Pflegeheime
Besuch in Corona-Zeiten: Die Bewohner der Seniorenresidenz in Till-Moyland können ihre Angehörigen in einer Holzhütte empfangen. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

NIEDERRHEIN. Ein Lächeln der Lieben, eine liebevolle Umarmung oder manchmal ein einfaches, aber wertvolles Gespräch mit der Familie von Angesicht zu Angesicht: Auf all das mussten Bewohner in den Pflegeeinrichtungen für Senioren seit dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie Mitte März in Deutschland weitestgehend verzichten. „Wir betreuen hier die Hoch-Risikogruppe. Da müssen wir wirklich sehr vorsichtig sein“, hat Barbara Onckels, Leiterin der Seniorenresidenz in Kranenburg, Verständnis. Seit vergangenen Sonntag sind Besuche in den Pflegeheimen offiziell wieder erlaubt – allerdings bedeutend anders als gewohnt. Viele Pflegeeinrichtungen am Niederrhein haben aber bereits zuvor vieles versucht möglich zu machen, um ihren Bewohnern die Situation zumindest etwas zu erleichtern.

Der Kontakt zur Familie sei in diesen Zeiten schließlich wichtiger denn je – für beide Seiten, wie Onckels weiß. „In den vergangenen Wochen waren die Bewohner ja sehr abgeschottet in den Pflegeeinrichtungen, da keine Besuche mehr erlaubt waren. Die Bewohner waren da selbstverständlich sehr traurig drüber. Aber auch für die Angehörigen war es nicht einfach, nicht kommen zu dürfen und sich vom Wohlbefinden ihrer Liebsten selbst überzeugen zu können“, sagt Onckels. Dabei seien die Besuche der Angehörigen sehr wichtig, „denn sie haben nochmal einen anderen Blick. Sie merken schneller, wenn etwas nicht stimmt, weil sie ihre Liebsten kennen – eben noch besser als wir“, sagt Onckels.

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Videotelefonie

Um die Situation für beide Seiten erträglicher zu machen, suchten die Pflegemitarbeiter und Beschäftigungstherapeuten vermehrt Gespräche mit den Bewohnern, um ihnen beizustehen. „Wir haben ganz viel mit Videotelefonie gemacht, damit sich die Bewohner und ihre Familie zumindest via Internet mal sehen konnten. Das hat auch toll funktioniert und ist gut angenommen worden. Da haben wir in den vergangenen Wochen einen wirklichen Fortschritt gemacht“, sagt Onckels.

Weil ein einfacher (Video-)Anruf aber keinen direkten Gesprächskontakt ersetzen könne, ging die Seniorenresidenz in Kranenburg schon früh einen kreativen Weg: Seit Anfang April können sich dort die Bewohner und ihre Angehörigen an einem Besuchsfenster zumindest mit Sicherheitsabstand und Maske sehen. „Es ist so wichtig, dass sie zumindest mal wieder einen direkten Kontakt zu ihrer Familie haben und daraus Kraft schöpfen können“, sagt Onckels. Sowohl die Bewohner der Pflegeheime als auch ihre Angehörigen, die dabei draußen sitzen müssen, seien über diese Möglichkeit des Sehens sehr froh gewesen. „An Muttertag war unser Besuchsfenster von 8.30 bis 17 Uhr durchgehend belegt“, berichtet Onckels.

Besuche im Gartenhaus

Eine große Resonanz erfährt auch die „Besuchshütte“ der Klosterresidenz in Till-Moyland. Vor anderthalb Wochen wurde diese im Garten der Pflegeeinrichtung aufgestellt, um Besuche von Angehörigen zu ermöglichen, ohne dass diese die Pflegeeinrichtung selbst betreten müssen. In dem Gartenhaus können sich die Bewohner und ihre Besucher mit Sicherheitsabstand und hinter Plexiglas nach vorheriger Terminabsprache zumindest sehen und miteinander sprechen. „Das wird auch sehr gut angenommen. Damit können wir die soziale Isolierung, die auch Telefonkontakte nicht ganz verhindern können, zumindest vermindern“, sagt Alltagsbegleiterin Kerstin Reichmann. Allerdings müsse auf eine sehr gute Hygiene geachtet werden. „Wir desinfizieren nach jedem Besuch die Stühle und die Hütte. Wir wollen kein Risiko eingehen“, sagt Reichmann. Die „Besuchshütte“ habe die Situation in den vergangenen Tagen insgesamt aber bereits etwas entspannt.

Durch die Lockerungen, welche die Landesregierung Nordrhein-Westfalen vor über einer Woche bekannt gab, sind nun auch Besuche in den Pflegeheimen wieder erlaubt. In Kranenburg wird das Besuchsangebot deshalb künftig im Inneren der Einrichtung erweitert. „Bei unserem Besuchsfenster sind wir ja sehr wetterabhängig. Daher richten wir zurzeit einen Besuchsraum ein, wo Angehörige nach vorheriger Terminabsprache unsere Bewohner für eine bestimmte Zeit besuchen dürfen“, sagt Onckels und ergänzt: „Diesen Raum haben wir sehr bedacht ausgewählt. Er wird uns wohl einige Zeit als Besuchsraum erhalten bleiben müssen. Deshalb möchten wir auch eine angenehme Atmosphäre schaffen.“

Auch wenn Besucher seit vergangenen Sonntag Pflegeeinrichtungen für Senioren wieder betreten dürfen, an die Zeit vor der Coronavirus-Pandemie erinnert dabei aber nichts. Besuche auf den Zimmern sind weiterhin verboten. Angehörige müssen zudem zuvor Termine machen und dürfen keine Coronavirus-Symptome aufweisen. Die Einrichtungen dokumentieren die Besucher und stellen eigene Räume mit Plexiglasscheiben und Desinfektionsmittel zur Verfügung. Zudem muss auf den Sicherheitsabstand geachtet werden.

Große Entspannung

Dass unter diesen Voraussetzungen Besuche in Pflegeheimen wieder erlaubt sind, begrüßt allerdings auch Friedhelm Appel, Katholischer Pastoralreferent St. Magdalena in Geldern. „Diese Entscheidung hat für eine große Entspannung gesorgt“, sagt Appel. Denn ein Kontakt, der ein Blick direkt in das Gesicht des Gesprächspartners ermögliche, sei mit nichts zu ersetzen. In den vergangenen Wochen sei die Situation für an Demenz erkrankte Menschen besonders schwierig gewesen. „Sie verstehen die Situation mit ihrer Wahrnehmung nicht mehr. Für sie sind zudem regelmäßige Kontakte zu ihren Angehörigen noch wichtiger“, sagt Appel. Auch Marianne Wolffram, Leiterin des Adelheid-Hauses des Caritasverbandes in Geldern, spricht von einer großen Erleichterung. „Die Situation in den vergangenen Wochen war sehr belastend“, sagt Wolffram. Deshalb sei es wichtig gewesen, dass nun – unter strengen Auflagen – ein Stück Normalität zurückkehre.

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