Heike Hoßbach
Heike Hoßbach an ihrem Lieblingsort in der Schule, der Bücherei. NN-Foto: Thomas Langer

STRAELEN. Diese Woche endet eine Ära – Heike Hoßbach vom städtischen Gymnasium in Straelen setzt sich nach zehn Jahren als Rektorin zur Ruhe. Nach ihrem Deutsch- und Geschichtsstudium in Duisburg begann die gebürtige Sangerhausenerin ihre Laufbahn 1978 als Referendarin in Krefeld. Nach langer Zeit in Kamp-Lintfort kam sie 2009 nach Straelen. Dort übernahm die heute 65-Jährige ein Jahr später die Leitung als Rektorin. Im NN-Interview blickt sie zurück – und nach vorne.

Frau Hoßbach, wie fühlt es sich für Sie an, nur noch ein paar Tage vom Ruhestand entfernt zu sein?

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Heike Hoßbach: (lacht) Ich hatte mir vorgestellt, dass ich mich nach den Osterferien sukzessive auf diesen Tag vorbereiten kann. Das heißt auch, immer wieder Gespräche zu führen. Dass ich noch einmal mit denen Kontakt aufnehme, mit denen wir immer zusammengearbeitet haben. Das ist coronabedingt alles nicht erfolgt. Denn ich arbeite seit dem 12. März mit deutlich erhöhter Stundenzahl. Da ist kein Wochenende drin gewesen. Krisen sind die Stunden der Chefs. Sie sind plötzlich in einer Art und Weise gefragt, da ist von Pensionierung keine Rede. Im Normalfall hätte ich viel mehr Gespräche gehabt, in denen ich wahrscheinlich mit meiner Situation konfrontiert worden wäre. Für mich war klar: Ich kann erst über meine eigene Verabschiedung nachdenken, wenn wir eine Lösung für unsere Abiturienten haben.

Gehen wir einmal zurück zum Anfang: Warum haben Sie sich überhaupt dazu entschieden, Lehrerin zu werden?

Hoßbach: Ich habe mir spät erst vorstellen können, was ich machen möchte. Wir hatten ja auch keine systematische Berufsberatung. Da ich sehr gerne Nachhilfestunden gegeben und auch als Gruppenleiterin bei der Stadtranderholung gearbeitet habe, sagte ich gezielt: Ich will Lehrerin werden. Während des Studiums habe ich gemerkt, dass mir das wissenschaftliche Arbeiten sehr liegt. So war auch schnell klar, dass die Schulform Gymnasium genau die richtige für mich war. Am Ende des Studiums habe ich noch kurzzeitig geschwankt: Ich bekam das Angebot, in Literaturwissenschaften zu promovieren, aber ich wollte Geld verdienen. Es war eine gute Entscheidung. Mir wurde als Referendarin schon bewusst: Das ist mein Beruf. Und das Wissenschaftliche konnte ich auch in der Oberstufe leben.

Was hat Ihnen am Lehrerberuf besonders Spaß gemacht?

Hoßbach: Das Faszinierende ist, die eigene Faszination für Literatur, Sprache und historische Zusammenhänge an Schüler weiterzugeben. Jungen Leuten eine neue Welt durch das Lernen zu eröffnen und aufzuzeigen, wie interessant das ist. Gerade dann, wenn die Eltern kein Abitur haben, die Schüler zu ermuntern und zu zeigen: Du wächst daran. Es ist zwar anstrengend, aber du bekommst das hin. Das war das Schwierigste, als ich Schulleiterin wurde. Deshalb habe ich auch gezögert, weil ich wusste, ich werde weniger unterrichten.

Wie hat es Sie nach Straelen verschlagen?

Hoßbach: Mich hat damals die Bezirksregierung auf Straelen und auf die Stellvertreterstelle aufmerksam gemacht. Ich habe mir daraufhin die Schule angesehen, zunächst anonym am Tag der offenen Tür. Dann habe ich einen offiziellen Termin bei Herrn Ebert gehabt und schnell haben wir gemerkt: Wir passen gut zusammen. Was mich auch nach Straelen gezogen hat, war eine Schule zu haben, die die Haltung hat, etwas verändern zu wollen.

War es von Anfang an Ihr Plan, einmal Rektorin zu werden?

Hoßbach: Als ich in Kamp-Lintfort Mittelstufenkoordinatorin wurde, bin ich ermuntert worden, weiterzumachen. Dann dachte ich zunächst an die Stellvertretung. Aber dann habe ich gesagt: Ich möchte auch die Schulleitung übernehmen, wo ich auch gestalten kann.

Welche Aufgaben bereiten Ihnen in diesem Amt besonders Freude?

Hoßbach: Die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Gruppen. Die zusammenzubringen und zu netzwerken. Eltern und Schüler zu beteiligen und so zu informieren, dass sie voneinander wissen und auch dass die Lehrer erfahren, welche Projekte gleichzeitig laufen. Und was ich als Schulleiterin neu entdeckt habe: Dass mir das auch außerhalb Straelens viel Freude gemacht hat, also die Schule bei Schulleitertreffen zu repräsentieren. Workshops zu halten, wie ich es bei der Digitalisierung gemacht habe. Es war ein ganz tolles Erlebnis, als ich die Ehre hatte, den Schulstandort Straelen vor 400 Bürgermeistern und IT-Beauftragten bei der Digitaloffensive zu vertreten.

Rückwirkend betrachtet: Würden Sie heute manche Dinge anders angehen, egal ob als Lehrerin oder Rektorin?

Hoßbach: Ich glaube, als Lehrerin habe ich immer wieder einiges anders gemacht. Das ist die Voraussetzung: dass man sich hinterfragt. Ich habe später entdeckt, dass es vielleicht andere Fächer hätten sein können, wie Französisch oder Informatik. Das ist mir damals nicht so in den Sinn gekommen. Auch als Schulleiter macht man seine Fehler, aber ich fand es immer wichtig, dass man sie sich auch eingesteht. Vielleicht würde ich sofort von Anfang an mehr auf der lokalen Ebene vernetzt arbeiten. Aber das ist nicht einfach, weil man erst alle kennenlernen muss und auch viel mit der Schule selbst beschäftigt ist.

Es ist schade, dass ich dieses Bild bei meiner Verabschiedung nicht erlebe.

Gibt es ganz besondere, gute Erinnerungen, die Sie nie vergessen werden?

Hoßbach: Es sind ganz viele Bilder im Kopf. Die beeindruckendsten Bilder sind immer die, wenn alle zusammenkommen. Also die Schulfeste. Diese großen Dinge. Wenn ich dann durch die Schule gehe und die Begeisterung von Kindern sehe, die Physikexperimente machen. Oder der Jahresausklang in St. Peter und Paul. Wenn Sie da vorne stehen und auf die Lehrer und Schüler schauen. Alle haben sich gemeinsam angestrengt, dass wir einmal innehalten und mit einem weihnachtlichen Gefühl nach Hause gehen: Das ist unsere Schule und wir sind mehr als eine Schule. Dieses Gefühl von Gemeinschaft. Es ist schade, dass ich dieses Bild bei meiner Verabschiedung nicht erlebe. Aber die Bilder sind ja in meinem Kopf und das ist ein richtiger Schatz.

Das Lehrerdasein kann manchmal ebenso hart sein: Gab es auch schlechte Erfahrungen oder Vorkommnisse, die haften geblieben sind?

Hoßbach: Das sind traurige Ereignisse, immer wenn der Tod in der Schule eine Rolle spielt. Zum Beispiel kurz bevor ich an die Schule kam, war ein Schüler gestorben, weshalb ich alle in der Trauerzeit kennengelernt habe. Man muss auch manchmal schwere Entscheidungen treffen. Zum Beispiel, wenn man den Vertrag für einen Vertretungslehrer nicht verlängern kann. Es sind auch Konflikte, die im Kopf bleiben, aber die sind gar nicht so sehr haften geblieben. Ich glaube, ich bin sehr offen mit solchen Situationen umgegangen, habe sie für mich ganz gut bewältigt und viel für die nächsten Male gelernt. Grundsätzlich habe ich viel mit den Leuten gesprochen, wozu sicher meine Psychodrama-Ausbildung beigetragen hat. Die habe ich gemacht bevor ich wusste, dass ich Schulleiterin werden wollte.

Haben Sie einen Rat für Lehrer und angehende Lehrer, wie man allgemein mit schwierigen und stressigen Situationen umgehen kann oder sollte?

Hoßbach: Schwierige und stressige Situationen sind völlig normal. Es gibt überall Angebote, wie Lehrer lernen können, gut mit Konflikten und schwierigen Schülern umzugehen. Im Studium lernt man das eher theoretisch, aber dass man dann zum Beispiel kollegiale Fallberatungsgruppen nutzt, damit man stressige Situationen mit anderen besprechen kann. Da geht es immer darum, die eigenen Ressourcen zu wecken. Nicht darum, einen Rat zu geben, sondern: Wie komme ich selbst auf eine Lösung. Ich finde wichtig, dass Lehrer es nicht als Einzelkämpfer sehen, sondern dass es Strukturen gibt, die helfen. Dass man innerhalb von 45 Minuten auf den Punkt kommt. Ganz wichtig ist es auch, die Neugier auf etwas Neues zu behalten und sich selbst zu hinterfragen. Ist das, was ich mache, auch zielführend?

Was werden Sie vermissen, wenn Sie die Schule verlassen?

Hoßbach: Was mir schon fehlen wird, sind die institutionalisierten Begegnungen. Ich habe ganz viele Menschen, mit denen ich zusammenarbeite und das bricht jetzt ein.

Rentnern wird ja gerne nachgesagt, sie hätten keine Zeit. Haben Sie Ihre schon irgendwie verplant?

Hoßbach: Ich werde das machen, was ich sehr gerne mache: Mich bewegen. Und das ist sicher auch zu kurz gekommen. Fahrrad fahren zum Beispiel. Da werde ich mir meine Fixpunkte setzen, das weiß ich schon. Dazu mehr Zeit haben für alles, was Kultur angeht. Ich möchte auch gerne ehrenamtlich tätig bleiben. Da habe ich mich in den ganzen Jahren verzettelt, ich war eher an die Schule gebunden. Ich habe jetzt sehr viel Kenntnis in Digitalisierung und ich sehe in meinem Umfeld Leute meines Alters, die sehr unfit sind und denen es schwerfällt, in der Krise Kontakte zu halten. Da könnte ich mir etwas vorstellen. Aber man muss jetzt unter Pandemiebedingungen neu denken. Welche Kreise können sich treffen? Vielleicht ist es doch das Klavierspielen für mich alleine. Also an Interessen mangelt es nicht. (lacht)

Gibt es noch etwas anderes, worauf Sie sich im Ruhestand freuen?

Hoßbach: Ich habe mich eigentlich auf eine Reise nach Neuseeland gefreut. Da wollte ich Fahrrad fahren, wandern und wieder paddeln. Aber das wird in dieser Form sicher nicht gehen.

Sind Sie ein wenig nervös, was Ihre Verabschiedung angeht, oder legt man das irgendwann ab?

Hoßbach: Zum nervös sein habe ich im Moment gar keine Zeit. Aber ich denke schon, dass Gefühle eine große Rolle spielen werden.

Gibt es etwas, das Sie ihren Schülern gerne mit auf den Weg geben würden?

Hoßbach: Den Mut zu haben, etwas Neues zu erkunden und sich darauf einzulassen. Das werden sie mehr denn je brauchen im nächsten Jahr. Und auch auf die eigenen Kräfte zu vertrauen. Nie aufzugeben, wenn es einmal schwierig wird und das Miteinander nicht zu vergessen. Und dass sie ausdauernd lernen. Es lohnt sich sehr, da wachsen einfach diese Flügel. Dazu wollte ich immer ermuntern.

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