August Friedrich Siegert – Maler und Geschäftsmann

KLEVE. Wieder mal ein „eigentlich“. Eigentlich sollte die Ausstellung „Die kleine Welt in der großen“ mit Bildern des Romantikers August Friedrich Siegert im Mai eröffnet werden. Noch stehen die Ursprungsdaten auf den Einladungskarten: 24. Mai bis 23. August. Am Eröffnungstag; Reden, Musik, Publikum – wie man es halt so macht …
Daraus wurde nichts. (Die Ursache dürfte bekannt sein. Kleiner Tipp: Der Grund beginnt mit einem ‚C‘.) Jetzt wird am Sonntag, 5. Juli, eröffnet. Eine Eröffnung wird es nicht geben, aber: das tut einer sehenswerten Ausstellung keinen Abbruch. Das neue Zeitfenster für „Die kleine Welt in der großen“: 5. Juli bis 31. Oktober.

Ein Wiederentdeckter

August Friedrich Siegert, lernen wir, ist ein Wiederentdeckter. „Die kleine Welt in der großen“ – die posthume Begegnung eines Geschichtenerzählers par excellence (Siegert) mit einem Landschaftsmaler. (Nicht, dass Landschaftsmaler nichts zu erzählen hätten – das Narrativ ist in eine tiefere Schicht verlegt.)
Siegert, der an der Düsseldorfer Akademie studierte und später dort eine Professur inne hatte, ist ein Virtuose des Erzählens. Eigentlich kaum eines seiner Bilder gibt sich mit einer Geschichte zufrieden.
Nebenbei bemerkt: Dass in Kleve eine Straße nach Siegert benannt ist – kein Zufall, denn: Ein Nachkomme des Malers, Walther Siegert (1904 – 1970), leitete von 1933 bis 1969 die Klever Elefanten Kinderschuh-Fabrik und sammelte Werke seines Großvaters.

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Düsseldorf, Kleve

Klar, dass „Die kleine Welt in der großen“ aus Anlass des 200. Geburtstags von Siegert zunächst in Düsseldorf zu sehen war. Dort lebte und arbeitete der Maler. Dass Siegert jetzt bei Koekkoek zu Gast ist, hat nicht zuletzt mit Guido de Werd zu tun. „Der sagte mir irgendwann: ‚Ich wüsste einen wunderbaren Ort, die Bilder zu zeigen.‘ Und er hatte Recht“, erinnert sich Annegret Stein, ihres Zeichens Enkelin von Siegerts Enkel an die Idee von der Ausstellung. Sie weiß viel zu erzählen von ihrem „Urverwandten“, dessen Art zu leben und seinen Arbeiten. Zusammen mit Theo Siegert (Ur-Ur-Enkel des Malers) und Guido de Werd hat sie einen wunderschönen Katalog zur Ausstellung herausgegeben.
Übrigens: „August Friedrich Siegert führte von 1854 bis zu seinem Tod 1883 sehr gewissenhaft ein Geschäftsbuch, in dem er nicht nur seine Ausstellungsbeteiligungen und Verkäufe notierte, sondern im zweiten Teil auch Abschriften von Briefen, die er an Ausstellungs-Organisatoren, Kunstvereine, Sammler und Transporteure schrieb. Das Buch wurde von den Nachfahren sorgfältig gehütet“, erzählt Stein. So werden Geschichten abseits des für alle Sichtbaren erzählt. Geschichten auch über Preise und Sujets. Geschichten, die von der Sorgfalt eines Malers im Umgang mit dem eigenen Werk Zeugnis ablegen und nicht zuletzt auch von seiner Geschäftstüchtigkeit.

Der Liebesdienst nach Hamburg

„Siegert sorgte dafür, dass ähnliche Bilder sich am Ende in räumlicher Entfernung befanden“, sagt Stein. Eines der Bilder der Ausstellung – es trägt den Titel „Der Liebesdienst“ – verkaufte Siegert nach Hamburg. Zu sehen ist allerdings ein Liebesdienst, der dann doch nichts mit der Reeperbahn zu tun hat. Eine Hausangestellte zweigt, während sie für die Herrschaft aufträgt, heimlich einen Schluck Wein für einen Hellebardier ab. Das Bild ist zeigt weit mehr als eine Handlung – es lässt sich auch als Kommentar lesen, dem der rheinische Humor als Startbahn gedient zu haben scheint. Für 1.700 Taler ging das Bild an den Hamburger Kaufmann Eduard Heerlein, der es 1870 – zusammen mit mehreren Freunden – bei einer Ausstellung in Berlin erstand und ein Jahr später der Hamburger Kunsthalle stiftete. Ein Bild und seine Geschichte.
Es macht Spaß, Siegerts Geschichten anzuschauen, sich in seine Portraits zu vertiefen, die allesamt Charakterstudien der besonderen Art sind. Nicht selten finden sich Kinder auf den Bildern. Annegret Stein: „Natürlich mussten Siegerts eigene Kinder Modell stehen , aber eigentlich war das kein Muss. Ihr Vater hatte immer viel zu erzählen.“

Zwei Selbstportraits

Zwei Selbstportraits sind in der Klever Ausstellung zu sehen. Das Erste (um 1840) zeigt einen jungen Mann, das Zweite (1883) einen „aufrechten älteren Herrn mit wachen Augen und weißen Haaren“ (Katalogtext). Es sollte Siegerts letztes Bild sein. Er starb am 13. Oktober 1883 infolge einer Blutvergiftung, die er sich beim Reinigen seiner Palette zugezogen hatte. „Vollendet wurde das Bild von Ernestine Friedrichsen, die das Todesdatum des Malers gut sichtbar auf der Vorderseite vermerkte“ (Katalogtext).

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