Udo Weinrich will Bürgermeister in Kleve werden

Udo Weinreich gehört zu den sechs Bürgermeisterkandidaten, die bei der Kommunalwahl am 13. September in Kleve antreten

KLEVE. Udo Weinrich öffnet „in Zivil“. Wieso auch nicht. Wir sind ja nicht im alten Rom. „Das Wort Kandidat geht auf das lateinische candidatus zurück, das sich von der toga candida (lateinisch candidus „glänzend, weiß“) ableitet, einem weißen Gewand, das im alten Rom ein Anwärter auf ein Amt zu tragen hatte.“ Muss man nicht wissen – schad‘ aber nix.

„Wir setzen uns in den Garten“, sagt der Kandidat. „Es wird nicht regnen.“ Dazu später mehr. „Kaffee?“ „Klar.“ „Schwedisch?“ Erstmals kommt die Liebe ins Spiel. Weinrich und seine Frau sind Schweden-Fans. Fan ist eigentlich zu wenig. Die Begeisterung geht so weit, dass Weinrich Schwedisch gelernt hat – und so viel ist mal sicher: Was er drauf hat, ist mehr als das touristenübliche Bittedankeprostaufwiedersehen. Der Mann liest schwedische Zeitungen.

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Studiert hat er Germanistik und Philosophie in Düsseldorf und Marburg. Heute arbeitet er als technischer Redakteur. Unter anderem ist er (bei einer großen Versicherung) für das Verfassen von Software-Handbüchern zuständig. Na bitte, darauf lässt sich aufbauen. Wenn einer das Weinrich-Handbuch schreiben würde – was sollte drin stehen? Zum Beispiel: Dem Kandidat, der sowohl früh als auch spät aufzustehen in der Lage ist, sollte morgens Zeit gegeben werden, auf Betriebstemperatur zu kommen. Erst mal Kaffee (schwedische Röstung) und dann Zeit für Lektüre (Zeitungen). Was soll einer denn auch sagen, wenn er die Presse zu Gast hat.

Bücher und Musik als (Über)Lebensmittel

Immerhin: Bücher sind ein (Über)Lebensmittel. Musik auch. Es muss halt „die Richtige“ sein. Obenan: John, Paul, George und Ringo. Und wie ist es mit Mick und seinen Jungs? „Der Keith Richards würde auch einen Atomkrieg überleben“, sagt Weinrich und meint das völlig unmartialisch-liebevoll. 1974 bekam Weinrich einen E-Bass geschenkt. „Das war so ein Bass, wie ihn Paul McCartney hatte.“ Den Bass hat er nicht mehr – dafür den Wunsch, wenn die ATZ (das steht für Altersteilzeit) kommt, einen neuen Bass anzuschaffen und loszulegen. „Muss man dafür Noten können?“ „Muss man nicht. Manchmal kann es hilfreich sein.“

Weinrich kommt „von Dorsten“ ab. Bergmannsadel. Er nennt es den proletarischen Adelsnachweis. Zwei Großväter waren „auf Zeche“. Der Vater: überzeugter Sozialdemokrat. „Der fuhr mit dem Fahrrad los und kassierte die Mitgliedsbeiträge.“ (Zwei Tage vor unserem Gespräch ist Hans-Jochen Vogel, Ursozialdemokrat gestorben. „Das ist mir wirklich nah gegangen.“)

Und wie kam der Weinrich nach Kleve? Da ist es wieder – das magische Wort: Liebe. Die Frau, Schweden – und irgendwie auch die Politik. Dazu kommen die Literatur und das Kino. Vier Filme auf die Schnelle, bitte: ‚Taxi Driver‘, ‚Der dritte Mann‘, ‚Casablanca‘, ‚To have and to have not‘. Empfehlung des Hauses an den Kandidaten: Tornatores ‚Cinema Paradiso‘.

Weinrich ist der Liebe wegen nach Kleve gezogen

„Ich bin der Liebe wegen nach Kleve gezogen und engagiere mich der Liebe wegen für Kleve“, lautet das Credo des Bürgermeisterkandidaten der „OK“ (das steht für Offene Klever). Na bitte: Wenn einer den Ball auf den Elfmeterpunkt legt, darf er sich nicht wundern: Arbeitstitel für den Hausbesuch: Nur die Liebe zählt.

Mittlerweile hat es zu tröpfeln begonnen. „Wir gehen dann besser mal rein“, sagt Weinrich. Merke: Kandidaten dürfen auch mal eine Fehlprognose stellen. Sie müssen halt dazu stehen. Tut er. „Wenn ich Bürgermeister werde, bin ich farbenblind“, sagt er und meint, dass es um gute Ideen gehen muss und nicht darum, von wem sie stammen. Mit allen reden. Konsens erzielen. Was da auf ihn zukommen würde, weiß er einzuschätzen. 17 Jahre Erfahrung im Stadtrat (nicht nur in Kleve). Dass er Kandidat der OK ist, war das Ergebnis einer geheimen Abstimmung. Alle Stimmen entfielen auf Weinrich. Fast schon verdächtig. Man denkt an Schulz, Würselen und die Genossen. „Der Schulz ist falsch beraten worden“, sagt Weinrich.

Was sagt der Kandidat zum Thema Kultur: „In Kleve existiert eine unglaubliche Vielfalt“, sagt der Mann, der regelmäßig beim Theater im Fluss zuschaut und – es sei nur mal am Rande erwähnt – seine Frau bei einer „El Greco“-Ausstellung kennen lernte.  Zwischendurch die Frage: „Und, wie schmeckt Ihnen der Kaffee?“ „Gut. Aber nicht speziell schwedisch.“) Man müsste mal die Geschmacksknospen trainieren.

Authentisch bleiben – auch bei der Musik

Zurück zur Weinrich-Bedienungsanleitung. Wie macht man dem Mann gute Laune? „Mit Musik der Vier aus Liverpool.“ (Okay, die Nachgeborenen sollten jetzt mal bei Mamapapaomaopa nachfragen und sich von den Beatles erzählen lassen.) Was sollte man als Never-Do ins Weinrich-Benutzerhandbuch eintragen: „Bitte keine deutschen Schlager spielen“, sagt der Kandidat. (Das könnte jetzt Wählerstimmen kosten.) Es gilt: Verbiegen oder Verlieren? Nein. Es gilt: Irgendwie authentisch bleiben.

Weinrich ist (berufsbedingt) viel mit der Bahn unterwegs: „Da gibt es dann Leute, die Kopfhörer aufhaben, aber man hört trotzdem alles. Das geht gar nicht.“ Außerhalb des Urlaubs (und außerhalb des noch bis September angesagten Home-Office-Arbeitsmodus) muss Weinrich früh aufstehen: Der Zug Richtung Düsseldorf geht um 6.20 Uhr. (Vorher auf Betriebstemperatur kommen und von Materborn zum Bahnhof.) Zurück ist der Mann abends gegen 19 Uhr. (Wenn alles nach Plan läuft.) Das bedeutet in der dunklen Jahreszeit: Das Zuhause gibt‘s nur im Dunkeln. Allein das wäre ja ein Grund, sich als Bürgermeister zu bewerben. Das sagt nicht der Kandidat. Wir erinnern uns: Nur die Liebe zählt: „Ich bin der Liebe wegen nach Kleve gezogen und engagiere mich der Liebe wegen für Kleve“, heißt es auf der Homepage. Erste Diagnose: Der Kandidat ist kein Misanthrop. Er ist einer, der kommunizieren kann. Das wird gebraucht. Man darf nicht in die Verkrustungen geraten. Die behindern das kluge Handeln.

Weinrich ist Beatles-Fan, aber kein Gestriger

Bleibt eigentlich im Kandidatenleben Zeit für körperliche Ertüchtigung? „Ich habe ein Rad im Keller.“ Was nützt ein Rad im Keller? Stop: Den Mann ausreden lassen. Es geht um Spinning. Also: Fahrradheimtrainer. Dazu am besten gute Musik. (Wir wissen längst, was das sein könnte.) Früher ist Weinrich mit dem Rennrad unterwegs gewesen – im Jan- Ulrich-Trikot. (Das kam dann irgendwann nicht mehr so gut. „Da wurdest du angepöbelt.“)
Müssen sich die Wähler eigentlich Sorgen machen, dass da ein Gestriger an den Start geht (so von wegen Beatles, Casablanca und Co.)? Es sieht nicht so aus. Der Mann ist durchaus von heute und kennt sich aus bei den politischen Themen. In Sachen Kommunikation gilt für ihn: Schweigen ist Silber, Reden ist Gold. „Ohne Dialog bewegst du nichts in der Politik.“

Gemeint ist vor allem der Dialog mit „den anderen“. Womit wir wieder bei der „Farbenblindheit“ wären. Vielleicht ist ja „blind“ das falsche Wort. Es geht auf jeden Fall darum, möglichst immer alle an einen Tisch zu bekommen.  Was heißt eigentlich Tschüss auf Schwedisch?

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