Folge der Corona-Krise: Abschaffung des Bargelds?

Interview mit Norbert Müller, Direktor Geldmuseum Wardt

XANTEN. Wer in Corona-Zeiten einkaufen geht, wird in Supermärkten und anderen Geschäften um eine kontaktlose Kartenzahlung gebeten. Dadurch könnte die drohende Abschaffung des Bargelds beschleunigt werden, befürchtet Norbert Müller, Direktor vom „Museum rund ums Geld” in Xanten-Wardt.

Norbert Müller, hier als historischer Münzschläger bei der Präsentation des Wardter Thalers im Jahr 2019, hofft auf eine baldige Wiedereröffnung des Museums in Xanten-Wardt
Foto: Archiv Michael Scholten

Herr Müller, blutet das Herz des Numismatikers, wenn er an der Kasse gebeten wird, bargeldlos zu bezahlen?

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Norbert Müller: In der aktuellen Situation kann ich verstehen, dass eine gewisse Unsicherheit bei den Verkäuferinnen und Verkäufern im Einzelhandel besteht. Aber ich habe auch schon mit Bargeld bezahlt und das Wechselgeld dann im Schälchen wiederbekommen.

Ein Sprichwort sagt: „Geld stinkt nicht.” Aber ist es eine Virenschleuder?

Müller: Da würde ich mir mehr Sorgen machen über Kokainrückstände auf Banknoten. Die hat man immer wieder nachgewiesen. Ich bin zwar kein Virologe, aber ich glaube nicht, dass Bargeld eine große Gefahr für die Gesundheit darstellt. Ich denke eher, dass gerade Bankinstitute die Gunst der Stunde nutzen, um das Zahlungsverhalten der Menschen auf elektronische Alternativen umzustellen.

Sie haben das Ende der D-Mark miterlebt. Werden Sie auch die Abschaffung des Bargelds erleben?

Müller: Ausschließen mag ich das nicht. Schon 2016 war ich bei einem „Tag der offenen Tür” bei der Bundesbank und habe nachgefragt, bis wann das Bargeld abgeschafft werden soll. Nach einigem Zögern fiel eine Zahl von zehn Jahren. Das wäre also 2026. Gerade bei jungen Leuten ging der Trend ja schon vor Corona zum Bezahlen mit der App oder Kreditkarte. Ich habe unsere Museumsbesucher oft darauf hingewiesen, dass sie es in der Hand haben, das Bargeld zu erhalten, indem sie weniger mit Karte zahlen. Aber diesen Prozess wird man kaum aufhalten können.

Geht das „Museum rund ums Geld” auch auf elektronische Zahlungsmittel ein? Oder sind Sie da bewusst ein Nostalgiker?

Müller: Elektronische Zahlungsweisen und auch rein virtuelle Kryptowährungen sind durchaus Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen. Unsere Unter-Überschrift lautet ja „gestern, heute und morgen”. Wir können uns modernen Entwicklungen nicht verschließen. Parallel horten wir aber Münzen und Banknoten, um sie für das Museum zu sichern, bevor es das Bargeld vielleicht bald nicht mehr gibt. Gerade haben wir 26 Ordner für unsere neue Schülerwerkstatt in Auftrag gegeben, in denen wir Bargeld von A bis Z, von Afghanistan bis Zaire, sammeln möchten. Es wäre toll, wenn uns alle, die noch Währungen vom letzten Urlaub haben, dabei unterstützen.

Wie weit reicht das Bargeld in der Geschichte der Menschheit zurück?

Müller: Die Geschichte der Münzen begann vor 2.500 Jahren mit dem lydischen König Krösus. Er hat die ersten Münzen prägen lassen und damit die Wirtschaft angekurbelt. Der älteste bekannte Geldschein stammt aus dem Jahr 1356. Den haben wir auch in unserem Museum.

Wann war der letzte Besucher in Ihrem Museum?

Müller: Am 14. März. Das waren Fachkollegen von den Krefelder Münzfreunden. Dann hatte ich das Schreiben vom Ordnungsamt im Briefkasten, dass wir wegen Corona vorerst schließen müssen. Drei Tage später kam ein weiterer Brief mit weiteren Verschärfungen. Zunächst hieß es, dass wir am 20. April wieder öffnen dürfen, aktuell ist vom 4. Mai die Rede, aber nachdem nun auch das Xantener Oktoberfest abgesagt wurde, ist jeder Termin mit einem großen Fragezeichen versehen. Diese Ungewissheit ist das Schlimmste.

Was machen Sie, während das Museum geschlossen bleiben muss?

Müller: Wir nutzen die Zeit, um das Hinterhaus zu isolieren, damit im Winter niemand in der Prägewerkstatt und der neuen Schülerwerkstatt frieren muss. Für letztere erarbeite ich gerade auch Konzepte, mit denen ich auf die Schulen zugehen möchte. Aber auch das wird derzeit ausgebremst, weil auf lange Sicht viele außerschulische Aktivitäten abgesagt wurden. Auch die Jugendherberge bleibt vorerst zu.

Besteht die Gefahr, dass das Geldmuseum durch Corona Geldprobleme bekommt?

Müller: Der Fortbestand des Museums ist nicht gefährdet, aber uns fehlen einfach die Besucher. Die sind das Salz in der Suppe und erzählen uns ihre eigenen Geschichten rund ums Geld. Natürlich diskutieren wir derzeit, ob wir auch virtuelle Führungen im Internet anbieten können, aber so ein Museum lebt vor allem vom persönlichen Austausch mit den Besuchern.

Ihre aktuelle Sonderausstellung zum 30. Jahrestag des Mauerfalls kann derzeit auch niemand sehen. Wird sie verlängert?

Müller: Ja. Die Ausstellung sollte am 9. November 2020 enden, aber wird nun bis zum 31. März 2021 verlängert. Im Rahmen der Sonderausstellung haben wir auch Günter Wetzel eingeladen, der 1979 weltweit für Schlagzeilen sorgte, als er mit seiner Familie und einer weiteren Familie in einem selbstgebauten Heißluftballon aus der DDR fliehen konnte. Eigentlich wollte Herr Wetzel im Mai nach Xanten kommen, nun wurden sein Besuch und sein Vortrag auf den 31. Oktober verschoben. Das ist dann auch eine Art Geburtstagsgeschenk für unser Museum, das am Weltspartag 2016 eröffnet wurde.

Sehen Sie in der Corona-Krise auch irgendeine Chance für die Zukunft des Bargelds?

Müller: Als die Grünen jetzt den Vorschlag machten, den lokalen Einzelhandel zu unterstützen, indem jeder Bürger einen Einkaufsgutschein in Höhe von 250 Euro erhält, dachte ich: Mensch, die führen die Tauschwährung wieder ein! Aber ich habe auch schon überlegt, spaßeshalber eine Rolle Toilettenpapier in die Vitrine zu stellen, ergänzt um ein Päckchen Hefe. Das sind ja berühmte Tauschwährungen der Corona-Krise. Vergleichbar mit der „Zigarettenwährung”. Die kam nach dem Zweiten Weltkrieg auf, hatte bis zur Währungsreform im Jahr 1948 Bestand und wird in unserem Museum ebenfalls berücksichtigt.

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