Ausflüge an den Kraterrand

BEDBURG-HAU. Für ein Kind, das in den Brunnen gefallen ist, gibt es in der Regel keine Rettung. Aber was ist, wenn ein Hund in einem Brunnen festsitzt?

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Hund im Brunnen

„Die Taschen voll Brot“ heißt das neue Stück bei mini-art und es kreist um einen Hund im Brunnen. Es kreist auch um die Ohnmacht des Denkenmüssens, die Bedenken erzeugt, weil das Begreifen unmöglich ist. Die deutsche Sprache stellt allerlei entlarvende Vokabeln zur Verfügung. Verstehen hat etwas mit Begreifen zu tun. Wer denkt, erzeugt Bedenken. Wer nicht ins Raster passt, ist ver-rückt … „Die Taschen voll Brot“ ist eine geführte Tour entlang dieser Krater aus Denken und Unmöglichkeiten: Alles ist absurd – alles wird zur Parabel. Alles ist wörtlich zu nehmen und kann übertragen werden. Der Hund im Brunnen entlarvt einen anderen Hund – gemeinhin wird er der innere Schweinehund genannt.

Für und Wider

„Die Taschen voll Brot“ ist eines der Stücke, bei denen einem der Kamm anschwillt – bei dem aus innerer Unruhe innerer Lärm wird. Zwei Menschen stehen an einem Brunnen. Tief unten: ein Hund. Die beiden wollen etwas tun … und tun etwas: Sie beginnen zu denken. Sie verirren sich im Für und Wider im „wenn, dann“ – in all den Unwägbarkeiten, die sich auftun, wenn man das Licht der Gedanken einschaltet und in die Verlogenheit des Vorbehalts eindringt.
Sie denken über die unmöglichsten Dinge nach. [„Vielleicht ist der Hund ja da unten geboren. Vielleicht gehört er dort hin. Vielleicht ist er dort glücklich.“] Natürlich ist „Die Taschen voll Brot“ absurdes Theater, aber es ist das absurde Theater des Alltags – es ist eine Nabelschau für Bedenkenträger, Besserwisser, Nichtstuer, Nach- und Vordenker … eben für jeden. Jeder kann sich wiederfinden in den Argumenten, die dort ausgetauscht werden. Es gibt kein Entkommen aus der Theaterfalle. Nicht für den Hund, nicht für die Protagonisten, nicht für den Zuschauer. Man sitzt nicht schuldfrei und ist nur Hinseher. Man sitzt und hat dafür bezahlt, Kontakt zum eigenen Kopf zu bekommen. „Theater ist keine Amusierbude“, hat Theatermacher Claus Peymann einst gesagt und damit – um im Bild zu bleiben – des Pudels Kern freigedacht, freigelegt, freigesetzt.
Was Crischa Ohler und Sjef van der Linden unter der Regie von Rinus Knobel auf die Bühne bringen, ist sozusagen großes Theater im kleinen Haus.

Das Lachen im Hals

„Die Taschen voll Brot“ beschreibt das Kleine im Großen – es zeigt die Mechanismen, die im eigenen Kopf beginnen und draußen in der Welt enden. Es zeigt nicht, wie aus Denken Handeln wird – zu sehen ist, wie das Denken sich im Denken festfrisst und die Realität zur Nebendarstellerin degradiert wird.
„Die Taschen voll Brot“ ist an manchen Stellen in aller Absurdität irgendwie auch komisch, aber die Komik erzeugt eher jene Art des Lachens, dass im Hals stecken bleibt. Man sitzt und beobachtet und erreicht den Punkt, an dem man aufspringen und Handlungsanweisungen geben möchte; man erreicht den Punkt, an dem man hineinbrüllen möchte in das Theater der Unmöglichkeiten … und dann lehnt man sich zurück und lässt die Wirklichkeit im Stellvertretertheater verschwinden, lässt Crischa Ohler und Sjef van der Linden die Drecksarbeit verrichten und denkt zwischendurch für einen winzigen Moment daran, dass einer der beiden vielleicht höchstselbst den Hund in den Brunnen geworfen haben könnte. HFrost

Aufführungen

„Die Taschen voll Brot“ ist am Samstag, 10. November (Premiere) um 18 Uhr und am Sonntag, 11. November (Premiere II) um 16 Uhr zu sehen. Weitere Vorstellungen: Montag, 12. November, 10 Uhr, Dienstag, 13. November, 10 Uhr, Freitag 23. November, 10 Uhr (Schulvorstellungen), sowie am Samstag, 24. November, 19 Uhr zu sehen. Kartenvorbestellungen sind unter 02821/811570 oder info@moni-art.de möglich. Kinder und Jugendliche zahlen 6 Euro, Erwachsene 9 Euro.

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