Haldern Pop schulbuchreif

Das Festival hat es in ein Musikbuch geschafft – es geht um Gründe für Erfolg

„Auf dem Festival – Musikgenuss unter freiem Himmel“, so ist das Kapitel über das Haldern Pop überschrieben. Foto: privat

HALDERN. Wer schreibt, der bleibt. Okay: Fünf Euro ins Phrasenschwein. Aber wie wär‘s mit: Wer denkt, der lenkt? Schule hat viel mit Denken zu tun und somit sind Schulbücher Denkbaukästen: Manchmal tragen sie Fakten vor – manchmal stellen sie Fragen, die zu Denkanstößen werden. Wie wär‘s mit dieser: „Tragen Sie Gründe für die Popularität des Haldern Pop in einer Mindmap zusammen. Erläutern Sie in diesem Zusammenhang das Festival-Motto: Be true – not better.“

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Zu finden sind diese Fragen ohne Fragezeichen in einem neuen Schulbuch: „Musikbuch – Vom Kunstwerk zum Klangkonzept“ heißt es und ist bei Cornelsen erschienen. Das Haldern-Pop in einem Schulbuch für Musik? Klar – genau da gehört es doch auch hin, denn natürlich hat sich herumgesprochen, dass Klänge nicht mit Mahler endeten oder Schönberg.

Interessant sind zwei Dinge: Natürlich dürfen die Macher des Haldern Pop zufrieden damit sein, nun als Denkanstoß zu fingieren. Interessant ist aber auch, dass da jemand begriffen zu haben scheint, dass die Qualität eines Festivals nicht nur aus dem musikalischen Angebot besteht. Man darf auch nach 35 Jahren die Popularität des Haldern Pop nicht als etwas Unerklärliches betrachten, als eine art ungeplanten Glücksfall. Natürlich müssen immer im richtigen Augenblick bestimmte Dinge zusammenkommen, aber Haldern ist Qualität mit System. „Tragen sie Gründe für die Popularität des Haldern Pop zusammen.“

Okay… ein Versuch. Das Festival ist geerdet. Gut – das sagt sich schnell dahin, weil es so griffig ist. Aber wer je in Haldern war… man kann dieses Festival nicht am Schreibtisch analysieren. Schnell ist man bei einer Szene aus „Good Will Hunting“. Ein Psychologe und sein Patient (ein hyperintelligenter junger Mann) sitzen an einem See. Es geht um Wissen. Um Fakten. Um Kunst. Das Wunderbare. Es ist einer von Robin Williams ergreifendsten Augenblicken: „Du bist ein Junge. Du hast nicht die geringste Ahnung, wovon du sprichst. Du bist nie aus Boston herausgekommen. Wenn ich dich nach Kunst fragen würde, könntest du mir wahrscheinlich über jedes Kunstbuch berichten, das je geschrieben wurde. Michalangelo: Leben, Werk, Inspiration, Interpretation, Vorlieben … alles eben. Richtig? Aber ich wette, dass du mir nicht sagen kannst, wie es in der Sixtinischen Kapelle riecht. Du hast nie dort gestanden und zu dieser wundervollen Decke emporgesehen.“ Haldern Pop ist nicht die Sixtinische Kapelle, aber es ist besser, mal dabei gewesen zu sein.

Ein Festival ist mehr als die Töne, die es bietet. Haldern macht da keine Ausnahme. Haldern ist nicht denkbar ohne Geist und Haltung. „Haldern“, sagt Stefan Reichmann, „ist unser Bekenntnis zu einem Standort.“ Haldern ist also Teil einer Landkarte, die auf keinem Satellitenbild zu finden ist. Es ist die Landkarte der inneren Wichtigkeiten. Haldern ist ein Stück Niederrhein – ganz abseits der Fakten. Und dann auch wieder nicht.

„Wir sind nicht die Besten, aber wir sind eine Alternative“, sagt Stefan Reichmann und meint damit nicht das Festival – er meint die Region. Eine Region, deren Zukunft sich über Dinge definieren muss, die außerhalb der Faktenlage zu lokalisieren sind.

Womit wir beim Thema wären: Be true – not better. Sei wahrhaftig – nicht besser. „Wenn ihr zu uns kommt, hört nicht nur die Musik – schaut euch auch den Rest an“, sagt Reichmann. „Wenn man genauer hinhört, erfährt man auch von hiesigen Unternehmen, dass gute Fachkräfte nicht auf Kopfweiden wachsen. Man muss in lebendige Angebote schaffen.“

Das Haldern Pop ist eine der möglichen Visitenkarten einer Region – eine, die man weit über die Kreis-, Landes- und Republikgrenzen hinaus kennt. „Eines der fünf innovativsten Festivals Europas“, schreibt der „Guardian“. Haldern ist – wie soll man sagen – ein Festival mit Familienanbindung. Wer es möchte, kann schnell Teil des Dorfes werden. Kein Wunder, dass sich Förderer und Partner finden, die sich mit der Idee des Haldern-Pop identifizieren. Haldern-Pop ist, so gesehen, auch ein politisches Festival. Es geht um Denken und somit (siehe oben) auch um Leben.

„Das Festival schwemmt viele Fähigkeiten und Interessen in unseren Ort und unseren Landstrich, eine bemerkenswerte Schnittstelle für Künstler, Besucher und unsere niederrheinischen Unternehmungen und Institutionen. Nutzen wir die Chance und geben Einblick, erzählen wir bunt von der Attraktivität des Niederrheins, seiner weltweit relevanten Unternehmen, der kulturellen Geschichte und den vielen Perspektiven als bezaubernder Lebensraum. Werben wir um Fachkräfte, junge Familien und nutzen die Chance, aus dem Schatten des Allgemeinen hervor zu treten. Skizzieren wir ein selbstbewusstes und vielfältiges Bild seiner Menschen und Lebensentwürfe. Nutzen wir den einmaligen Moment der Atmosphäre im Zusammenspiel mit der Landschaft, den Menschen und ihrer Gastfreundschaft. Begeistern wir gemeinsam für den Niederrhein“, heißt es in einem Flyer. Na denn.

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