Sprachen über die Vorteile des Dorflebens: (v.l.n.r.) Birgit Ingenlath (Inhaberin des Campingparks Kerstgenshof, Bernd Dicks (Mitbegründer Parookaville), Blogger Tim Hartmann, Mario Hecker (Bürgermeister der Gemeinde Kalletal), Weihbischof Rolf Lohmann und Moderator Sascha van Beek. NN-Foto: Theo Leie

VEEN. „320 Einwohner. Wenn man so klein ist, darf man die Zehner mitzählen.“ Solche oder ähnliche Dorfmomente postet Blogger Tim Hartmann auf seiner Instagramseite „MeinDorfkindmoment“. Was genau den Reiz am Dorfleben ausmacht, haben Bernd Dicks, Mitbegründer von Parookaville, Rolf Lohmann, Weihbischof Niederrhein, Birgit Ingenlath, Inhaberin Campingpark Kerstgenshof, Mario Hecker, Bürgermeister der Gemeinde Kalletal und Blogger Tim Hartmann bei den zweiten Veener Dorfgesprächen erklärt.

Nachem die ersten Veener Dorfgespräche im letzten Jahr ein voller Erfolg waren, war eine Wiederholung gesetzt: „Heute geht es um das Thema ,Was Dorf alles kann‘ und wenn ich mich hier umschaue, dann ist es auf jeden Fall eine ganze Menge bewegen“, resümiert Dr. Michael van Beek, Ortsvorsteher, zur Begrüßung in Sicht auf die volle Veranstaltungslocation im Spargelhof Schippers. Schon nach der letzten Veranstaltung, bei der es um das Thema Infrastruktur ging, konnte van Beek eine Veränderung feststellen: „Ich bin kurz darauf an einem Freitag an unserer Dorfkneipe vorbeigefahren und haben mich gewundert, was dort los ist. Drinnen saßen zahlreiche Jugendliche und auf meine Frage, was sie machen, sagten sie mir: ‚Na, trinken fürs Dorf‘“, erinnert sich van Beek lachend. Die Jugendliche hatten sich nach den ersten Veener Dorfgesprächen überlegt, dass eine Dorfkneipe einen gewissen Charme habe und treffen sich seitdem alle sechs Wochen dort, berichtet der Ortsvorsteher.

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Vorteile des Dorflebens

Bei der zweiten Veranstaltung, die von Sascha van Beek moderiert wird, geht es um die Vorteile des Dorflebens. Zu Beginn halten Mario Hecker, Bürgermeister der Gemeinde Kalletal und Dorfblogger Tim Hartmann einen Impulsvortrag zum Thema „Wir wir (wieder) ein Heimatgefühl schaffen“: „Zusammenhalt ist in einem Dorf das A und O. Zudem machen wir auch viele Aktionen mit Kindern, weil sie unsere Zukunft sind“, so Hecker. Hartmann weist daraufhin, dass auch die digitalen Erneuerungen Chancen bieten: „Digitalisierung und Landleben passen super zusammen. Viele wissen nur noch nicht genau wie“, so der Blogger, der sich nach einer kurzen Stippvisite in Hamburg wieder für sein Heimatdorf entschieden hat: „Das, was ich hier habe, ist mir mehr Wert als eine große Karriere“, so Hartmann.

Nach beider Meinung spielen mehrere Faktoren für ein Heimatgefühl eine Rolle: „Es geht zu Beispiel darum eine Identität zu schaffen – Geschichten müssen erlebbar gemacht werden und dafür müssen die Leute zusammengebracht werden“, so Hartmann. Nicht zu vergessen sei auch das Thema Wertschätzung: „Auch wenn kein Geld in den Kassen ist, einfach mal Danke sagen geht immer“, erklärt Hecker. Ein weiterer Punkt sei Transparenz: „Die Bewohner des Dorfes möchten wissen, was im Dorf vorgeht und es liegt an uns, Transparenz zu schaffen“, erläutert der Bürgermeister der 16 Gemeindeteil umfassenden Gemeinde Kalletal. Hier habe er in den letzten Jahren viel Arbeit geleistet. Zuletzt kommen beide auf einen ganz wichtigen Punkt für eine Dorfgemeinschaft zu sprechen: Das Ehrenamt: „Egal ob es die Feuerwehr oder andere Ehrenamtler sind – ohne sie läuft häufig nichts“, weiß Hartmann.

Nachbarschaft von großer Relevanz

Auch in der anschließenden Talkrunde bei den Veener Dorfgesprächen heben die beiden gemeinsam mit Rolf Lohmann, Birgit Ingenlath und Bernd Dicks die Vorteile des Dorflebens hervor. Ingenlath unterstreicht die Relevanz der Nachbarschaft auf dem Dorf: „Eine funktionierende Nachbarschaft ist das, was das Dorfleben ausmacht. Das kennt man in der Stadt oftmals nicht“, so die Inhaberin des Campingparks Kerstgenshof. Deshalb laden die Ingenlaths bei jedem Bauvorhaben auch erst mal alle Nachbarn ein und besprechen mit ihnen ihre Vorhaben, um sie als Erstes darüber zu informieren. Genauso handhabt es Bernd Dicks mit seinem Team bei Parookaville: „Wir laden die Weezer immer vor dem Festival zu einem Rundgang über das Gelände ein und verschenken auch Freikarten.“ Aber egal ob großes Festival oder kleinere Kirmes, gerade diese Events zeichnen das Dorfleben aus: „Ein richtiges Dorfschützenfest ist schon etwas ganz Besonderes“, so Ingenlath lachend.

Van Beek wendet daraufhin jedoch ein, dass es, aufgrund der vielen Vorlagen, die den Machern von solchen Events mittlerweile gemacht werden, nicht immer einfach sei, noch Freiwillige für solche Veranstaltungen zu finden. Das weiß auch Dicks: „Letzten Endes benötigt man immer einen, oder in unserem Fall drei, (Gründer von Parookaville sind Norbert Bergers, Georg van Wickeren und Bernd Dicks) die für alles geradestehen. Wenn man am Ende aber die Freude in den Gesichtern der Besucher sieht, ist es das wert“, so Dicks.

Mehr Gemeinschaft

Lohmann weist trotzdem daraufhin, dass die Flut an Vorlagen oftmals ein Hindernis für Ehrenamtler sind: „Solche Veranstaltungen – egal ob ein Festival, eine Kirmes oder ein Pfarrfest – sind so wichtig für die Gemeinschaft und es ist schade, wenn solche Vorlagen den Menschen die Lust nehmen, sich ehrenamtlich zu engagieren.“ Letzten Endes stehe und falle es alles mit den Ehrenamtlern, von denen es immer weniger gebe: „Wir müssen das in Zukunft wahrscheinlich mehr einfordern. Wir sind beim Ehrenamt darauf angewiesen, dass jeder für den anderen auch da ist und müssen da aus der egoistischen Ecke eines jeden Einzeln heraus und wieder mehr in die Gemeinschaft rein.“

Eine wichtige Aufgabe sei es deswegen, den jungen Menschen zu zeigen, dass das Dorfleben auch viele Vorteile hat, so Hartmann, der deswegen auch über das Dorfleben bloggt: „Viele Jugendliche haben momentan den Drang zum Beispiel nach Australien weggehen zu müssen, weil gefühlt alle es momentan machen. Wir müssen aufzeigen, dass es auch vollkommen okay ist, wenn man im Dorf bleiben möchte.“

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