Schwarzgefahren? Nein! Zahlen sollte er trotzdem

Mehrmals im Monat fährt Karl-Heinz Schulz mit Bahn von Emmerich nach Düsseldorf. Ärger hatte er dabei nie – bis man ihm kürzlich Schwarzfahren vorwarf. NN-Foto: Rüdiger Dehnen

EMMERICH. Seit einigen Jahren fährt Karl-Heinz Schulz mehrmals im Monat mit dem Zug von Emmerich nach Düsseldorf. Dort stehen für den 92-jährigen Emmericher Arztbesuche an, ab und an auch ein mehrtägiger Klinikaufenthalt. Bislang verliefen die Fahrten mit dem RE 19 für Schulz ziemlich ereignislos. Bis ihm eines Tages ein Zugbegleiter vorwarf, er sei schwarzgefahren.

In der Vergangenheit, so betont Schulz, seien die Zugbegleiter immer freundlich gewesen und auch sehr hilfsbereit. Denn Schulz ist erblindet, besitzt einen Behindertenausweis und erhält jedes Jahr eine entsprechende Wertmarke, mit der er die Bahn ohne weitere Fahrkarte nutzen kann. „Einige Zugbegleiter kennen mich schon, sie sagen mir beispielsweise, wenn meine Haltestelle kam oder helfen mir beim Aus- und Einsteigen mit dem Gepäck“, erzählt Schulz.

-Anzeige-

Als er nun aber kurz vor Emmerich sich zum Aussteigen in Richtung Zugtüren begeben wollte, sei er von einem Zugbegleiter von Abellio aufgehalten worden, der seinen Fahrschein kontrollieren wollte. Als Schulz seine Wertmarke vorzeigte, habe sich herausgestellt, dass diese seit Kurzem abgelaufen war. „Es war genau in den zwei Wochen passiert, als ich in Düsseldorf in der Klinik war“, erläutert Schulz. Tatsächlich lag die neue Wertmarke zu diesem Zeitpunkt bereits in Emmerich bei Schulz im Briefkasten, war während seiner Abwesenheit eingetroffen, und die alte hatte gerade ihre Gültigkeit verloren. „Letzteres habe ich aber ja nicht sehen können“, sagt Schulz.

Als er versuchte, das Ganze dem Zugbegleiter zu erläutern, „hat den das überhaupt nicht interessiert. Er hat mich festgehalten, meinen Ausweis fotografiert und nur gesagt: Sie fahren schwarz!“, berichtet Schulz. Auch zwei weitere Zugbegleiter, die Schulz kannten, hätten den Kollegen nicht überzeugen könnten. „Sie haben zu ihm gesagt: Hör‘ doch auf, wir kennen den Herrn, der fährt nicht schwarz“, schildert der ehemalige Autohändler die Situation im RE 19. Ohne Erfolg: Schulz bekam eine Geldstrafe. „Eine Unverschämtheit“, findet der 92-Jährige.

Zurück in Emmerich, rief ein hilfsbereiter Nachbar – dieser hatte zuvor die neue Wertmarke aus dem Briefkasten geholt – beim Kundendienst von Abellio an und erläuterte Schulz‘ Fall. Das Ergebnis: „Die Strafe muss ich nicht zahlen – ich bin ja nicht schwarzgefahren –, wohl aber eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 45 Euro.“
Das Geld hat Schulz längst überwiesen, der Ärger und das Unverständnis über das Verhalten des Zugbegleiters, aber auch über die von Abellio geforderte „Bearbeitungsgebühr“ ist jedoch geblieben.

Grundsätzlich habe der Zugbegleiter richtig gehandelt, sagt eine Sprecherin von Abellio. Die Kollegen seien angehalten, auf Vergehen zu achten, „da können wir auch keine Ausnahmen, etwa aus Altersgründen, machen“, so die Sprecherin. Daher sei es grundsätzlich korrekt gewesen, ein „erhöhte Beförderungsentgelt“ (EBE) zu erheben, „denn der Herr hatte nun mal keinen gültigen Fahrausweis“. Nach Eingang des Bescheids hätte Schulz dann 14 Tage Zeit gehabt, Widerspruch gegen das EBE einzulegen, zum Beispiel per E-Mail, „und die Wertmarke in einem Kundencenter vorzuzeigen“, erläutert die Abellio-Sprecherin. Das von Emmerich aus nächstgelegene Kundencenter befinde sich in Duisburg.

Die gute Nachricht für Schulz: „Wir verstehen den Sachverhalt“, betont die Sprecherin, „und werden die 45 Euro zurückerstatten.“ Dies geschehe aus Kulanz und sei ein einmaliger Vorgang.

Vorheriger ArtikelNiers bringt den Nikolaus nach Goch
Nächster ArtikelLabbecker leiden unter Verkehrslärm und protestieren