KLEVE. „Von einem Moment auf den anderen verändert sich dein ganzes Leben. Es dreht sich um 180 Grad.” Viktoria Bartlitz ist 13 Jahre alt, als festgestellt wird, dass sie an Typ-1-Diabetes leidet. „Die typischen Symptome wie starke Kopfschmerzen, Gewichtsverlust und den ständigen Durst hat niemand richtig einordnen können”, erinnert sich die heute 22-Jährige an die Zeit vor der Diagnose.

Bis zu einem heißen Sommertag. In der Schule trank sie vormittags Eistee – anschließend ging es ihr so schlecht, dass sie direkt zum Arzt ging. Dort stellte man einen stark erhöhten Blutzuckerwert fest, was eine direkte Überweisung ins Krankenhaus erforderte. Dort blieb sie für drei Wochen. „Von da an musste ich lernen, mit der Krankheit umzugehen”, sagt sie.

-Anzeige-

Die seltenere Form der Zuckerkrankheit

Typ-1-Diabetes ist die seltenere Form der Zuckerkrankheit und tritt besonders häufig im Kindes- und Jugendalter auf. Die Bauchspeicheldrüse produziert nicht mehr genügend oder gar kein Insulin – man muss es spritzen, um akute und langfristige Schäden zu verhindern. Als Ursache gilt das Zusammenwirken von erblicher Veranlagung, äußeren Faktoren wie etwa bestimmten Virusinfektionen und einer Fehlsteuerung des Immunsystems.

Diabetiker leiden oft unter Depressionen

In Viktorias Familie hat außer ihr keiner Diabetes. „Für meine Mutter war es damals besonders hart, weil sie nicht wusste, wie sie damit umgehen soll”, sagt Viktoria. Auch für sie war es am Anfang die Hölle. „Man fällt in ein Loch – und das ausgerechnet mitten in der Pubertät.” Nicht selten leiden Diabetiker darunter, dass die Krankheit ihren Tagesablauf bestimmt. Das ist einer der Gründe, warum Patienten mit Diabetes etwa doppelt so häufig Depressionen bekommen wie Menschen mit einem gesunden Stoffwechsel. „Ich habe damals Voltigieren als Leistungssport betrieben – das war nicht so einfach, beim Training und beim Wettkampf die richtige Dosierung zu finden, um nicht in die Unterzuckerung zu rutschen”, erinnert sich Viktoria. Viele Sportler tragen eine Insulinpumpe, die rund um die Uhr kleine Mengen schnell wirkendes Insulin abgibt. „So eine Pumpe kam damals nicht für mich in Frage”, sagt Viktoria. Heute sieht sie das entspannter: „Mittlerweile habe ich eine und bin damit absolut glücklich.”

“Man lernt, damit zurecht zu kommen”

Ein unbeschwerter Umgang im Alltag erfordert eine hohe Disziplin. Verschiedene Situationen eines Jugendlichen stellen Diabetiker auf eine Probe – dazu zählen unter anderem die ersten Erfahrungen mit dem Alkohol. „Irgendwann wird das für alle jungen Leute zum Thema”, sagt Viktoria. Das Problem: Ist die Leber damit beschäftigt, Alkohol abzubauen, kann sie das Blut nicht mit Zucker versorgen. Da viele alkoholhaltige Getränke aber auch viel Zucker enthalten, birgt das ein hohes Risiko. „Man lernt, damit zurecht zu kommen”, weiß Viktoria. Man müsse eben besondere Acht auf seinen Körper geben. Die meisten Menschen in ihrem Umfeld wissen von ihrer Erkrankung – und achten darauf. Sie hat aber auch negative Erfahrungen gemacht. „Gerade früher gab es Leute, die sich darüber lustig gemacht und es nicht ernst genommen haben”, sagt sie.

Auch ihren Traumberuf konnte Viktoria auf Grund ihrer Erkrankung nicht erlernen. „Ich wollte zur Polizei”, sagt sie. Jetzt macht sie in der Verwaltung eines Krankenhauses eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement. Und fühlt sich wohl. „Beim Vorstellungsgespräch habe ich erstmal nichts von meiner Krankheit erzählt”, sagt sie. Sie wollte als normale Bewerberin berücksichtigt werden, ohne Vorurteile. Seit zwei Jahren befindet sie sich in einem Rechtsstreit. Es geht um die Anerkennung einer 50-prozentigen Behinderung. „Das hat mit steuerlichen Vorteilen zu tun, aber auch mit Kündigungsschutz und Sonderurlaub”, erklärt Viktoria. Letzteren könnte sie für die regelmäßigen Arztbesuche gut gebrauchen.

Wer hat Interesse an einer Selbsthilfegruppe?

„Das Wichtigste ist, sich dem Ganzen zu stellen”, sagt sie entschlossen. Die Diagnose sei im ersten Moment ein großer Schock, das ganze Leben verändert sich. „Aber es lernt sich damit zu leben, gut zu leben.” Hilfreich sei unter anderem auch der regelmäßige Austausch in sozialen Medien. Aktuell steht die Gründung einer Selbsthilfegruppe im Raum, die Anlaufstelle für Jugendliche, aber auch Eltern betroffener Kinder sein könnte. Bei Interesse kann man sich an Bärbel Vick vom Selbsthilfe-Büro wenden (Telefon 02821/ 780012 oder vick@paritaet-nrw.org)  und den 22. Mai vormerken. Da findet von 17 bis 20 Uhr ein Infoabend zu Selbsthilfegruppen im Klever Kolpinghaus statt – und Viktoria ist auch dabei.

Vorheriger ArtikelHund verstirbt nach Tritten – unbekannter Hundebesitzer gesucht
Nächster ArtikelNieukerk feiert das 18. Webermarktfest