EMMERICH. Zu Beginn des Jahres 1567 findet im Kreuzherrenkloster in Emmerich der Hansetag statt. Dort, wo heute der Neubau des Gesamtschul-Standortes am Brink entsteht, beginnt die Geschichte der 16-jährigen Ellen. Sie ist eine der Protagonistinnen des historischen Romans über die Hanse, an dem nicht nur Schüler der Gesamtschule Emmerich mitschreiben, sondern auch Schulklassen aus Hansestädten unter anderem in Großbritannien, Norwegen, Russland, Island und den Niederlanden.

Keimzelle des Projektes zum Hanse-Buch ist die Hansestadt Emmerich, genauer die Gesamtschule. Kami Wolter, Loreen Stolz, Patrycja Lyszyk, Malgorzata Leszczynska und Wiktorja Jablonska arbeiten seit den Sommerferien an ihrem Teil des Buches. Eines eint sie: In ihrer Freizeit schreiben sie an kreativen Texten – vom Tagebuch bis Fan-Fiction. Doch ein Historienroman ist für alle Neuland. „Ich fand es interessant, ein Buch zu schreiben, das in der Zeit zurückgeht und auf Fakten und realen Ereignissen beruht“, sagt Malgorzata.

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Im Vordergrund steht eine fiktive spannende Erzählung, die sich punktuell an den historischen Gegebenheiten der jeweiligen Hansestadt orientieren soll. Interessant für den Roman sind auch Themen mit kaufmännischer Ausrichtung.

Umfassende Recherche über die Hanse in Emmerich

Hanse-Buch Emmerich Gesamtschule
Schreiben am Roman über die Hanse: (v. l.) Patrycja Lyszyk, Wiktorja Jablonska, Malgorzata Leszczynska, Kami Wolter und Loreen Stolz.
NN-Foto: MB

Besagte Fakten recherchierten die Schülerinnen selbst. „Wir haben uns erst mal über die Hanse informiert, waren dazu im Rheinmuseum und haben einen Film gesehen“, erzählt Kami. „Die Hanse bietet eine Fülle an Ideen und Fakten, mit denen man wunderbar eine Geschichte schreiben kann“, findet Malgorzata.

Nächster Schritt war die Entwicklung von Charakteren und jeweils einer kurzen Hintergrund-Geschichte. „Wir hatten viele Ideen, die aber alle in die Welt des Buches passen mussten“, sagt Malgorzata. Loreen ergänzt: „Die Geschichte handelt nicht von der Hanse, sondern von Personen in der Hanse.“

Anfangs sei es ihr schwer gefallen, sich in diese zurückliegende Zeit hineinzuversetzen, sagt Malgorzata. „Ich wollte einen Charakter entwickeln, der besonders ist, ohne andere Personen in den Hintergrund zu drängen. Nach drei Versuchen hatte ich den passenden Charakter gefunden.“ Die einzelnen Personen werden nun nach und nach in ihren jeweiligen Handlungssträngen miteinander verknüpft – und die Story des Hansebuches nimmt Fahrt auf. Das Genre entwickelt sich derzeit in Richtung Historienkrimi – „es geht um Moral und Betrug“, verrät Malgorzata.

Wenn die Emmericher Schülerinnen alle Charaktere fertig entwickelt haben, werden sie diese den anderen Schulen präsentieren, damit diese wiederum die Ideen weiterspinnen und die Geschichten fortschreiben können.

Austausch zwischen Gesamtschule Emmerich und Partnern

Demnächst soll dazu der Austausch mit den weiteren, am Projekt beteiligten Schulen intensiviert werden. „Wir wollen unseren Teil zu einer großen Geschichte beitragen“, sagt Patrycja. Besagter Austausch erfolgt über die Internet-Seite www.europe-in-school.de; dort will Wolfgang Tyssen, stellvertretender Schulleiter der Gesamtschule Emmerich und Initiator des Buchprojektes über die Hanse, einen Chat einrichten. „So können wir mit den Partnerschulen Ideen und Textbausteine austauschen“, erläutert Tyssen. Dabei bewegen sich die einzelnen Teile des Buches aufeinander zu, und Personen werden mit Ländern verknüpft.

Für Tyssen wird dabei auch ein wesentliches Ziel des Projektes deutlich: „Wir wollen ein gemeinsames Ziel auf verschiedenen Wegen erreichen. Die Andersartigkeit der verschiedenen Charaktere und Geschichten wollen wir belassen, sie als Stärke sehen – als eine Art Gegenpol zur Gleichmacherei in der EU.“

Dass dieses Projekt auch viel Übersetzungsarbeit verlangt, versteht sich von selbst. Jede Schülergruppe schreibt zunächst in ihrer Landessprache. Diese Textbausteine sollen dann möglichst auch wieder von Schülern mit ihren Lehrern ins Russische, Englische, Niederländische und Schwedische übersetzt werden. „Am Ende folgt dann noch eine große Übersetzungsaktion“, blickt Tyssen voraus.

Texte und Bilder aus Emmerich

Doch nicht nur Texte kommen aus Emmerich. Schülerin Weronika Glazik wird das ganze Buch bebildern, mit Stadtlageplänen und Illustrationen. Diese werden ebenfalls über den Chat ausgetauscht. Derzeit haben unter anderem Schulen aus Pskow in Russland, Visby auf Gotland, Kaunas in Litauen, King’s Lynn in Großbritannien und Tangermünde in Sachsen-Anhalt bereits für das Projekt zugesagt. Insgesamt sind rund ein Dutzend Schulen aus mehreren europäischen Ländern beteiligt, alle mit Hansetradition.

Die Hanse
Die Hanse war eine zwischen Mitte des 12. Jahrhunderts und Mitte des 17. Jahrhunderts bestehende Vereinigungen niederdeutscher Kaufleute. Aus dieser Zusammenarbeit und den Zusammenschlüssen von Kaufleuten zur Förderung ihres Handels im Ausland entstand ein Städtebund, dem in seiner Blütezeit nahezu 200 See- und Binnenstädte angehörten.
Emmerich gehört, zusammen mit Wesel, Neuss und Kalkar, zum Bund der Rheinischen Hanse (gegründet im Jahr 2009).

Tyssen erwartet, dass in rund zwei Jahren ein Layout vorliegt. „Wir arbeiten aber Zeit-Ziel-orientiert“, betont er. Soll heißen: „Falls die Schüler länger brauchen, werden wir ihnen diese Zeit auch geben.“

In der Gesamtschule Emmerich treffen sich die Schülerinnen zum Hanse-Projekt immer dienstags, um ihre Ergebnisse zusammenzutragen. „Sie schreiben dann zu Hause weiter“, sagt Lehrerin Sabine Machelett, die als Projektleiterin die Gruppe betreut, „denn in der Freizeit geschieht ein wesentlicher Teil der Arbeit.“ Für die Schülerinnen ist das aber kein Problem. „Eines ist klar: Geschichte ist nie langweilig“, sagt Malgorzata.

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