Wollte Gelderner Staatsanwalt töten lassen?

Am Montag begann der Prozess gegen einen 58-Jährigen wegen versuchter Anstiftung zum Mord

GELDERN/KLEVE. Sein Mandant würde „eine Weinbergschnecke auf der Straße aufheben und vor dem Tod retten”, sagte Rechtsanwalt Falk Würfele. Geschockt zeigte sich dieser deshalb am Montag vor dem Klever Landgericht von dem Tatvorwurf, der seinem Mandanten angelastet wird. Ein 58-jähriger Gelderner soll im Mai 2018 einen Mithäftling in der Klever Justizvollanzugsanstalt gefragt haben, ob dieser jemanden kenne, der für ihn einen Menschen ermorden würde.

Der Angeklagte im damaligen “Schlüsseldienst-Prozess”. NN-Foto (Archiv): SP

Das Opfer sollte ein Klever Staatsanwalt sein, der zum damaligen Zeitpunkt ein Wirtschaftsstrafverfahren, den sogenannten „Schlüsseldienst-Prozess” (die NN berichtete), gegen ihn führte. Als völlig abstrus wies der 58-Jährige die Vorwürfe am Montag vor Gericht zurück. Auch wenn er mehrfach unter anderem wegen Betruges vorbestraft sei, so habe er nie zu Gewalttaten geneigt. „Ein Menschenleben ist für mich das höchste Gut”, sagte der 58-Jährige, dessen Rechtsanwalt ihm mit seiner persönlichen Einschätzung und dem Vergleich mit der Weinbergschnecke auf der Straße den Rücken stärkte. Die Aussage des Mithäftlings führte schließlich dennoch zur Anklage wegen einer versuchten Anstiftung zum Mord.

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Tat sollte am 22. Juni stattfinden

Der Beschuldigte und der aus den Niederlanden stammende Mithäftling waren im Mai 2018 bereits seit einiger Zeit zusammen in der JVA Kleve untergebracht. Wie der 58-Jährige selbst beschrieb, hatten beide des Öfteren Kontakt. Dabei habe er auch von seinem Prozess erzählt. „Ich bin ein kommunikativer und offener Mensch”, sagte der Gelderner. Laut einer Aussage des Mithäftlings im Juni 2018 soll der 58-Jährige ihn bei einer dieser Kontakt-Situationen gefragt haben, ob er jemanden kenne, der einen Staatsanwalt ermorden könne. Dazu habe der Gelderner ihm mögliche Tage geschildert, an denen der Staatsanwalt observiert und schließlich getötet werden könne. Die eigentliche Tat sollte am 22. Juni – einem der etlichen Verhandlungstage im „Schlüsseldienst-Prozess” – geschehen. Der 58-Jährige habe ihm auch zwei Fotos vom Staatsanwalt gezeigt und ihm berichtet, dass dieser immer den gleichen Weg von der Staatsanwaltschaft zum Klever Landgericht in der Schwanenburg laufen würde – meist in Begleitung einer Staatsanwältin. Diese könne gleich mit umgebracht werden, habe der Gelderner gesagt.

Der Mithäftling hat nach eigener Aussage dem 58-Jährigen geantwortet, dass dieser darüber nochmal nachdenken solle. Schließlich stünde auf Mord eine lebenslange Haftstrafe. Als Grund für die Beauftragung habe der Gelderner gesagt, dass der Staatsanwalt im Wirtschaftsstrafverfahren auch gegen seinen Sohn ermittle. Seine „zu erwartenden acht Jahre” seien ihm egal, aber seinen Sohn wolle er schützen. Geld spiele dabei keine Rolle. 30.000 Euro sollte der Auftragsmord laut des Mithäftlings kosten.

Niederländer stellte zunächst Forderungen

Der Niederländer, der wegen schweren Raubes an einen 81-jährigen Emmericher eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt, wandte sich nach dem Vorfall an seinen Anwalt und stellte an die Staatsanwalt drei Forderungen: Gegen eine Senkung seiner Freiheitsstrafe, eine finanzielle Belohnung und der Verlegung in eine niederländische Haftanstalt würde er den Vorfall auch der Justiz schildern. Die Staatsanwaltschaft und auch sein Rechtsanwalt machten ihm laut den Schilderungen eines Kriminalbeamten, Strafverteidigers und eines Staatsanwaltes am Montag aber schnell deutlich, dass diese Forderungen nicht durchzusetzen seien. Nachdem sein Rechtsanwalt ihm offenbarte, dass er aufgrund eines im Raum stehenden möglichen Mordes selbst eine Aussage tätigen würde, entschied sich der Niederländer selbst zu einer Aussage bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft.

Keine Aussage vor dem Klever Landgericht

Vor dem Klever Landgericht wollte er diese am Montag jedoch nicht wiederholen und blieb der Schwanenburg deshalb fern. Seit Dezember 2018 ist der Niederländer in einem Gefängnis in seiner Heimat untergebracht. Er weigert sich deshalb, in Deutschland vor Gericht auszusagen. Da die niederländischen Behörden ihn nicht nach Deutschland ausliefern, könne eine Aussage vor einem deutschen Gericht nicht erzwungen werden, wie das Klever Landgericht am Montag bereits kundtat. Da im Prozess aber Aussage gegen Aussage steht, ist die Zeugenaussage des Mithäftlings von großer Bedeutung. Mittels einer Video-Konferenz soll der Niederländer nun am 8. Mai seine Zeugenaussage in einem niederländischen Gerichtssaal tätigen und dabei per Live-Übertragung in die Klever Schwanenburg geschaltet werden.

“Vielschichtig, nachvollziehbar und glaubhaft”

Der Angeklagte und seine Verteidiger glauben an eine Intrige. „Der ganze Vorwurf ist total absurd und eine Erfindung. Er wollte sich dadurch selbst Vorteile verschaffen”, sagte der Angeklagte am Montag. Ein Kriminalbeamter sowie ein Staatsanwalt, welche die erste Vernehmung des Mithäftlings durchgeführt haben, waren hingegen anderer Meinung. „Er wirkte wirklich authentisch und wie ein Kerl, der sagt, was er denkt und einfach gerade aus zu sein scheint”, sagte der Kriminalbeamte. Der Staatsanwalt berichtete Ähnliches: „Die ganze Geschichte war vielschichtig, nachvollziehbar und glaubhaft; auch weil er konkrete Daten wie den 22. Juni als möglichen Tattag nannte.”

Der Staatsanwalt, der Opfer der Tat werden sollte, konnte zum Tatvorwurf nicht viel sagen. Als er davon erfahren habe, sei er jedoch zunächst geschockt gewesen. „Die theoretische Möglichkeit, dass es jemand auf einen abgesehen hat, ließ mich über vieles nachdenken. Es ist ein Risiko, das wir als Strafverfolger immer haben, aber über das wir sonst nicht nachdenken. Nach dem Vorfall haben wir aber gewisse Schutzmaßnahmen ergriffen”, sagte der Staatsanwalt. So sei er an den letzten Prozesstagen im „Schlüsseldienst-Prozess” nicht mehr zu Fuß zum Landgericht gelaufen, sondern habe sich von einem Streifenwagen der Polizei zur Schwanenburg bringen lassen.

Sechseinhalbjährige Haftstrafe

Im August 2018 wurde der 58-jährige Gelderner im „Schlüsseldienst-Prozess” unter anderem wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt. Sein Mitangeklagter erhielt eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Der 58-Jährige legte gegen das Urteil Revision ein. Über diese hat der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden.

Der jetzige Prozess wird am 8. Mai fortgesetzt.

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