Juna Grossmann berichtet über ihr alltägliches Leben als Jüdin. NN-Foto: Dickel

GELDERN. Bloggerin und Autorin Juna Grossmann hat in ihrem Leben oft mit antisemitischen Äußerungen zu kämpfen. Darüber berichtete sie in einer Veranstaltung der Volkshochschule Gelderland den Schülern der beiden Gelderner Gymnasien sowie des Gymnasiums Straelen in einem Vortrag in der Aula des Lise Meitner-Gymnasiums.

Juna Grossmann wurde 1976 in Berlin geboren. Die Zeit des Holocausts hat sie nicht miterlebt, trotzdem muss sie sich in ihrem Alltag mit antisemitischen Vorurteilen auseinandersetzen. Immer und immer wieder: „In meiner Arbeit in einem Museum werde ich öfters gefragt, wann ich wieder nach Hause gehe und damit ist nicht gemeint, wann ich Feierabend mache“, so die Autorin. Über diese und viele weitere Erfahrungen bloggt die Berlinerin unter www.irgendwiejuedisch.de seit 2008. Hassmails in denen Äußerungen stehen wie „der Zug nach Auschwitz wartet“ sind für die Bloggerin keine Seltenheit.

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Alltagsantisemitismus

Besonders erschütternd war für die Berlinerin die Erfahrung, dass das Äußern von antisemitischen Vorurteilen nichts mit dem Bildungsstand zu tun hat: „Selbst kluge Menschen stellen dumme Fragen“, erklärt Grossmann und berichtet von einem Erlebnis aus dem Studium: „Bei einem Wochenendausflug an die Ostsee mit meiner damaligen Lerngruppe kam es zu einer Diskussion, mit der ich niemals gerechnet hatte. Bis dahin haben wir alle miteinander gelernt, nie stand das Thema Religion zur Debatte. Als ich freitagabends dann Kerzen angemacht hatte und meine Kommilitonin erklärt, dass ich das tue, weil ich Jüdin sei, waren alle anderen auf einmal stumm – danach wurde ich mit Vorurteilen bombardiert und im Anschluss daran nie wieder zur Lerngruppe eingeladen“. Solche Erlebnisse machen die Berlinerin nachdenklich: „Oft sind es auch keine antisemitische Äußerungen, sondern einfach ein ungutes Gefühl, was einem vermittelt wird.“

Genauso nervig wie Vorurteile sind für Grossmann auch die ständigen Fragen nach Israel: „Warum befragen die Leute eine Deutsche nach Israel? Es sind doch nicht alle Juden Israelis“, so die Autorin. Dass sich die Lebenssituation für Juden in den letzten Jahren verändert hat, hat auch Grossmann wahrgenommen: „Vor fünf Jahren war das Thema Auswandern noch nicht aktuell, heute allerdings schon mehr.“ Die ständigen Vorurteile und Hassmails führen dazu, dass sie sich auch des Öfteren von den sozialen Medien fernhält: „Momentan mache ich wieder eine Twitterpause, weil es eine Kampagne gegen mich gab“, berichtet die Bloggerin und fügt hinzu, „daran gewöhne ich mich einfach nicht – auch nach all den Jahren.“

Stimme erheben

Für die Autorin gibt es allerdings keine andere Wahl, als ihre Stimme zu erheben: „Es ist anstrengend, aber wir sind in Zeiten, in denen man einfach etwas zu muss.“ Sie selbst hat bereits fünf Delikte zur Anzeige gebracht – bisher leider ohne Erfolg: „Hier muss noch einiges mehr passieren“, erklärt Juna Grossmann. Ein Beispiel hat die Berlinerin auch parat: „Wenn Menschen den Holocaust leugnen, kann man sie anzeigen, weil es dagegen ein Gesetz gibt. Bekomme ich jedoch eine Mail, in der steht, den Holocaust hätte es gegeben, aber die Verantwortlichen seien damals nicht fertig geworden, ist das okay.“

Genau solche Situationen bestärken Grossmann auch immer wieder darin, sich weiter an die Öffentlichkeit zu wenden, wie zum Beispiel mit ihrem Buch „Schonzeit vorbei – über das Leben mit dem täglichen Antisemitismus“: „Viele beschweren sich, dass das Thema Holocaust im Unterricht zu präsent ist, aber es muss gelernt werden, gerade in Deutschland, denn alle sollten wissen, wohin Rassismus führen kann“, so Grossmann abschließend.

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