KLEVE. Kuchen aus der Mongolei, gefüllte Blätterteigröllchen aus Syrien und süße Nachspeisen aus Mexiko – wenn sich am Donnerstagvormittag die Türen zum Internationalen Frauencafé öffnen, dann biegt sich die lange Tafel fast vor lauter mitgebrachter Speisen. Hier geht die Integration eindeutig durch den Magen. Rechnet man das Stimmenwirrwarr hinzu, dann spielt Konversation eine wohl ebenso wichtige Rolle. Und wie man es von aufgeschlossenen Frauen erwarten darf, findet dieser Austausch durchaus rege statt.

„Hier im Frauencafé wird ausschließlich Deutsch gesprochen“, sagt Maria Schneider-Bleß, die den Treff für Flüchtlingsfrauen und Asylbewerberinnen Anfang 2015 mit Hilfe des Vereins Haus Mifgash ins Leben gerufen hat. „Das möchten die Frauen auch“, betont sie. Schließlich sei das Erlernen der deutschen Sprache für viele Frauen sehr wichtig. „Ziemlich international“, freut sich Schneider-Bleß, geht es allwöchentlich in den Räumlichkeiten von Papillon („dafür sind wir sehr dankbar“) an der Sackstraße 88 zu. Da kommen Frauen aus Syrien, aus Afghanistan, aus dem Irak, aus der Mongolei, aus China und aus afrikanischen Ländern wie Guinea und Nigeria. Aber auch Jolanda aus Italien und Studenten aus Bolivien oder Mexiko finden sich hier regelmäßig ein, um mit anderen Frauen Kaffee zu trinken, zu frühstücken und sich auszutauschen.

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“Es ist schwer, Anschluss zu finden”

Salinaz aus Syrien ist vor vier Jahren mit ihren vier Kindern nach Deutschland gekommen. Sie ist verwitwet. Salinaz hat schon einige Deutsch-Kurse belegt und feilt weiter an ihren Sprachkenntnissen, weil sie Arbeit finden möchte. „Eine meiner Töchter macht gerade eine Ausbildung zur Erzieherin, die andere möchte in der Apotheke lernen“, erzählt Salinaz. Sie versuche, so oft wie möglich zum Frauencafé zu kommen. „Es ist sehr nett hier“, findet die Kurdin.

Dem kann Mona nur beipflichten. Sie kam vor vier Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland. „Wir sind vor dem Krieg geflohen“, sagt sie und erzählt von ihrem Zuhause in Damaskus, das vollkommen zerstört wurde. Einer ihrer Söhne studiert heute Pharmazie in Berlin. „Es ist schwer, Anschluss zu finden“, weiß Sunjidmaa aus der Mongolei aus eigener Erfahrung. Nicht nur deshalb schätzt sie das Angebot des Internationalen Frauencafés. Ihre Kinder gehen noch zur Schule, sie und ihr Mann arbeiten in einer Kantine. „Es ist schön, andere Frauen kennenzulernen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden“, sagt Sunjidmaa und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Viele Freundschaften seien daraus entstanden, man unterstütze sich gegenseitig. „Hilfe hat nicht immer etwas mit Geld zu tun“, sagt sie. „Es hilft auch, wenn man uns akzeptiert, wie wir sind, wenn man Neues entdecken oder die schöne Atmosphäre hier genießen darf.“ Besonders wichtig ist Sunjidmaa, dass sie die Sprache beherrscht. „Mein Deutsch wird immer besser“, freut sie sich.

“Frauen und Kinder erleiden am meisten”

Ein Picknick, ein Besuch im Museum, Yoga, Stadtrundgang – Abwechslung steht bei den Frauen hoch im Kurs. „Sie möchten unsere Kultur kennenlernen“, hat Maria Schneider-Bleß Verständnis für die Situation der Frauen. Sie selbst hat in den 1980er Jahren Politik studiert und war in der Frauenbewegung aktiv. „Frauen und Kinder sind immer diejenigen, die am meisten erleiden müssen“, sagt Schneider-Bleß. Häufig ziehe sich dieses Leid wie ein roter Faden durch das Leben der Flüchtlingsfrauen. „In vielen Herkunftsländern ist die gesellschaftliche Stellung der Frau ganz weit weg von unserem Verständnis von Gleichberechtigung“, sagt sie. Eine Erfahrung, die sie in den vergangenen vier Jahren gemacht hat: „Die Definition von Freiheit und der eigenen Position innerhalb der Familie ist sehr oft sehr unterschiedlich von dem, was ich denke.“ Mit ihrer „westlichen Sicht auf die Dinge“ könne sie nicht alle Frauen erreichen. Das müsse man so akzeptieren und trotzdem weitermachen. „Schließlich habe ich keine Meinungshoheit“, sagt Maria Schneider-Bleß.

Neben dem Austausch ist auch praktische Hilfe gefragt

Neben dem Austausch im geschützten Rahmen („viele muslimische Frauen würden nicht kommen, wenn hier Männer wären“), organisiert man im Frauencafé auch praktische Hilfe, etwa bei Arztbesuchen oder Behördengängen. Oft ist auch das Übersetzen von Briefen erforderlich. Maria Schneider-Bleß spricht englisch und französisch, Fadi Ramzy aus Ägypten steht ihr zur Seite, wenn eine arabische Sprache benötigt wird. Dank guter Kontakte zur Hochschule kommen häufig Studenten und helfen, wenn es ums Dolmetschen geht. In der WhatsApp-Gruppe oder über die Facebook-Seite lässt sich von Kleidung bis zur Nähmaschine fast alles besorgen, was benötigt wird. Jeden Sonntag trifft man sich um 8 Uhr zum gemeinsamen Laufen.

“Thema scheint nicht mehr “in” zu sein”

Übrigens: Im Rahmen der Internationalen Woche hatte das Frauencafé in der vergangenen Woche über Flyer und soziale Netzwerke deutsche Frauen eingeladen, vorbeizuschauen. Keine ist gekommen. „Das Thema scheint gerade nicht mehr „in“ zu sein“, hätte sich Maria Schneider-Bleß mehr Interesse erhofft. Wer das Frauencafé unterstützen oder sich einbringen möchte, der kann sich per Mail an m_schneider-bless@web.de wenden oder morgen, 3. Oktober, beim gro­ßen Begegnungsfest unterhalb der Schwanenburg vorbeischauen. Maria Schneider-Bleß und einige Frauen aus dem Café sind ab 14 Uhr am Stand 2 zu finden und freuen sich auf viele interessante Gespräche. Infos zu dem Begegnungsfest gibt es hier: www.mifgash.de/festival-2019

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