Protestler formulieren eindeutig: „Kiesabbau braucht keine Sau!“

Mit Transparenten zur Infoveranstaltung über die geplante Trockenabgrabung in Bönninghardt

BÖNNINGHARDT. „Landschaft erhalten – nicht zerstören!“ oder „Kiesabbau braucht keine Sau“ stand auf einem der vielen Transparente im Saal Thiesen/Eickschen und machte die Stoßrichtung der auffallend gut besuchten Bürgerversammlung deutlich: Die Bönninghardter Kiesgegner dulden keine Trockenabgrabung, wie sie der Regionalverband Ruhr (RVR) im Landesentwicklungsplan vorsieht.

Martin Tönnes (rechts), Bereichsleiter Planung im RVR, berichtete im vollbesetzten Saal Thiesen über den Planungsstand für eine Trockenauskiesung auf der Bönninghardt. Dagegen protestierten die „Heier Kiesgegner“ mit vielen großen Transparenten.
NN-Foto: Scholten

„Wir werden alles tun, was dazu geeignet ist, den Kiesabbau zu verhindern“, betonte Alpens Bürgermeister Thomas Ahls und sagte den 1.700 Einwohnern von Bönninghardt die uneingeschränkte Unterstützung der Verwaltung zu. Bönninghardts Ortsvorsteher Herbert Oymann und die mehr als 250 Zuhörer im Saal hörten das gern und spendeten Applaus.
Zum Hintergrund: Auf der landesweiten Suche nach möglichen Auskiesungsflächen hat der Regionalverband Ruhr auch eine circa 18,5 Hektar große Fläche an der Bönninghardter Straße ins Auge gefasst. Dort könnte eine sogenannte Trockenabgrabung erfolgen, die eine 40 Meter tiefe Grube in der Landschaft hinterlässt. Die Bürger befürchten, dass Schaufelbagger und Transportbänder das Bild der Ortschaft dominieren werden und dass die Kieslaster das Verkehrsvorkommen sowie die Unfallgefahr erhöhen.
Im Juli unterschrieben 800 Menschen aus den Alpener Ortsteilen einen Protestbrief gegen den Landesentwicklungsplan und schickten ihn an die Landesregierung. Außerdem bildete sich der Steuerkreis „Heier Kiesgegner“, der die Protestaktionen gegen den Abbau koordiniert. Nurnoch bis zum 27. Februar 2019 können Bürger ihre Einwände gegen den Landesentwicklungsplan geltend machen.
Nun hatte der Steuerkreis zu einer Bürgerversammlung mit vier Referenten eingeladen, um über den aktuellen Stand der Planungen und der Proteste zu informieren. Martin Tönnes, Bereichsleiter Planung im RVR, verwies auf seine gesetzliche Pflicht, Auskiesungsflächen in Nordrhein-Westfalen für die kommenden 25 Jahre vorzuschlagen. „Nicht nur Bönninghardt ist davon betroffen“, sagte Tönnes. Laut Gutachten des Geologischen Landesamtes für NRW beschränken sich die Kiesvorkommen auf die Rhein­ebene und dort besonders auf den Kreis Wesel. Die Kiesabbauverbände hätten einen jährlichen Bedarf von 8,4 Millionen Kubikmeter Kies angemeldet, wofür jedes Jahr eine Fläche von 54 Hektar nötig sei

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Potentialfläche Bönninghardt

Nach Abzug aller Siedlungs- und Naturschutzgebiete und weiterer „Tabuflächen“ blieben „Potentialflächen“ übrig, zu denen auch Bönninghardt zähle, zumal dort bereits Abgrabungen stattfinden. Erweiterungsflächen würden Neuerschließungen stets vorgezogen, obgleich in Wesel-Obrighoven ein sogenannter „Neuansatz“ vorgesehen sei. Alle Pläne seien öffentlich unter regionalplanung.rvr.ruhr einsehbar.
Die Frage aus dem Publikum, warum Kiesexporte von „50 bis 60 Prozent in die Niederlande und in den Rest der Welt“ nicht untersagt werden, beantworte Martin Tönnes mit einem Verweis auf die freie Marktwirtschaft: „Der RVR differenziert bei seinen Planungen nicht, wohin die entsprechenden Firmen liefern.“ Nur die Landesregierung könne die Gesetze zum Export ändern, die Proteste müssten die Bürger also in Düsseldorf vortragen.
„Nach unseren Zahlen wird der Kies aus Deutschland zu einem Drittel in die Niederlande exportiert“, relativierte Christian Chwallek vom Naturschutzbund NRW die zuvor genannte Menge. Es sei kein Geheimnis, dass die Kiesgewinnung im Nachbarland aufgrund strengerer Gesetze zur Renaturierung teurer sei als der Einkauf in Deutschland. Anhand eines Satellitenbildes der Nieder­rheinebene zeigte Chwallek, dass „das Blau des Rheins auf deutscher Seite mittlerweile deutlich übertroffen wird durch das Blau der Baggerseen“.
Entlang des Rheins seien viele Natur- und Vogelschutzgebiete geschaffen worden, für deren Fortbestand der NABU kämpfen werde. Da das Kiesvorkommen von Bönninghardt aus einer Endmoräne stamme, würden dort andere Voraussetzungen gelten. „Sie müssen Ihre Argumentation auf die Agrarflächen und die kulturhistorische Bedeutung der Landschaft stützen“, riet Chwallek den Zuhörern. Das brachte im Publikum die Frage auf, warum Bedarfsflächen nur für Rohstoffe, aber nicht für die Landwirtschaft angemeldet werden können, um die benötigten Flächen auch für künftige Generationen bewahren zu können. „In der Tat planen wir gerade ein entsprechendes Monitoring in Kooperation mit der Landwirtschaftskammer“, sagte Martin Tönnes vom RVR.
Udo Bovenkerk Mitglied im RVR und im Kreistag, trug den Wunsch des Kreises Wesel vor, durch eine „Stichtagsregelung“ den Kiesabbau in der Region jährlich um drei Prozent zurückzufahren, bis er nach circa 30 Jahren komplett eingestellt wird, ähnlich wie bei der Steinkohle und Braunkohle im Ruhrgebiet. So machten es die Niederländer gerade auch bei ihrer Gasförderung. „Warum geht das nicht mit unserem Kies?“, fragte Bovenkerk und gab auch gleich die Antwort: „In Deutschland verbraucht die öffentliche Hand die größten Mengen an Kies, für Straßenbau und Immobilien. Wenn der Kies teurer wird, müssen mehr Steuergelder für dessen Einkauf aufgebracht werden.“
Udo Bovenkerk riet den Bönninghardtern, statt auf eine Unterschriftenliste lieber auf viele individuelle Briefe zu setzen. Ortsvorsteher Herbert Oymann und der Steuerkreis „Heier Kiesgegner“ kündigten dabei Hilfe an: Jeder Haushalt wird ein Flugblatt mit Textbausteinen für ein individuelles Schreiben erhalten. „Nutzen Sie Ihre Beteiligungsmöglichkeiten“, riet auch Martin Tönnes. Er stehe zwar unter dem gesetzlichen Zwang, Kiesflächen für die nächsten 25 Jahre zu finden, allerdings gehe „eine beeindruckende Veranstaltung“ wie die gut besuchte Bürgerversammlung „nicht spurlos“ an ihm vorbei.

„Ich nehme Ihren Protest mit nach Essen!“

Bürgermeister Thomas Ahlas gab sich am Ende des Abends kämpferisch

 

Die Gemeinde Alpen werde jede rechtliche Möglichkeit ausschöpfen, darunter auch die Einhaltung des Mindestabstandes von 300 Metern zu Häusern und Straßen. „Wir werden nicht eine einzige Straße zugunsten des Trockenabbaus abgeben“, kündigte Ahls an, womit sich die mögliche Auskiesungsfläche von 18,5 Hektar noch weiter verringern könnte. „Dann gibt es nicht mehr viele Unternehmer, die dort noch abgraben wollen“, lautete die Prognose des Bürgermeisters. Martin Tönnes gab dem Bürgermeister sogar noch den „Tipp“ mit auf den Weg, auf der genannten Fläche ein „Neubaugebiet“ zu planen, damit es aus der Liste möglicher Abgrabungsflächen falle. Diese Idee griff auch Ortsvorsteher Herbert Oymann gern auf: „Wir wollen, dass Bönninghart größer wird – und nicht kleiner durch den Trockenabbau.”

 

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