Klare Worte von Dr. Ansgar Müller zu Streitthemen im Kreis Wesel

Interview zu aktuellen Themen, wie Kiesabbau, Salzabbau, Naturschutzgebieten und Notaräzten

KREIS WESEL. Kritiker in Sachen Kiesabbau, Salzbergbau, Bewachen von Naturschutzgebieten und Zentrieren von Notärzten rufen auf zum Protest. NN-Redakteurin Lorelies Christian richtet einige ihrer Fragen an Landrat Dr. Ansgar Müller. Er beantwortet sie im Sommer-Interview:

Dr. Ansgar Müller, Landrat des Kreises Wesel
Foto: privat

Viele Kritiker des Kiesabbaus haben sich zum Niederrheinappell zusammensgeschlossen. Sie fordern nachhaltigen Kiesabbau und beklagen den großflächigen Verlust landwirtschaftlicher Flächen zum Abbau der Ressource Kies und Sand. Auch im Gutachten, das der Kreis mit den Bürgermeistern aus Alpen, Rheinberg, Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn in Auftrag gegeben hat, wird die Bedarfsermittlung in Frage gestellt. Nun hat die Landesregierung den neuen Landesentwicklungsplan festgelegt, wird es eine Klage dagegen geben?

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Müller: Seit Jahrzehnten fordern wir für den Kies- und Sandabbau ein anderes Konzept mit einer Planung, die sich nicht nach dem Verbrauch ausrichtet. Nun sieht der Landesentwicklungsplan sogar eine Verlängerung des Planungsraumes von 20 auf 25 Jahre vor. Diese Aufstockung um 25 Prozent bedeutet im Kreis Wesel eine zusätzliche Flächenbereitstellung von 300 Hektar. Die Proteste dagegen sind durchaus zu verstehen. Die Art der Bedarfsermittlung ist rechtlich nicht tragbar. Ich vergleiche die Situation mit der am Hambacher Forst. Dort hat das Oberverwaltungsgericht verlangt, dass die Notwendigkeit des Braunkohleabbaus hieb- und stichfest nachzuweisen ist. Auch wir (die Bürgermeister und der Landrat) verlangen eine Erläuterung der Bedarfsermittlung – gilt sie für den Niederrhein, für NRW, für Deutschland oder Europa weit? Es gibt Hinweise, dass der Kies vom Niederrhein bis zum Mittelmeer transportiert wird. Wir haben vor der Festlegung des neuen LEP nicht beschlossen zu klagen, weil wir gehofft hatten, die Landesregierung würde unserer Argumentation folgen. Ich bedaure nun die Entscheidung des Landtages und mache nach den Sommerferien den Vorschlag, den Klagebeschluss zu fassen. Ich erwarte parteiübergreifende Zustimmung und bin sehr zuversichtlich, dass wir vor Gericht erfolgreich sein werden.

Der Niederrheinappell fordert von den Kommunen die Förderung vom Einsatz der Recyclingbaustoffe anstelle von Kies und Sand – wird das umzusetzen sein?

Müller: Landrat: Es gibt eine Nachhaltigkeitsstrategie des Landes, die das Bauen mit alternativen Baustoffen, wie Holz oder Recyclingmaterial, vorsieht. Im Straßenbau sieht man das schon sehr häufig. Es gibt ja auch schon seit Jahren die Überlegung, einen Kies-Euro zu erheben, um einen wirtschaftlichen Anreiz für Alternativen zu schaffen.

Weiterhin fordert der Niederrheinappell wertvolle Bereiche durch Abgrabungsverbot zu schützen – kann der Kreis Wesel hier tätig werden?

Müller: Das ist eine alte Forderung, doch man kann nicht Naturschutzgebiete ausweisen, nur um etwas anderes zu verhindern. Dabei sind schon naturfachliche Begebenheiten zu beachten.

Auch die Bürger, die durch Salzabbau unter Absenkungen leiden und Schäden an ihren Häusern feststellen, haben sich zusammengefunden. Inzwischen gibt es einen Runden Tisch, an dem sie hier mit den Salzbergbauunternehmen und Vertretern vom Kreis vertreten sind. Ihre Hauptforderung ist die Schaffung einer Schlichtungsstelle wie es sie beim Kohlebergbau gibt. Wie kann hier der Kreis vermittelnd tätig werden, da Esco und Cavity dies bisher ablehnen?

Müller: In diesem Fall kann der Kreis nur moderieren, wir haben keine Einflussmöglichkeiten auf die Firmen. Wir haben am Runden Tisch alle Beteiligten zusammengebracht. Alle bestätigen, dass die Gesprächsebene besser geworden ist. Natürlich wäre aus Sicht der Betroffenen zu begrüßen, eine neutrale Stelle einzurichten. Doch dazu gibt es keine Verpflichtung und es ist Sache der Unternehmen, ob sie dem zustimmen. .
Allerdings kommt es auf die Art und Weise an, wie wir miteinander umgehen. Da sind Verbesserungen nötig.

Der Kreis hat nun RVR-Ranger unter anderem im Rheinberger Rheinvorland eingesetzt zum Schutz der Natur und besonders des Artenschutzes. Nun fühlen sich die Menschen ausgesperrt und fordern weiterhin den Zugang zum Rhein. Wird es eine Möglichkeit geben, beides zu vereinbaren?

Müller: Richtig ist, dass es die Regeln für das Naturschutzgebiet schon immer gab. Selbstverständlich dürfen Menschen auch weiterhin an den Rhein, allerdings nur über den offiziellen Weg, dort wo auch die Feuerwehrzufahrt ist. Gerade der Schutz der Rheinaue hat einen sehr hohen Rang von internationaler Bedeutung. Hier liegt das Vogelschutzgebiet Unterer Niederrhein, in dem auch Vögel brüten, die auf der roten Liste stehen. Sie dürfen nicht durch Menschen gestört werden. Es reicht nicht, dass wir Natur- und Artenschutz lediglich aufs Papier schreiben. Wir haben die Ranger beauftragt, damit sie sich für den Schutz engagieren und den Menschen die Wertschätzung der Natur nahebringen.

Ein weiterer Protest beschäftigt vor allem die Xantener, die verhindern möchten, dass die Notarztstelle am Krankenhaus nachts wegfällt?

Müller: Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass der Standort der Rettungswache am Xantener Krankenhaus erhalten bleibt und die Rettungswagenkapazität deutlich erhöht wird, von jetzt 50 Stunden pro Woche auf 84. Ein Rettungswagen ist rund um die Uhr einsetzbar, der zweite ist bisher von 7 bis 17 Uhr verfügbar und diese Zeit wird auf täglich zwölf Stunden ausgeweitet, auch am Wochenende. Da auch die Rettungswache in Alpen verstärkt wird, bedeutet die Aufstockung auch eine bessere Versorgung von Sonsbeck. Die Rettungswagen sind mit zwei Rettungssanitätern besetzt, die sehr gut ausgebildet sind. Künftig werden Notfallsanitäter eingesetzt, die dank Ergänzungsprüfung über mehr Kompetenzen verfügen. Wer aufgrund eines Notfalls die 112 anruft, wird mit der Leitstelle verbunden, die entscheidet, ob ein Rettungswagen oder auch zusätzlich ein Notarzt entsandt wird. Nur in einem Drittel aller Notfälle kommt ein Notarzt zum Einsatz. Das von uns beauftragte Gutachten zum neuen Rettungsdienstbedarfsplan sieht vor, die Notarztstelle in Xanten und Rheinberg nachts nicht mehr zu besetzen, sondern Notärzte in Alpen zu stationieren. Diesen Vorschlag habe ich abgelehnt. Stattdessen wollen wir zunächst alles so lassen, wie es ist und in einem Evaluationszeitraum von einem Jahr die Notarzt-Einsätze in Rheinberg und Xanten genau betrachten und in einem transparenten Prozess bewerten, um dann eine endgültige Entscheidung zu treffen. Da vielen Verbesserungen durch den neuen Plan bald kommen sollen und zum Beispiel die die neue Rettungswache in Hamminkeln bereits fertig gestellt ist und wir sie so bald wie möglich in Betrieb nehmen möchten, soll der Rettungsdienstbedarfsplan vom Kreistag noch in diesem Jahr beschlossen werden. Bis Ende September haben die Städte und Gemeinden nun die Möglichkeit der Stellungnahme.

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