Bipolare Störung
Bipolare Störung – so sieht es Peter. Foto: privat

NIEDERRHEIN. Was haben Sting, Catherine Zeta Jones, Ben Stiller, Ashley Judd, Marylin Monroe, Peter Paul Rubens, Winston Churchill, Vincent van Gogh und Hermann Hesse und Wolfgang Amadeus Mozart gemeinsam? Es könnten die Erfolge sein. Auch. Und das: die bipolare Störung.

Peter

Schon sind wir bei Peter. Peter heißt in Wirklichkeit anders. Er möchte nicht, dass sein Name in der Zeitung steht. Bei einem wie Sting wird das Outing vielleicht sogar mit Bewunderung gesehen – für Peter geht es ums Überleben im Alltag. Neurologische Störungen sind auch heute noch ein Problem. „Spätestens dann, wenn du dich um einen Job bewirbst.“

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Extreme Schwankungen

Bipolare Störung – manche kennen das eher unter dem Begriff manisch-depressiv. Vereinfachungen sind nicht immer hilfreich, aber vielleicht beschreiben sie einen Zustand: himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt – das ist das Areal der bipolaren Störung. Die Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen (DGBS) beschreibt es so: „Bipolar Erkrankte leiden an extremen, in Episoden verlaufenden Schwankungen in Stimmung und Antrieb, die willentlich nicht steuerbar sind. In der Manie sind Antrieb und Stimmung weit über Normalniveau. Die Depression ist charakterisiert durch Antriebslosigkeit und den Verlust der Fähigkeit, sich freuen zu können oder Trauer zu empfinden. Je nach Schwere kann sie mit latenter oder akuter Suizidalität einhergehen.“ Peter sagt: „Niemand kann sich vorstellen wie das ist, wenn er nicht selbst einmal in einer solchen Lage war.“ Nein – das ist nicht als Ausgrenzung gedacht. „Man kann mit Empathie viel erreichen, aber Empathie und Verstehen sind zwei unterschiedliche Dinge“, sagt Peter.

Ohne Einsicht

Er ist 55 Jahre alt. Die Diagnose Bipolare Störung erhielt er vor 30 Jahren. Damals wurde er zwangseingewiesen. „Das ist eine Erfahrung, die ich anderen ersparen möchte“, sagt er. „Im Nachhinein ist mir klar, dass das damals so laufen musste. In dem Augenblick habe ich es anders gesehen. Wenn du in einer manischen Phase bist, dann hast du das Gefühl, dass die anderen krank sind. Da fehlt dann jede Krankheitseinsicht“ sagt Peter und er sagt auch: „Das große Problem dieser Krankheit sind ihre unterschiedlichen Erscheinungsformen.

Daraus resultieren nicht selten falsche Diagnosen. Jemand, der in einer manischen Phase steckt, den fängst du nicht ein – an den kommst du nicht ran.“ (Die DGBS beschreibt Symptome der Manie wie folgt: „Unbegründet gehobene Stimmung, teilweise auch Gereiztheit; rastlose Aktivität und Unruhe; vermindertes Schlafbedürfnis; Rededrang; Verlust sozialer Hemmungen; unkontrollierter Umgang mit Geld und Suchtmitteln.)

Wenn der Faden reißt

„Dann reißt irgendwann der rote Faden“, sagt Peter. Dann zeigt die Krankheit ihre andere Seite: Schwermut, Freud- und Mutlosigkeit, Interessenverlust, Verlust des Selbstvertrauens, Ängste, Pessimismus, Schuldgefühle, vermindertes Konzentrationsvermögen. Der Mensch wird sich selbst zur Falle. Zuerst fliegt er hoch, dann ist er paralysiert. Ein Teufelskreis – irgendwie. Wie lange eine Episode – egal auf welcher der beiden Seiten – dauert, ist äußerst unterschiedlich. „Das können im schlimmsten Fall nur Tage sein – das können aber auch Monate sein“, sagt Peter. „Das Schlimmste ist, wenn beides gleichzeitig auftritt“, sagt er. „Das hatte ich noch nicht, und ich möchte mir das auch gar nicht vorstellen.“

Keine Schablone

Peter war verheiratet. Er hat einen Sohn. „Ich würde sagen, dass ich nicht beziehungstauglich bin“, beschreibt er sich und fügt hinzu: „Das ist aber bei anderen ganz anders. Die leben in Beziehungen.“ Merke: Es gibt keine Schablone für diese Krankheit. Gibt es Therapien? Die DGBS schreibt: „Bipolare Störungen sind behandelbar. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. […] Die Behandlung ruht auf mehreren Säulen: Akutbehandlung, langfristige Rückfallverhütung, psychotherapeutische, soziale Unterstützung, sowie Unterstützung zur und bei der Selbsthilfe.” Peter sagt es so: „Das ist wie bei einem Stuhl. Der hat in der Regel vier Beine, weil eines nun mal nicht ausreicht.“

SHG Wellenschlag

Alle zwei Wochen ist Peter im Kalisho in Kleve, Sackstraße 88. Da treffen sich die „Bipos“. „Die Selbsthilfegruppe (SHG) ist extrem wichtig für mich“, sagt Peter. Die „SHG Wellenschlag“ existiert seit mittlerweile vier Jahren und richtet sich an „bipolar Erfahrene am Niederrhein“. Das Motto der Gruppe: „SHG Wellenschlag – dein sicherer Ort.“ Worum geht es? Im Flyer ist es so formuliert: „Wir wollen einander Hafen, Strandkorb, Rettungsboje und Gefährten sein, indem wir Erfahrungen austauschen, Wissen teilen, Frühwarnzeichen erkennen, Strategien entwickeln, Kontakte und Hilfsangebote annehmen und pflegen und gemeinsam einen sicheren Kurs durch die Wellen auslotet”

Bipolare Störung: Ein bis zwei Prozent

Wer sollte sich an die SHG Wellenschlag wenden? Peter: „Auf jeden Fall sollten das Menschen sein, die bereits eine Diagnose haben.“ Die Gruppe trifft sich im 14-Tage-Rhythmus donnerstags zwischen 16.30 und 18 Uhr im Kalisho, Sackstraße 88, in Kleve. Wer Fragen hat, wendet sich an das Selbsthilfebüro in Kleve, Telefonnummer 02821/780012.

Die DGBS schätzt übrigens, dass ein bis zwei Prozent der Bevölkerung von einer Bipolaren Störung betroffen sind. Weiter heißt es: „Jeder kann erkranken. Die Erkrankung kann gravierenden Einfluss auf die Lebensperspektive und soziale Stellung der Betroffenen und ihrer Familien haben.“

 

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