Die Stimmung ist gut

Frank Günzel leitet das Betreuungs- und Pflegezentrum „Haus am Heiligenweg“ in Goch. Am 13. März kam auch für diese Einrichtung der Lockdown, der mittlerweile in die 7. Woche geht. Zeit für eine erste Bilanz.

Verordnungen

Die fällt bei Günzel positiv aus. Das Wichtigste zuerst: „Die Stimmung bei unseren Bewohnern und im Team ist nach wie vor gut.“ Das ist nicht eben selbstverständlich. Um so besser, wenn es trotzdem so ist. Vor Günzel auf dem Tisch: ein Aktenordner. Wer derzeit eine Pflegeeinrichtung leitet, sollte up to date sein, denn „die Dinge ändern sich manchmal über Nacht“, so Günzel. Verordnungen laufen aus, andere treten in Kraft, aber mitunter liegt zwischen dem Auflaufen der einen und dem Inkrafttreten der neuen Verordnung ein Schwebezustand.

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Bedingungen

„Wir hatten zunächst einmal in Sachen Neuaufnahmen einen Stopp verhängt. Das haben wir am Montag geändert und werden übermorgen die erste Neuaufnahme durchführen“, erklärt Günzel. Das klingt einfacher als es ist. Eine Neuaufnahme sei, so Günzel, natürlich an Bedingungen geknüpft. „Die hygienischen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, wir brauchen einen negativ getesteten Abstrich, der nicht älter als zwei Tage sein sollte und wir verlangen ein ärztliches Attest, das Symptomfreiheit in Bezug auf Corona bescheinigt.“

Bisher ein Fall

Hat es denn in der Einrichtung schon einen Corona-Fall gegeben? „Wir haben eine weit über 80 Jahre alte Bewohnerin, die sich vermutlich während eines mehrwöchigen Klinikaufenthaltes infiziert hatte. Sie wurde dann mit einem positiven Befund zu uns entlassen. Da hat dann unser Pandemieplan gegriffen. Wir haben spezielle Pflegekräfte für die Betreuung ausgewählt. Das hat etwas damit zu tun, dass wir natürlich nicht wollten, dass unser gesamtes Team im Zusammenhang mit dieser Bewohnerin eingesetzt wird.“ 14 Tage habe sich die Frau in einem eigens geschaffenen Isolierbereich ohne Kontakt zu anderen Bewohnern aufgehalten. „Das ist nicht einfach: Du bist vier Wochen in der Klinik – kommst nach Hause und sollst dann 14 Tage in Quarantäne.“ Die Frau sei aber sehr entspannt mit der Situation umgegangen. „Sie liest gern und hat das in dieser Zeit ausgiebig getan.“
Was den Teil des Teams angeht, der die Frau betreut hat, „haben alle ein Symptomtagebuch geführt. Dazu gehörte unter anderem tägliches Fiebermessen – und das nicht nur einmal, sondern zweimal.“

Transparenz

Und was die Bewohnerein angeht, sagt Günzel, Symptome habe die Frau während der gesamten Zeit nicht gezeigt. „Wir haben dann über den Hausarzt nach dem Ende der 14-tägigen Isolation einen Abstrich machen lassen und das Ergebnis war negativ.“ Glück gehabt. Mittlerweile, so Günzel, sei die Frau wieder in ihr Zimmer zurückgekehrt und habe Kontakt zu den anderen Bewohnern. „Es ist wichtig, mit einer solchen Situation offen umzugehen – alle zu informieren“, sagt Günzel.
Anfangs habe es eine Flut unterschiedlicher Verordnungen gegeben. „Mittlerweile wird es diesbezüglich etwas ruhiger.“ Anspannung sei natürlich trotzdem da. Günzel: „Für alle, die damit zu tun haben – und das ist ja letztlich jeder von uns – ist diese Situation vollkommen neu.“

Eher unwahrscheinlich

Die derzeitige Coronaschutzverordnung, die in der aktuellen Form seit dem 27. April in Kraft ist (die vorherige Fassung trat übrigens am 22. März in Kraft), läuft am 3. Mai ab. Spätestens dann wird es (wie auch immer geartete) Änderungen geben. Dass das Besuchsverbot für Einrichtungen wie das „Haus am Heiligenweg“ aufgehoben wird, hält Günzel für „eher unwahrscheinlich“.
Positiv hat er den Rettungsschirm erlebt. „Zwischen März und September werden wir Zusatzkosten, die durch Maßnahmen im Zusammenhang mit Corona entstehen, erstattet bekommen.“ Zu den Zusatzkosten gehören beispielsweise vermehrte Portokosten, aber auch die Anschaffung von Masken und Desinfektionsmaterial. Da werde momentan ungleich viel mehr gebraucht als sonst. „Ich habe das mal grob überschlagen. Wir reden da bei uns von einem vierstelligen Betrag im oberen Bereich“, erklärt Günzel. Erstattet werden die anfallenden Beträge von der Pflegekasse.
Lobend erwähnt Günzel auch die Telefonfirma in Magenta. „Wir haben die Möglichkeit, Handtelefone zu einem Preis von 1 Euro zu bekommen. Ich habe mich da gleich beworben. Wir haben drei Geräte bekommen und mit denen ist auch Videotelefonie möglich. Das ist eine wirklich gute Idee.“

Falscher Zeitpunkt

Von der Diskussion um die Erhöhung der Gehälter des Pflegepersonals hält Günzel nichts. Nein – das stimmt so nicht: Er hält den Zeitpunkt für unangemessen. Dass es für Pflegekräfte eine Sonderzahlung von 1.500 Euro geben soll, sei momentan ja längst nicht in trockenen Tüchern. Dass es um eine höhere Wertschätzung (nicht nur) für den Pflegebereich gehen muss, unterschreibt Günzel. Derzeit allerdings gehe es darum, die Situation bestmöglich zu überstehen.

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