erhalten und digital erste Kontakte zu Kommilitonen, Tutoren und Lehrenden knüpfen können. Eine Einführungswoche, wie es sie in den vergangenen Jahren immer gab, wird es 2020 allerdings nicht geben.

Unter Einhaltung der Abstandsregelungen und allen weiteren Vorschriften könnten aber auch Präsenz-Prüfungen durchgeführt werden. „Allerdings darf man uns da nicht mit Universitäten oder größeren Hochschulen vergleichen. Diese haben in der Regel größere Hörsäle, wo sie Prüfungen abhalten können”, sagt Locker-Grütjen. Das Land Nordrhein-Westfalen habe jedoch die Prüfungsordnungen gelockert, sodass Studierende einen Frei-Versuch hatten, mit dem sie ohne Risiko an einer Prüfung teilnehmen konnten. Noch sei es jedoch zu früh, um zu sagen, ob viele Studenten aufgrund der Corona-Thematik Probleme in ihrem Studium bekommen haben oder es sogar deshalb abbrechen mussten.

“Normal-Zustand” zum nächsten Sommer-Semester

Zum Sommer-Semester 2021 hofft der HSRW-Präsident, dass wieder ein „Normal-Zustand” mit viel Präsenz-Unterricht an der Hochschule Rhein-Waal erreicht werden könne. „Allerdings wird dieser nicht der sein, wie wir ihn vor Corona hatten”, fügt Locker-Grütjen hinzu. Der Campus solle aber irgendwann wieder zum Leben erweckt werden.

 

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