Was ist denn im Viktorschrein?

Forschungsergebnisse nachzulesen im Buch von Dr. Clive Bridger, das der Dombauverein herausgibt

XANTEN. Die Katholische Propsteigemeinde Xanten ehrt ihren Patron, den Heiligen Viktor, mit der Viktortracht und trägt den Schrein mit den „Gebeinen“ des Heiligen durch die Straße. Doch was befindet sich wirklich in dem Holzschrein? Dr. Clive Bridger, Archäologe aus Xanten und seit über 30 Jahren beschäftigt mit Funden aus den römischen Gräberfeldern in Xanten, interessierte der wissenschaftliche Einblick in den Schrein.

Buchvorstellung mit (v.l.): Adrian Thyssen, Dombauverein, Kaplan Christoph Potowski, Dr. Clive Bridger und Hans-Wilhelm Barking, Dombauverein.
NN-Foto: Lorelies Christian

Als die „große Viktortracht“ am 10. Oktober 2013 zum 750-jährigen Jubiläum des Xantener Doms vorbereitet wurde, stellte er den Antrag an Bischof Dr. Felix Genn (Bistum Münster), den Inhalt des Schreins untersuchen zu dürfen. Es ist üblich, dass der Schrein zur Viktortracht jeweils für einige Stunden geöffnet wird. Er bekam die Erlaubnis und teilte die wissenschaftliche Untersuchung mit Experten aus unterschiedlichen Disziplinen in drei Bereiche: Analyse der Knochen, der Textilien und der Urkunden.
„Es war ein denkwürdiges Ereignis“, erinnert sich Hans-Wilhelm Barking, Vorsitzender des Vereins zur Erhaltung des Xantener Domes, der ebenso wie Weihbischof Theising, Propst Wittke, Dr. Grote und Elisabeth Maas vom Stiftsmuseum die Arbeiten am geöffneten Schrein verfolgten. Für ihn war klar: „Reliquien sind Andenken, Erinnerungen. Reliquien verschaffen keinen Glauben, aber Glaube verschafft Reliquien.“ Wenn der Heilige Viktor schon „nur“ eine legendäre Gestalt war, wie sollte nun nach über 1.600 Jahren nach seinem Tod, die Wissenschaft bestätigen, dass im Schrein die Knochen vom Heiligen Viktor liegen?
Dies war auch nicht die Zielsetzung von Dr. Clive Bridger und seinen Kollegen. Da der Sarg nur für 70 Minuten geöffnet war, blieb nicht so viel Zeit wie eine ausführliche Untersuchung erfordert hätte. Zähne gab es nicht mehr im Schädel, die Rückschlüsse auf den Menschen zugelassen hätten, so entnahmen die Forscher zwei Knochen (und einen aus dem kleinen Schrein). Wolf-Rüdiger Teegen machte folgende Rückschlüsse: Bei dem Knochen aus dem kleinen Schrein handelt es sich um einen Schweineknochen aus der Zeit zwischen 646 und 766 nach Christus. Die anderen beiden Knochen sind menschliche Skelettreste aus der Zeit zwischen 240 und 381 nach Christus. Es wird sich wohl um einen Mann gehandelt haben, der bei seinem Tod 35 bis 45 Jahr alt war und zwischen 1.63 und 1,69 Meter groß war. Er wird in der Nord-West-Region gelebt haben (nicht an der Küste) und hat eine Hirnhautenzündung überlebt.
Zwei Textilexperten, Dr. Gudrun Stracke-Sporbeck und Dr. Gottfried Stracke machten „außergewöhnliche, sensationelle“ Entdeckungen, berichtet Dr. Bridger mit Stolz. „Es handelt sich bei den Stoffen, mit denen der Sarg ausgekleidet ist, um Kostbarkeiten,sie ähneln italienischen Seidenstoffen aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhundets, sie sind aber nicht aus Italien. Sie weisen arabische Schriftzeichen auf und dazu gibt es weltweit keinen Vergleich. Auf der Innenseite der Holzlade des Viktorschreins ist Reiterseide aus Sogdien (heute Usbekistan) an der Seidenstraße. Sie stammt aus dem achten oder neunten Jahrhundert und zeigt Jagdszenen. Auch das ist einmalig auf der Welt, ähnliches gibt es nur im Nationalmuseum Rom“, erläutert Bridger die Untersuchungsergebnisse anhand von Fotos.
Bridger selbst beschäftigte sich mit den 18 Urkunden, die dem Schrein bei mehreren Öffnungen beigelegt worden sind. Die ersten 14 wurden in lateinischer Sprche abgefasst, die ersten sechs hatte Tobias Schrörs vom Stiftsgymnasium Xanten übersetzt. Bridger machte sich die Mühe, alle zu transkiprieren und zu übersetzen und auch herauszufinden, welche Persönlichkeiten diese unterschrieben haben (von den 250 Unterschriften konnte er nur vier nicht entziffern!)
Alle Forschungsergebnisse sind zahlreich bebildert in einer 150-seitigen Dokumentation ausführlich beschrieben und sehr spannend zu lesen. Wer sich damit beschäftigt, wird ungeahnte Zusammenhänge erkennen und ein ganz neues Verhältnis zur Xantener Kirchengeschichte erhalten.
Kaplan Christoph Potowski erinnert: „Es geht um die sehr frühe Verehrung eines Heiligen, der aufgrund seines Glaubens gestorben ist. Die Gräber haben schon immer sehr große Beachtung bei vielen Besuchern gefunden.“ So gibt es im Dom nicht nur den kleinen und den großen Schrein, auch weitere Reliquien sind im Hochaltar deponiert.
Hans-Wilhelm Barking prog­nostiziert: „Mit der Veröffentlichung von Dr. Clive Bridger ist sicherlich das wissenschaftliche Interesse an weitere Forschungen geweckt.“
Doch zunächst ist erst einmal das Interesse an dieser Lektüre „Zu den Inhalten des Xantener Viktorschreins“ geweckt. Sie ist ab Mitte Dezember erhältlich an der Domkasse zum Preis von 5 Euro (auch zu bestellen unter der ISBN 978-3-00-064029-2).
Die 400 Mitglieder des Dombauvereins haben besonderes Glück. sie erhalten das Buch als Jahresgabe mit den Weihnachtsgrüßen in der kommenden Woche.

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