Im alten Ratssaal des Gocher Rathauses erhielt Ruth Warrener (2. vr) den Rheinlandtaler. Bernd Krebs, stellvertretender Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland (l) hielt die Laudatio; Bürgermeis­ter Ulrich Knickrehm (2. vl) und die stellvertretende Landrätin des Kreises Kleve, Hubertina Croonenbroek (r), gehörten zu den ersten Gratulanten.Foto: LVR/Guido Schiefer

GOCH. Mit dem Rheinlandtaler ehrt der Landschaftsverband Rheinland (LVR) seit 1976 Menschen, die sich um die Kulturpflege im Rheinland besonders verdient gemacht haben. Am vergangenen Dienstag erhielt nun Ruth Warrener, Lehrerin an der Gesamtschule Mittelkreis, diese Auszeichnung für ihr Engagement um die Völlerverständigung.

Seit der Gründung der Gocher Stolpersteininitiative 2013 ist Ruth Warrener dort Mitglied. Schon zuvor hatte sie begonnen, sich mit den Lebensgeschichten der jüdischen Familien aus Goch zu beschäftigen. „Ich möchte, dass sich jemand daran erinnert, dass einmal eine Person namens David Berger gelebt hat‘, schrieb der 19-jährige David Berger kurz vor seiner Ermordung in Wilna 1941 – mit diesem Satz ist das zentrale Motiv der heute zu ehrenden Rheinlandtalerträgerin für ihren Einsatz bei der Dokumentation und Sichtbarmachung jüdischen Lebens in der Stadt Goch umschrieben“, führte Bernd Krebs, stellvertretender Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland, in seiner Laudatio aus.

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Der Rheinlandtaler wird seit 1976 verliehen.Foto: LVR/Guido Schiefer

Als Ruth Warrener ihren Dienst als Lehrerin an der Gesamtschule Mittelkreis in Goch angetreten habe, hätten zwei Straßen und ein Schulname an die jüdischen Bürgerinnen und Bürger erinnert; eine Gedenkplakette an die 1938 zerstörte Synagoge. „Die drei jüdischen Friedhöfe Gochs lagen außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung“, so Bernd Krebs.
Das änderte sich, als Ruth Warrener zusammen mit ihren Schülern – nach Absprache mit der jüdischen Gemeinde und der Stadt Goch – die Grabsteine säuberte und Inschriften wieder sichtbar machte. Mit ihrem damaligen Informatik-Kurs entwickelte sie anschließend eine Website, um Bilder und Daten zu sichern. Außerdem forschte sie nach den Familiengeschichten. Ein Projekt, das bis heute andauert und schließlich zur Verlegung von 103 Stolpersteinen in Goch führte.

Bewegende Schilderungen

In ihrem Buch „Wider das Vergessen“, herausgegeben vom Heimatverein Goch, wird die Erinnerung an die jüdischen Familien in Goch bewahrt. Die einzelnen Familienkapitel leitet Ruth Warrener mit einer bewegenden Schilderung der jeweiligen Lebenssituation ein. Ruth Warrener habe, so Bernd Krebs, bei ihrer Arbeit am Thema die Erfahrung gemacht, dass in der zweiten und dritten Generation nach dem Holocaust ein starkes Interesse an den deutschen Ursprüngen der eigenen Familie bestehe. Wertvolle Kontakte seien über die Jahre so entstanden, denn: „Ohne eine gelebte Empathie bleiben alle Initiativen der Völkerverständigung leeer Formeln und Makulatur.“ Reine Opferstatistiken blieben abstrakt, so Krebs, nur wenn es gelingen könne, Empathie zu erzeugen, werde man sich dem wieder anwachsenden Antisemitismus erfolgreich entgegenstellen können. Ruth Warrener zeige mit ihrer Fähigkeit, jüdische Einzelschicksale plastisch und emotional berührend zu schildern, den richtigen Weg: „Dazu gehört aber nicht nur bürgerschaftliches Engagement, sondern auch Mut; Mut muss man heute wieder haben, wo sich bedrohliche Entwicklungen am Horizont abzeichnen“, betonte Bernd Krebs.

“Nicht nachlassen”

In diesem Sinne bat auch die stellvertretende Landrätin Hubertina Croonenbroek in ihrem Grußwort „Lassen Sie nicht nach!“ Bürgermeister Ulrich Knickrehm, der zum zweiten Mal in seiner Amtszeit die Gelegenheit hatte, zur Verleihung des Rheinlandtalers in den alten Ratssaal einzuladen, freute sich sehr, dass mit der Auszeichnung das jahrelange Engagement von Ruth Warrener gewürdigt wurde: „Sie hat Menschen nachhaltig dafür interessiert, die Geschehnisse des Holocaust in Goch aufarbeiten zu wollen.“

Ruth Warrener bedankte sich sichtlich gerührt bei allen Wegbegleitern für die große Unterstützung und nahm den Rheinlandtaler stellvertretend für sie alle an: „Dadurch wird die in Goch geleistete Erinnerungsarbeit gewürdigt.“ Und diese sei für sie durch die Begegnung mit den Familien zu einer Herzensangelegenheit geworden.

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