„Das Leben ist nicht zu Ende“

Die Region Niederrhein-Westmünsterland der Deutschen Ilco hilft Menschen mit Darmkrebs und Stoma und ist auch für deren Angehörige da

Niederrhein. Fritz Elmer weiß, wovon er spricht. Der 68-Jährige ist als Ehrenamtler der Deutschen Ilco nicht nur der Ansprechpartner für die Region Niederrhein-Westmünsterland, Sprecher für die Gruppen Dinslaken und Wesel und Teil des Besucherdienstes. Vor allem ist er selbst betroffen von Darmkrebs und seinen Folgen.

Im April 2001 folgte nach einer Darmspiegelung die Diagnose Darmkrebs, eine Woche später die Operation. „Ich hatte nie an Krebs gedacht. Auch meine Frau wurde kreidebleich“, sagt Elmer und zeigt damit auf, wie es wohl allen Krebspatienten und Angehörigen ergeht, wenn die schlimme Botschaft eintrifft.

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„Am Anfang wusste ich nicht, welche Ausmaße der Tumor hat“, sagt Elmer. Dennoch habe er sich zu dieser Zeit nicht allzu viel zum Thema angelesen: „Ich wollte mich nicht verrückt machen. Ich habe Vertrauen zu den Ärzten gehabt“, verrät der Ruheständler. Bewältigt habe er die Situation auch „durch Galgenhumor“, wie er lächelnd erzählt.

Nach erfolgreicher Operation, den ersten Monaten der Eingewöhnung und dem Kontakt zu anderen Betroffenen stellte er fest, dass viele Betroffene nicht offen über die Erkrankung und das Handicap durch ein Stoma (künstlicher Darmausgang beziehungsweise künstliche Harn­ableitung) reden können.

So suchte er nach Möglichkeiten, sich einzubringen. Solch eine ergab sich dann aus dem Kontakt zur Deutschen Ilco, einer bundesweiten Organisation für Menschen mit Darmkrebs, Stomaträgern und deren Angehörige. Es gibt mehrere Gruppen in der Region, unter anderem in Goch.

Ende 2002 wurde Fritz Elmer aktiv, sowohl als Sprecher einer Gruppe für Junge und Berufstätige als auch im Besucherdienst an den beiden Weseler Krankenhäusern. Rückblickend wundert er sich aber doch noch ein wenig: „Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal so engagiere.“

Lebensfreude bewahren

Wichtig findet Elmer, positiv an die Sache heranzugehen. Die Ilco möchte zeigen, dass Lebensfreude ein bedeutender Faktor für die Bewältigung ist. Deshalb bietet die Ilco-Region mindestens zweimal im Jahr gesellige Veranstaltungen an. „Das ist unheimlich wichtig. Klar kann man das nicht schönreden, aber man sollte nicht in ein tiefes Loch fallen. Man sollte in den Alltag zurückfinden. Das Leben ist nicht zu Ende“, betont Elmer.

Der verlorene Lebenswille vieler Betroffener resultiere laut Elmer aber auch daraus, dass sie nicht richtig informiert seien. Als er seine Diagnose erhielt, habe es zwar eine gute Aufklärung gegeben, aber Gespräche mit anderen Betroffenen seien seltener gewesen. „Heute ist das anders“, weiß Elmer aus Erfahrung.

Als Teil des Besucherdienstes geht er zum Beispiel in Kliniken, um solche Gespräche zu führen. Nach Absprache mit dem Pflegepersonal können sie vor und nach einer Operation stattfinden. Dabei stellen sich die Ehrenämtler selbst als Betroffene vor, um eine gemeinsame Ebene und Vertrauen zu schaffen. Der Patient kann von sich erzählen, seine Situation und seine Probleme schildern. So ein Gespräch kann fast schon Wunder wirken: „Patienten, die ein Stoma bekommen sollen, gehen nach dem Gespräch unbelasteter in die Operation“, so Elmer. Wenn obendrein geklärt wird, was später im Alltag, in der Freizeit und beim Sport noch alles möglich ist, sorgt das zusätzlich für Erleichterung.

Heutzutage werde ein Stoma oft nur vorübergehend angelegt – für diese Übergangszeit brauchen Patienten ebenfalls Informationen.

Hilfe in Alltagsfragen

Die persönliche Unterstützung vor allem bei Alltagsfragen zum Umgang mit der Erkrankung steht im Vordergrund. Veränderungen seien natürlich körperlich und psychisch belastend. „Man macht sich ja Gedanken“, bestätigt Elmer. Gesprochen wird auch über den Job, vor allem wenn dieser körperlich anstrengend ist. Dabei verweist Elmer noch auf die „Absprache mit den Ärzten, bevor man etwas verändert.“

Die geschulten Ehrenämtler sind auch per Telefon und notfalls sogar im Urlaub zu erreichen. Hausbesuche gehören auch zum Angebot. So klären sie zum Beispiel, wenn das Stoma nicht hält oder Fragen zu anderen Komplikationen auftreten.

Ansonsten kümmern sich die Ansprechpartner noch um die Vermittlung an Fachpersonal aus Medizin, Pflege und dem sozialen Bereich, damit dort spezielle Fragen und Probleme geklärt werden können. Ein Schwerpunkt ist die Zusammenarbeit mit den Kliniken, insbesondere den Darmzentren, der Kontakt zu Stomatherapeuten und Versorgern, aber auch zu den Sozialverbänden, Selbsthilfekontaktstellen und Krankenkassen. Letztere unterstützen die Selbsthilfe durch Fördermittel.

Ein Problem für die Ilco-Region und für die Betroffenen: „Viele wissen gar nichts von unseren Gruppen“, erklärt Elmer. Dabei sind die Treffen von ungezwungener Natur. „Man fühlt sich wie unter Freunden“, so habe ein Gruppenmitglied einmal die Atmosphäre beschrieben.

In einem Anfangsgespräch mit dem Gruppensprecher erfahren Neuankömmlinge mehr über den Ablauf und können im Anschluss neben jemandem mit der gleichen Erkrankung Platz nehmen. Somit ist gleich ein passender Gesprächspartner gefunden. Dann dauert es auch nicht lange, bis erste Gespräche entstehen. „Sie sollen sich aufgehoben und integriert fühlen. Wichtig ist auch, dass sie ihre Scheu verlieren“, sagt Elmer und merkt damit die typische Zurückhaltung vor fremden Menschen an. Er ergänzt: „Der beste Beweis. dass jemand sich wohlfühlt, ist, wenn er aus sich herausgeht.“

Probleme und Fragen dürfen auch gerne mit der ganzen Runde geteilt werden. Trotz gleicher Erkrankung hat nicht jeder die gleichen Probleme und andere Teilnehmer können vielleicht weiterhelfen.

Ganz nach Wunsch gibt es auch verschiedene Vorträge. Die haben nicht immer etwas mit der Erkrankung zu tun: Sicherheit im Straßenverkehr ist ein Beispiel. Gegrillt wird natürlich auch hin und wieder. „Wir sind wie ein Stammtisch, nur mit ernstem Hintergrund“, vergleicht Elmer.

Aufklärung ist wichtig

Die Ilco Niederrhein-Westmünsterland setzt sich auch für die Vorsorge ein: „Es ist wichtig, die Leute für die Vorsorge zu sensibilisieren“, sagt Elmer.

Ausscheidungen und Krebs sind für die meisten sehr unangenehme Themen. Die Ilco versucht aufzuzeigen, dass man über diese Probleme sprechen kann.

Öffentlichkeitsarbeit ist ein weiterer Schwerpunkt in der Region. So gibt es auf der Homepage der Region Niederrhein-Westmünsterland sogar eine Reihe mit kurzen Filmen, in denen das Thema Selbsthilfe am Beispiel der Deutschen Ilco aufbereitet wird. „Uns war es wichtig, das Bild der Selbsthilfe so darzustellen, wie wir es in der Region Niederrhein-Westmünsterland leben“, fasst Elmer zusammen. Ebenso sollte deutlich werden, dass Selbsthilfe mehr ist als ein Stuhlkreis und Gespräche über Krankheiten. Prominente wie Olaf Thon und Peter Maffay unterstützten das Projekt.

Wer mehr über das Thema und die Ilco-Region erfahren möchte, kann sich unter www.ilco-niederrhein.de/index.php informieren.

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