Lag das Paradies in Appeldorn und Kehrum?

Verein der Freunde Kalkar präsentieren historische Ausstellung im Museum

KALKAR. Ein altes niederrheinisches Gedicht weiß zu erzählen, dass Adam und Eva in Appeldorn den Spruch von den Dornen und Disteln gehört haben sollen, als sie das Paradies verlassen mussten. Der Apfelbaum im Wappen der Appeldorner taucht in der Vitrine im Museum Kalkar schon auf sehr alten Urkunden auf, interessanter Weise sogar in zwei verschiedenen Varianten vom 15. und 17. September des gleichen Jahres 1424. Paradiesisch ging es für Schüler aus Kehrum nicht zu, wenn sie zum Schulgottesdienst die Ley nach Appeldorn überqueren mussten und dort mit einem kernigen Spruch oder sogar Steinen empfangen wurden: „Krömmse Bökk, dij schitte so dökk, schitte grüene Schaale, den Düwel sall se haale.“

Museumsfreunde Kalkar
Historische Gewänder sind auch Teil der Ausstellung im Städtischen Museum. Foto: privat

Sie wussten sich aber gut zu wehren und gaben in gleicher Weise zurück: „Appeldöörnsse Ratte hangen an de Latte, hangen an de Wolke, worren van den Düwel gemolke.“ Spätestens seit 1861 die Mühlenbachsche Ley parallel zur heutigen B 57 als Schulbezirksgrenze eingerichtet wurde und die Kehrumer ihre eigene Schule, später das Pfarrheim an der Uedemer Straße bekamen, entwickelte sich das Ortsteilgefühl für Kehrum. Vereine wie Tambourkorps und Schützen, kfd und Kirchenchor bis hin zur selbst mit „Milchgeld“ angesparten eigenen Kirche 1968 und Pfarrei St. Hubertus 1995 haben das Selbstwertgefühl der Kehrumer gehoben und aus der „Freiherrlichkeit Appeldorn und Boetzelaer“ des 14. und 15. Jahrhunderts in gleichen Grenzen zwei aktive Ortschaften werden lassen.

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Nach der Vorstellung der Ortschaft Altkalkar vor zwei Jahren hat man sich in Kalkar nun zwei weiteren Ortsteilen zugewandt. Damit können die Kalkarer selbst ihre eigene Geschichte kennenlernen und die Möglichkeiten des Museum wahrnehmen. Die Eröffnungsveranstaltung des Vereins der Freunde Kalkars zu dieser lange mit einer Arbeitsgruppe vorbereiteten Ausstellung über Appeldorn und Kehrum erlebte coronabedingt die gleiche Teilung und wurde am vergangenen Wochenende an die Gottesdienste in Kehrum und Appeldorn mit einem Vortrag angehängt.

Auf zwei Etagen präsentiert der Verein Geschichte und Geschichten, Persönlichkeiten und Landschaften, Industrieentwicklung und Landwirtschaft, Natur und Kunst, Kriegs- und Friedenszeiten, Milch und Zucker, Kleines und Großes, Historisches und Aktuelles, Kindergarten und Schule, Tierwelt und Menschenwelt, Karten und Stempel, Urkunden und Schriften, Fotos und Fahnen, Chroniken und Momentaufnahmen, Lese-Ecke und Vitrinen, Bücher und Gewänder.

So ergaben sich bei der Arbeitsgruppe schnell verschiedenste Themen, aus denen eine Auswahl getroffen werden musste: Das Durchzugsland Niederrhein sah zu unterschiedlichen Zeiten römische und sächsische Truppen, Hatuarier und Germanen, Kroaten und Hessen, Spanier und Niederländer, Franzosen und Habsburger, Engländer, Kanadier und Amerikaner. Die von verschiedenen Ley-/Leitgräben durchzogene Auenlandschaft kannte schon 1734/38 im Kataster des preußischen Geometers Petri eine Zersiedlung in kleinste Parzellen, die dieser nach Ruthen und holländischen Morgen auf großen Kartenblättern maßstabsgleich verzeichnet hat.

Alle Blätter zusammengefügt sind im Museum mit einer Folie heutiger Gegebenheiten überzogen. Dabei wird die Bedeutung des Hauses Boetzelaer einmal mehr deutlich, in dessen Geschichte neben vielen geistlichen Ämtern ein spektakulärer Mord genauso auftaucht wie die Ernennung zum Erbdrosten als Stellvertreter des Klever Herzogs. Wenn man von der Entwicklung der beiden Kirchen in Kehrum und Appeldorn erzählt, muss man vom Glauben und der Spendenbereitschaft der Bewohner berichten, genauso wie von Seelsorgern, die in Ausstattung und Kunst zu jeder Zeit eigene Akzente zu setzen vermochten. Dass die Appeldorner Kirche 1892 einen 54 Meter hohen Turm bekam, der am 28. Februar 1945 von Deutschen gesprengt wurde und gleich Küsterhaus und Anna-Schwesternhaus erschlug, ist genauso zu erzählen wie vom konzilsgeprägten, nicht von Münster unterstützten Bau der Kehrumer Kirche in Eigenleistung und Spendenfinanzierung.

Wie sehr das Kehrumer Gewerbegebiet nach „Kalkar 2000“ oder Pfeiffer&Langen mit den neuen Doppel-Türmen der Stadt Kalkar gut zu Gesicht stehen, kommt in der Ausstellung genauso ins Bild wie die Vielzahl der in diesem Gebiet aufgefundenen Tiere wie Dachs, Schnepfe, Specht, Fuchs, Eule oder Maus-Wiesel, die das Treppenhaus zieren. Die differenzierte Vereinswelt kommt in Fotos und Texten zur Sprache ebenso wie die Persönlichkeit des Appeldorners Heinrich Eger (1328-1408), der als Kölner Karthäuser-Visitator die Theologie und Musikwelt Europas mit seinen Schriften prägte und sogar am Text des Gegrüßet-seist-du-Maria für den Rosenkranz mitgewirkt hat.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 26. Juli.

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