SOS Kinderdorf feiert 50. Jubiläum

KLEVE. Ludger Kazmierczak, Leiter des WDR-Büros in Kleve, erinnerte sich nur zu gerne an „Henriette” zurück: Auf der Lokomotive auf dem offenen Spielplatz des SOS Kinderdorfes an der Kuhstraße in Materborn hatte er in seiner Kindheit schließlich oft gespielt. Für ihn war es deshalb umso mehr eine Ehre, dass er – vor dem großen Familienfest an der Kalkarer Straße – durch das Programm des Festaktes zum 50. Geburtstag des SOS Kinderdorfes Niederrhein in der Klever Stadthalle führen durfte.

Vier ehemalige Kinderdorf-Kinder im Talk mit Moderator Ludger Kazmierczak (3.v.l.). NN-Foto: SP

Die 170 geladenen Gäste in der Klever Stadthalle waren vor allem von der kleinen Talkrunde, die Kazmierczak mit vier ehemaligen Kinderdorf-Kindern sehr berührt. Ihre Geschichten zeigten eindringlich, dass es nicht mehr braucht als eine Mutter, Geschwister, ein Haus und ein Dorf, um ein Kind großzuziehen – ganz so, wie die Idee des Kinderdorf-Gründers Hermann Gmeiner lautete. „Meine Kinderdorfmutter hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich bin”, berichtete Frank Hengstermann. Er war einer der ersten die ins 1969 errichtete Kinderdorf in Materborn einzogen und dort aufwuchsen. Heute arbeitet er als HNO-Arzt in Essen und hat sich von seiner Kinderdorf-Mutter sogar adoptieren lassen. „Für mich ist sie meine Mutter. Unser Verhältnis ist nach wie vor sehr eng”, sagt Hengstermann, der bereits als Baby ins Kinderdorf kam.

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“Ich musste mich an die neuen Strukturen erstmal gewöhnen”

Bei Markus Schramm war das anders. „Ich war schon zehn Jahre alt. Da musste ich mich an die neuen Strukturen und Regeln im Kinderdorf erst einmal gewöhnen”, berichtete Schramm auf der Bühne. Das sei ihm zunächst nicht leicht gefallen, doch mittlerweile wisse er, wofür es gut gewesen sei. Nach seinem Realschulabschluss und dem Abitur am Berufskolleg in Kleve absolvierte er zunächst eine Ausbildung, ehe er Jura studierte. In Emmerich ließ er sich schließlich als Rechtsanwalt nieder. Mittlerweile arbeitet er in dem Speditionsunternehmen seiner Frau.

Auch Martina van Offern und Jennifer Hirsch haben nur gute Erinnerungen an ihre Zeit im Kinderdorf. Beide sind dem Kinderdorf sogar verbunden geblieben. Hirsch absolviert dort gerade ihre Ausbildung zur Erzieherin, van Offern arbeitet bereits als Erzieherin an der Kuhstraße. „Ich finde es klasse, dass ich heute dort arbeite, wo mein Zuhause ist”, sagte van Offern.

“Kinder brauchen jemanden, der an sie glaubt”

Von diesen Worten fühlte sich Birgit Lambertz, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des SOS-Kinderdorfvereins, die extra aus München angereist war, „sehr beschenkt”. „Kinder brauchen jemanden, der an sie glaubt und der zu ihnen hält. Wir sind davon überzeugt, dass wer Bindung erfahren hat, diese auch weitergeben kann”, sagte Lambertz. In ihrer Ansprache betonte sie zugleich, wie wichtig die Zusammenarbeit von Behörden, Jugendämtern, Eltern, sozialen Einrichtungen und den Kindern sowie Jugendlichen selbst ist, damit gutes Aufwachsen gelingen kann.

NRW-Minister Joachim Stamp bei seiner Festrede. NN-Foto: SP

Joachim Stamp, stellvertretender NRW-Ministerpräsident und Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, setzte da auch in seiner Festrede an. „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind groß zu ziehen”, zitierte er ein nigerianisches Sprichwort, das vor einiger Zeit bereits um die Welt ging. Dieser Satz passe aber auch zum Gedanken des SOS Kinderdorfes am Niederrhein – übrigens der größten SOS-Einrichtung in ganz Deutschland.

„Wir wollen Kinder und Jugendliche in Nordrhein-Westfalen bestmöglich unterstützen – unabhängig von ihrer Herkunft. Das SOS-Kinderdorf Niederrhein ist dabei ein wichtiger Partner der Landesregierung. Es schafft Orte für Heranwachsende, in denen sie Gemeinschaft, Zuwendung und Halt erleben können. Gemeinsam werden wir weiter daran arbeiten, Kindern und Jugendlichen gute Entwicklungsmöglichkeiten und die faire Chance auf ein selbstbestimmtes Leben zu eröffnen”, sagte Stamp.

Das SOS Kinderdorf sei mit seinen vielen Facetten sozialer Angebote ein wichtiger Motor des sozialen Lebens und nachhaltig angelegtes Engagement. Damit sei es ein Gegenentwurf zur heutigen Ellenbogengesellschaft. „Wir erleben, dass die Verwahrlosung im Netz sich auch in die Gesellschaft überträgt. Sie sind aber ein leuchtendes Vorbild, wie es auch gehen kann”, sagte Stamp.

Einrichtungsleiter Peter Schönrock betonte, dass „belastbare Beziehungen und langfristige Bindungen” das SOS Kinderdorf auszeichnen. „Wir nehmen uns in allen Angeboten – ob in der Kinder- und Jugendhilfe, in der beruflichen Bildung oder bei unseren offenen Angeboten sehr viel Zeit für die Kinder, Jugendlichen und Familien, die wir in ihrer jeweiligen Lebenssituation begleiten”, sagte Schönrock und sprach sich dabei gleichzeitig dafür aus, junge Menschen auch nach Erreichen ihrer Volljährigkeit weiterhin zu begleiten.

Ausbau der Kinderbetreuung

Das SOS Kinderdorf arbeite zudem weiterhin intensiv daran, die bestehenden Angebote noch weiter auszubauen und zu verzahnen. „Gerade am neuen Familienforum Kermisdahl in der Klever Unterstadt greifen Kinderbetreuung, Ausbildungsmöglichkeiten, Kurse und Beratungsangebote immer stärker ineinander”, meinte Schönrock. So sei besonders die Kinderbetreuung der InKita von 6 bis 20 Uhr stark nachgefragt. „Der Bedarf ist groß und wir wollen Müttern die Möglichkeit geben, in Berufen wie zum Beispiel in der Altenpflege zu arbeiten, wo diese Betreuungszeiten vonnöten sind”, sagte Schönrock. Bislang biete das SOS Kinderdorf dieses Angebot aber als einzige Kita im Kreis Kleve an.

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