Holzheizkraftwerk: klimafreundlich oder schädlich?

Die Grünen sehen den aktuellen Solvay-Genehmigungsantrag kritisch

RHEINBERG. Das Holzheizkraftwerk, das die Firma Solvay ab 2021 in Ossenberg betreiben möchte, ist nach Auffassung der Grünen „nicht klimafreundlich“. In der geplanten Anlage werde keine Biomasse verbrannt, sondern „gefährlicher Abfall“, betont Petra Schmidt-Niersmann. Die Juristin ist Sprecherin der Grünen im Kreis Wesel und verfasste im Auftrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz eine Stellungnahme zum Genehmigungsantrag, den Solvay bei der Bezirksregierung Düsseldorf gestellt hat.

Die Firma Solvay möchte am Standort Rheinberg ab 2021 Altholz statt Kohle verbrennen, um Energie zu gewinnen. Die Grünen fürchten die Nebenwirkungen und fordern höhere Standards. Foto: Solvay

Bei einem Pressetermin stellte Grünen-Fraktionssprecher Jürgen Bartsch klar: „Natürlich begrüßen wir, dass ein Industrie-unternehmen auf eine Alternative zum Kohlekraftwerk setzt, aber wir fordern deutlich höhere Standards zum Schutz der Menschen und der Umwelt.“ Solvays Ankündigung, die neue Anlage stoße circa ein Viertel weniger Kohlendioxid aus, dürfe nicht isoliert betrachtet werden. „Bei der Verbrennung des Altholzes entstehen auch schädliche Dioxine und Furane“, sagt Jürgen Bartsch. „Die Verringerung des CO2-Ausstoßes darf auf der anderen Seite nicht durch Gesundheitsbelastungen- und gefährdungen anderer Art erkauft werden.“
Petra Schmidt-Niersmann bemängelt, dass Solvay alle vier denkbaren Klassen von Altholz aufbereiten und zur Energiegewinnung verbrennen will. Die geplanten 200.000 Tonnen pro Jahr seien nicht nur naturbelassene Frischhölzer der Kategorie A I, sondern vor allem lackierte, verleimte, beschichtete oder sonstwie behandelte Althölzer der Kategorien A II bis A IV, darunter Möbel, Außentüren und Bahnschwellen.
Die Grünen fürchten nicht nur die Emissionen des Holzheizkraftwerkes, das an der Ecke Xantener Straße, Ecke Zollstraße gebaut werden soll. Auch die circa 8000 Quadratmeter großen Hallen für die Holzaufarbeitungsanlage, die das Gocher Unternehmen AVG Baustoffe betreiben soll, ist ihnen ein Dorn im Auge.
„Täglich werden 60 Lkw das Altholz anliefern, hinzu kommen Leerfahrten und der Abtransport der Asche, die auf eine Sondermülldeponie gebracht werden muss“, sorgen sich Barbara Ettwig und Svenja Reinert. Beide leben in Ossenberg und sind für die Grünen aktiv. Sie rechnen mit einem höheren Verkehrsaufkommen auf der L137, begleitet von Lärm und CO2-Ausstoß.
Petra Schmidt-Niersmann befürchtet zudem eine „Konkurrenzsituation“ zwischen Solvay und etablierten Müllverbrennungsanlagen. Die 200.000 Tonnen Altholz, die Solvay pro Jahr im Umkreis von 150 Kilometern sammeln und verbrennen lassen will, würden an anderer Stelle fehlen. Die jüngste verfügbare Studie gibt an, dass die derzeit 26 Müllverbrennungsanlagen Nord-rhein-Westfalens im Jahr 2016 insgesamt 937.000 Tonnen Altholz verbrannten.
„Wofür brauchen wir also eine weitere Verbrennungsanlage für Altholz?“, fragt Petra Schmidt-Niersmann und gibt die Antwort gleich selbst: „Solvay baut die Anlage nicht, weil zu viel Altholz da ist, sondern weil sich damit Geld verdienen oder einsparen lässt.“ Das Streben nach Profit dürfe aber nicht zu Lasten der Gesundheit der Anwohner gehen: „Da die Firma für Filteranlagen keinen Cent mehr ausgeben wird, als die Gesetze es vorschreiben, ist es unsere Aufgabe, einen Gegenpol zu schaffen und uns für den Schutz der Anwohner einzusetzen.“
Fraktionssprecher Jürgen Bartsch nennt es „eine komische Situation“, dass die Grünen unverhofft die Müllverbrennungsanlage Asdonkshof verteidigen: „Sie ist damals von uns sehr kritisch begleitet worden. Aber immerhin haben die Proteste dazu geführt, dass wir nun eine Müllverbrennungsanlage mit strengen Emissionswerten und guten Filtern haben.“ Es sei nicht zu verantworten, wenn hoch belastetes Altholz künftig nach Rheinberg umgeleitet werde, um dort vielleicht unter schlechteren Bedingungen als in der von Steuergeldern finanzierten Anlage Asdonkshof verbrannt zu werden.
Die Grünen hoffen, dass das Solvay-Projekt nur mit hohen Auflagen genehmigt wird. Neben modernsten Filteranlagen sei auch der freiwillige oder gesetzlich vorgeschriebene Verzicht auf besonders belastetes Altholz der Kategorie IV denkbar. Auch den Verbrennungsprozess würden die Grünen gern beeinflussen: „Solvay will das Altholz zwei Sekunden lang bei einer Kesseltemperatur von 850 Grad Celsius verbrennen“, zitiert Petra Schmidt-Niersmann aus dem Genehmigungsantrag. „Allerdings gewährleisten nur drei Sekunden bei 1100 Grad Celsius, dass keine Dioxine und Furane in die Umgebung entweichen.“
Die Grünen warten nun auf die Stellungnahme der Stadt Rheinberg. In der Ausschusssitzung für Stadtentwicklung und Umwelt am Mittwoch, 27. März, will Solvay ab 17 Uhr im Stadthaus die Pläne für die Altholzverbrennungsanlage vorstellen, ohne die das bereits beantragte Kraftwerk nicht betrieben werden könnte.
Solvay will in das Projekt einen hohen zweistelligen Millionenbetrag investieren und damit den Standort Rheinberg sichern. Das Werk produziert Soda, unter anderem für die Glasindustrie und die Herstellung von Waschmitteln. Das derzeit bestehende Kraftwerk verbrennt pro Jahr 200.000 Tonnen Kohle, die durch das von der Regierung beschlossene „Kohle-Aus“ in naher Zukunft nicht mehr zur Verfügung stehen werden.

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