75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg

MARIENBAUM. Heimatforscher Michael Lehmann beschäftigt sich zur Zeit mit den Auswirkungen des 2. Weltkrieges in seinem Geburtsort Marienbaum. Dazu hat er Notizen des ehemaligen Bürgermeisters Heinrich Jordans über Kampfhandlungen gelesen und stellt diese zu einem Kurzaufsatz zusammen. Heinrich Jordans wurde 1872 in Marienbaum geboren und war dann von 1899 bis 1945 Bürgermeister der damaligen Gemeinde.

Bürgermeister Heinrich Jordans von 1899 bis 1.11.1945
Foto: privat

Er übernahm quasi das Amt von seinem Vater, der von 1816 bis 1899 ebenfalls Bürgermeister in Marienbaum war. Jordans Niederschriften zum Kriegsgeschehen blieben über 75 Jahre im Familienbesitz. Seine Nichte Marie-Louise Jordans-Theußen hat sie für ihre Familie aufbereitet und nun auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
Heinrich Jordans berichtet, dass aufgrund der feindlichen Bombenangriffe im Februar 1945 das Bürgermeisteramt von Marienbaum nach Vynen verlegt werden musste und beim Bauern Paul Schmitz untergebracht war. Er selbst, seine Haushälterin Adelheid Hasenacker sowie Obersekretär Ingendahl lebten dann ebenfalls in Vynen. Die Akten wurden sicherheitshalber im Heizkeller von Paul Schmitz untergestellt. „Nachts versammelte sich die ganze Nachbarschaft im Luftschutzkeller bei Paul Schmitz“, schrieb Jordans. Zu der Zeit starben bereits viele Marienbaumer bei Bombenangriffen. Wegen der immer größer werdenden Gefahr wurden Menschen evakuiert – Ferienkinder und alte Leute mit Lastwagen nach Homberg gebracht und von dort mit der Bahn nach Westfalen und Mitteldeutschland. Als es in Vynen immer bedrohlicher wurde, wechselte Jordans seinen Wohnsitz nach Obermörmter und fand Unteschlupf beim Bauern Peter Lieven. Der Weg nach Vynen war beschwerlich. „Mehrfach haben wir an der Rheinseite der Deichböschung vorbeikriechen müssen, wenn die Geschosse alllzu nah an unseren Köpfen vorbei pfiffen. Ein gar schauriges Bild bot sich unseren Augen“ beschreibt er die Abendmärsche. Die Menschen rückten zusammen, es wurde gemeinsam der Rosenkranz gebetet. In der Nacht vom 2. auf den 3. März 1945 sprengten deutsche Truppen die Pfarrkirche in Obermörmter. „Der Besuch der Trümmerstätte am nächstfolgenden Morgen war für mich herzzerreißend“, beschreibt er das Unverständnis über die „Sprengung aus Zerstörungswut“, die nur einen Haufen Schutt hinterließ. Ein deutscher Soldat wagte es sogar einen Gewehrschuss auf einen englischen Panzer abzugeben. Damit brachte er die Bewohner des Bauernhofes Lieven in Gefahr. Geistesgegenwärtig hängte der Viehwärter eine weiße Fahne raus und die Hausinsassesn traten mit hoch erhobenen Händen den Engländern entgegen. Das rettete ihnen das Leben. Englische Soldaten bezogen bei Harderings Mühle und bei Bauer Johann Schmitz Quartier und ließen durch Jordans Befehle an die deutsche Bevölkerung weitergeben. Und trotz allen Grauens gebar Frau Jentjens ohne Unterstützung durch Arzt oder He­bamme einen gesunden Sohn. Hebamme Schenning durfte nur später einmal die Frau betreuen.

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Das Zeltlager in Bedburg Hau 1945.
Foto: privat

Wie alle anderen wurde Frau Jentjens drei Tage nach der Geburt nach Bedburg evakuiert. Jede Familie durfte aus ihrem Hab und Gut nur eine Traglast mitnehmen. Alle bangten, ob sie je ihren Heimort wieder sehen würden.
In Bedburg war auf Weiden eine Zeltstadt aufgebaut. „Unterkunft und Masserverpflegung waren alles andere als gut. Wochenlang fehlte eine ordentliche Waschgelegenheit. Man blieb Tag und Nacht in den Kleidern. Das Lagerstroh war nach Wochen nur noch Häcksel. Kein Wunder, dass täglich etwa 40 Personen in Bed­burg-Hau starben“, beschreibt Jordans das Evakuierungslager.
Nach vier Wochen ging‘s zurück in die völlig zerstörten Dörfer, Wohnungen waren zerbombt und geplündert. Es fehlten Strom, Nahrungsnachschub, Unterkünfte, Verkehrsmöglichkeiten. Die Schule konnte erst 1947 wieder genutzt werden. Bis zum 1. November 1945 war Jordans Bürgermeister,. Sein Nachfolger wurde Obersekretär Ingendahl, der später zum Gemeindedirektor ernannt wurde.

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