Gutes Leben, auch auf dem Lande

Präsidiumssitzung des Deutschen Landkreistages mit Hoffnung auf „gleichwertige Lebensverhältnisse“

XANTEN. Das Hotel van Bebber in Xanten war in dieser Woche der Tagungsort für das Präsidium des Deutschen Landkreistages. Wichtige Tagungsordnungspunkte der zweitägigen Sitzung waren die Reform der Grundsteuer, der Mobilfunkausbau und die Weiterentwicklung der ländlichen Räume zur Schaffung „gleichwertiger Lebensverhältnisse“ in der Bundesrepublik.

Dr. Ansgar Müller, Vizepräsident (l.) und Reinhard Sager, Präsident (r.) erläutern die Ergebnisse der Präsidiumssitzung des Deutschen Landkreistages in Xanten
NN-Foto: Lorelies Christian

25 Mitglieder, Landräte aus der gesamten Bundesrepublik, gehören zu diesem Gremium,dazu gehören der Präsident Landrat Reinhard Sager aus Ostholstein und Landrat Dr. Ansgar Müller aus Wesel als einer der Vizepräsidenten. Das Präsidium sieht sich als Sprachrohr von 56 Millionen Bundesbürgern aus 294 deutschen Landkreisen, die immerhin 96 Prozent der Gesamtfläche der BRD bevölkern. Sager und Müller mahnen angesichts politischer Strömungen, dass sich die Menschen im ländlichen Raum vertreten fühlen müssen und die alleinige Fokussierung auf Großstädte fatale Folgen haben könne. Die Bundesregierung hat eine Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ eingesetzt, die ihre Ergebnisse bis Ende Mai liefern muss. Präsident Sager betont: „Die Erwartungshaltung der Landkreise ist groß, dass die Kommission echte Mehrwerte für die ländlichen Räume schafft. Insofern muss wirklich ‚etwas rumkommen‘.“ In letzter Zeit sei mit der Revitalisierung des sozialen Wohnungsbaus, der Bezahlbarkeit des Wohnens, der Baukostensenkung oder der Mietpreisbremse sehr viel getan worden, das in erster Linie städtischen Ballungszentren zugute komme. „Jetzt ist es wichtig, die Zeit intensiv zu nutzen, um für die ländlichen Räume wirksame Entwicklungsimpulse zu setzen.“
Außerdem strebe der Deutsche Landkreistag etwa Regionalbudgets an, um eine freiere, kommunal verantwortete Förderpolitik zu ermöglichen, indem kommunale Entscheidungsprozesse nicht inhaltlich vorgeformt werden. „Die ländlichen Räume brauchen verbesserte Förderinstrumente, um fortan Impulse auch außerhalb der Landwirtschaft breiter und wirksamer unterstützen zu können. Dem dient eine ange­passte Gemeinschaftsaufgabe ‚Agrarstruktur und Küstenschutz‘. Darüber muss bereits Ende des Monats Januar im Vermittlungsausschuss entschieden werden, die Länder haben im Sommer im Bundesrat mit 16:0 Stimmen einen entsprechenden Beschluss gefasst“, so Sager.

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„Jetzt ist es wichtig, die Zeit intensiv zu nutzen, um für die ländlichen Räume wirksame Entwicklungsimpulse zu setzen“

                                                                                            Reinhard Sager, Präsident Deutscher Landkreistag

Dr. Müller ergänzt: „Es geht nicht nur um finanzielle Mittel. Das förderalistische System in Deutschland hat sich bewährt. Wir brauchen Gestaltungsspielräume und nicht nur Zuwendungen, über die die Kommunalpolitiker abstimmen können, sie einzusetzen oder abzulehnen, wobei die Verwendungszwecke bis ins Detail vorgegeben sind und die Antragstellung außerordentlich kompliziert und aufwändig ist.“
Sager geht noch weiter: „Wir fordern einen größeren kommunalen Anteil an der Umsatzsteuer, auch für die Landkreise: „Heute tragen die Kommunen knapp ein Viertel der gesamtstaatlichen Ausgaben. Ihr Anteil an den originären Steuereinnahmen beträgt aber nur gut 13 Prozent.“
Zum attraktiven Wohnen – auch auf dem Land – gehören auch verlässliche Gesundheitsversorgung, Breitbandvesorgung und Sicherstellung der Mobilität. „Hierbei kommt der Digitalisierung von Angeboten, zunächst aber dem Glasfaserausbau und der 5G-Versorgung eine zentrale Bedeutung zu.“ ist sich die Kommission einig. Präsident Landrat Reinhard Sager sagte: „Lassen sich mit den bislang diskutierten Maßnahmen in absehbarer Zeit die bestehenden Lücken nicht schließen, müssen Bund und Länder die Förderung auch des Mobilfunkausbaus angehen oder auf andere Weise eine flächendeckende Versorgung sicherstellen, um eine weitere und andauernde digitale Spaltung des Landes zu verhindern.“ Für die bevorstehende Frequenzauktion der Bundesnetzagentur erneuerte das Präsidium seine Forderung, entsprechende Versorgungsauflagen für unrentable Gebiete im Wege einer Negativauktion zu veräußern. „Damit würde der Bund seiner Verantwortung gerecht. Das wäre eine kraftvolle Maßnahme.“
Landrat Dr. Müller vergleicht die Notwendigkeit des Glasfaserausbaus für den Mobilfunkausbau mit 5 G mit dem Aufbau des Stromnetzes vor mehr als 100 Jahren. „Wir müssen Mindestversorgungsstandards sicherstellen und dürfen keine Rosinenpickerei aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten zulassen. Die Versorgungsansprüche müssen quasi bis zu jeder Milchkanne sichergestellt werden. Außerdem sollte es verpflichtendes Roaming geben, um Funklöcher zu vermeiden. Das sollte die Bundesnetz­agentur in ihren Ausschreibungsbedingungen festlegen.“
Dritter Diskussionspunkt war das Anstreben einer gerechteren Grundsteuer. Präsident Landrat Reinhard Sager fasst zusammen: „Es geht uns bei der Grundsteuer darum, die bestehenden Realitäten abzubilden. Wir treten daher für eine werteabhängige Reform ein, die die Situation auf den Wohnungsmärkten unverzerrt widerspiegelt. Das bedeutet auch, dass in herausgehobenen Wohnlagen mehr Grundsteuer anfällt als in strukturschwachen Gebieten. Diese Immobilien sind schlicht mehr wert.“
Landrat Müller erinnert: „Bis Ende des Jahres muss die Grundsteuer neu geregelt werden, so will es das Bundesverfassungsgericht. Bisher gilt der Einheitswert von 1964, es muss ein neues Modell her mit einer individuellen Wertfestsetzung.“
Auch wenn die Landkreise sehr unterschiedlich aufgestellt sind, sind sie sich doch sehr einig hinsichtlich ihrer Vertretung gegenüber der Bundesregierung, wo sie ebenso wie die Gemeinden und Städte gehört werden. Das Gremium tagt vierteiljährlich und die Mitglieder sind froh, stets auf dem laufenden gehalten zu werden und sich austauschen zu können, um möglichst gute Mitwirkungsmöglichkeiten bei Reformen und Gesetzgebungen zu haben. Doch Präsident Sager ist realistisch: „Wir leben in einer Demokratie und sind eine Interessenvertretung kein Entscheidungsorgan. Wir wissen, dass nicht alle unsere Wünsche und Anregungen 1:1 umgesetzt werden.“

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