NIEDERRHEIN. Im Jahr 2015 war die Alleinerziehende Daniela Binder auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle. Schnell musste sie feststellen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf enorm schwierig ist und viele Arbeitgeber auch schlicht kein Interesse haben, jemanden einzustellen, der alleinerziehend mit einem kleinen Kind ist. Bei ihrer Suche bekam sie von einem Mitarbeiter des Arbeitscenters dann einen neuen Lösungsansatz: eine Teilzeitausbildung.

Seit genau zehn Jahren setzt sich die Initiative für Teilzeitberufsausbildung in den Kreisen Wesel und Kleve für diese Möglichkeit einer Ausbildung ein. Aus diesem Grund hatten die Agentur für Arbeit Wesel, die Jobcenter der Kreise Wesel und Kleve und die Regionalagentur NiederRhein zu einer Jubiläumsveranstaltung eingeladen. Dr. Ansgar Müller, Landrat des Kreises Wesel, drückt seine Bewunderung für die Zusammenarbeit der verschiedenen Kooperationspartner aus und bestärkt diese darin, weiterzuarbeiten: „Das Thema Teilzeitausbildung hat nicht an Bedeutung verloren, im Gegenteil, in Zeiten des Fachkräftemangels ist es aktuelle denn je und es sollten keine Potenziale brach liegen”, so Müller. Dem kann Wolfgang Spreen, Landrat des Kreises Kleve, nur zustimmen: „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist wichtig, damit Menschen eine Chance gegeben wird. Gerade Alleinerziehende bekommen so auch die Chance, eine Ausbildung zu absolvieren.”

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Teilzeitausbildung bekannter machen

Dass es gerade die Alleinerziehenden am stärksten betrifft, kann auch Karin Linde von der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung, mit Zahlen unterlegen: „66 Prozent der Alleinerziehenden beziehen Leistungen nach SGB II. Das ist ein großes Potenzial, das genutzt werden kann”, so Linde. In der Realität werde das Angebot der Teilzeitausbildung hingegen noch viel zu wenig genutzt: „Im Jahr 2009 wurde die Teilzeitausbildung im Land NRW von 0,07 Prozent Auszubildenden in Anspruch genommen, was 87 Teilzeitausbildungen entspricht. Auch heute wird das Angebot nur von 0,4 Prozent in Anspruch genommen”, so Linde, die das Problem vor allem in der geringen Bekanntheit der Teilzeitausbildung sieht: „Wir müssen die Ausbildung in Teilzeit bekannter machen – sowohl bei Ausbildern als auch bei Auszubildenden.”

Eine, die das Angebot wahrgenommen hat, ist Daniela Binder. Sie war 2015 auf Ausbildungssuche: „Eine Vollzeitausbildung war aufgrund meines Sohnes aber nicht möglich”, so Binder. Bei den Bewerbungen musste sie zudem feststellen, dass Arbeitnehmer mit kleinen Kindern, die zudem alleinerziehend sind, oft nicht gewollt sind: „Von vielen habe ich noch nicht mal eine Absage bekommen, das war schon sehr demotivierend.” Als sie mit ihrem Berater vom Arbeitscenter darüber spricht, stellt er ihr eine andere Form der Ausbildung vor: die Teilzeitausbildung: „Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nie davon gehört, war aber gleich angetan.”

Mit Carsten Teichert von Rewe Hamminkeln-Dingden konnte zudem ein Arbeitgeber gewonnen werden, der eine Auszubildende in Teilzeit annimmt. Auch Teichert hatte im Vorfeld noch nichts von diesem Konzept gehört, war aber sofort begeistert: „Ich habe selbst zwei Kinder und kenne die Schwierigkeiten der Vereinbarkeit”, so Teichert. Nachdem Binder ein halbes Jahr in Teilzeit Probe gearbeitet hat, wurde der Ausbildungsvertrag unterschrieben.

25 Stunden pro Woche absolviert Binder

In der Praxis hieß das für die Alleinerziehende, dass sie an zwei Tagen in der Woche in die Berufsschule musste und zudem einige Stunden im Betrieb absolvierte: „Insgesamt umfasste meine Ausbildung wöchentlich 25 Stunden”, so Binder. Für die Schule gelernt wurde abends oder am Wochenende: „Bei Fußballturnieren meines Sohnes saß ich dann halt manchmal mit Büchern auf der Tribüne”, berichtet Binder. Für die Teilzeitausbildung werde vor allem eins benötigt: viel Disziplin: „Dafür konnte ich meinem Sohn dann auch andere Sachen bieten, die vorher finanziell nicht möglich waren.”

Wichtig sei zudem, dass das gesamte Team hinter der Entscheidung stehe, erklärt Teichert: „Ich habe meinen anderen Angestellten erklärt, warum Daniela Binder nur zu bestimmten Zeiten arbeiten kann und dann war das auch in Ordnung.” Nach ihrer Ausbildung ist Binder weiter bei Teichert angestellt geblieben und arbeitet heute 30 Stunden die Woche bei ihm im Rewe Markt.

Weitere Informationen über das Angebot der Teilzeitausbildung gibt es auf der Internetseite unter www.teilzeitausbildung.info.

 

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