KLEVE. Die rote Lampe brennt. Josefa van Koeverden platziert ihr Mikrofon, nimmt einen Zeitungs-Ausschnitt in die Hand und liest ihn deutlich und gut betont vor. Anna-Marie Schott-Reintjes sitzt nur durch eine Glasscheibe getrennt im Nebenraum und achtet am Computer darauf, dass die Ton-Aufnahme funktioniert. Mit Gestiken kommunizieren beide miteinander. Ein „Daumen hoch” bedeutet etwa, dass das Vorlesen starten kann. Wöchentlich erstellt ein Team von 28 Ehrenamtlern auf diese Art und Weise das „Niederrhein-Echo” – die einzige Hör-Zeitung im Kreis Kleve.

Aus einzelnen, vorgelesenen Zeitungsartikeln, die nach unterschiedlichen Rubriken getrennt werden, entsteht das „Niederrhein-Echo”. Der Fokus liegt dabei auf lokale Nachrichten aus dem ganzen Kreis Kleve. „Wir geben Blinden und Sehbehinderten die Chance, etwas aus der Region zu erfahren. Das, was überregional geschieht, bekommen sie leicht übers Fernsehen oder das Radio mit. Aber die lokalen Nachrichten gibt es nur in der Zeitung”, sagt Magret Esser, Vorsitzende des Vereins „Niederrhein-Echo”, der hinter der Hör-Zeitung steht.

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Kurz Gockel und Karl-Heinz Gottlob legten den Grundstein

Den Grundstein für das „Niederrhein-Echo” legten Kurt Gockel und Karl-Heinz Gottlob 1982. Im Mai desselben Jahres erschien die erste „Hör-Zeitung” für Blinde. „Damals gab es noch viele Kriegsversehrte und Kriegsblinde, die die Zeitung abonnierten”, sagt Esser. Dutzende Abonnenten hatte das „Niederrhein-Echo” in dieser Zeit. Sie bekamen die besten und interessanten Zeitungsartikel aufgesprochen auf eine Kasette nach Hause geschickt.

Gockel und Gottlob suchten sich Mitstreiter, weil sie alleine nicht mehr alle Zeitungsartikel einsprechen konnten. Da die Nachfrage so groß war, zog die Redaktion 1985 ins Syckklösterchen. Seit dem 1. Juli 1993 darf der Verein kostenfrei das AV-Studio der Karl-Kisters-Stiftung in Kleve nutzen – zunächst an der Kermisdahlstraße, seit 2010 an der Boschstraße.

Mittlerweile wird die Hör-Zeitung jedoch nicht mehr auf Kassette, sondern auf CD‘s im MP3-Format produziert. „Seitdem können Nutzer auch ,weiterblättern‘, also in den Beiträgen springen oder Texte mehrfach hören”, sagt Esser. Die Hör-Zeitung ist in 24 Rubriken gegliedert, die jedes Mal gleich sind. Besonders beliebt seien „Gut zu wissen”, „Lokale Ereignisse”, „Lokale Politik”, Polizei- und Gerichtsberichte sowie „Kirchliches”. „Mord und Totschlag versuchen wir aber zu vermeiden. Stattdessen nehmen wir sehr gerne Berichte über lokale Persönlichkeiten – auch aus dem Sport, wenn sich etwas anbietet”, sagt Esser. Ansonsten werde der lokale Sport ebenso wie Personalien nicht berücksichtigt. „Das nimmt zu viel Raum ein, wenn wir das für alle Kommunen auch noch mitnehmen”, begründet Esser.

Fünf Redakteure

Für den Inhalt der Hör-Zeitung sind fünf Redakteure zuständig. Sie wechseln sich wöchentlich ab und selektieren die Inhalte der Zeitungen. „Das dauert pro Ausgabe drei bis vier Stunden, da wir ja von Rees über Emmerich, Kleve, Goch bis nach Straelen ein großes Gebiet betreuen”, sagt Esser. Gemeinsam mit drei Lesern spricht der Redakteur die ausgewählten Zeitungsartikel inklusive des Erscheinungstages, der Zeitung und den Namen des Autors im Tonstudio ein. „Das dauert auch nochmal zweieinhalb bis drei Stunden – je nachdem wie gut die Leser lesen und wie wenig sie sich verhaspeln”, sagt Esser. Doch die Mühe lohne sich: „Unsere Abonnenten wissen es zu schätzen, dass bei uns menschliche Stimmen statt monotoner, synthetischer Computer-Stimmen die Artikel vorlesen. Ihnen eine Freude zu bereiten, ist für mich und das gesamte Team der Antrieb, die Arbeit zu leisten.”

„Niederrhein-Echo“
Ein 28-köpfiges, ehrenamtliches Team bestehend aus Technikern, Redakteuren und Lesern produzieren 52 Hör-Zeitungen pro Jahr. Wer Interesse hat, mitzuarbeiten, ist jederzeit willkommen. Die Abonnenten bekommen die Hör-Zeitung wöchentlich zugeschickt, können diese aber mittlerweile auch aus dem Internet herunterladen. Ein Abonnement kostet 48 Euro im Jahr. Davon werden ausschließlich die Kopier-Kosten für die CD‘s bezahlt. Mehr Informationen geben Margret Esser (Telefon 02824/2247) oder Johannes Intveen (Telefon 02821/9570).

Eine Hör-Zeitung dauert in der Regel 90 Minuten. „In der Weihnachtszeit kann es auch schonmal zwei Stunden werden, weil wir dann noch entsprechende Weihnachtsgeschichten mitaufnehmen”, erklärt Esser.

Zurzeit haben 18 Hörer die Zeitung abonniert. „Es waren auch schonmal viel mehr, aber das Problem ist, dass viele uns nicht kennen. Wir verteilen zwar Flyer, aber die können die Blinden und Sehbehinderten ja nicht sehen. Deshalb sind wir vor allem darauf angewiesen, dass Angehörige uns empfehlen”, sagt Esser. Wer Interesse hat, kann sich eine kostenlose Probeausgabe zukommen lassen.

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