DAS ANDERE HOLLAND. Hollandfahrten werden per se meist mit Fahrten ans Meer verbunden. Dass Holland aber wesentlich mehr zu bieten hat, wurde bei einem Glamping-Wochenende im „anderen Holland” mehr als deutlich. Das andere Holland ist das Holland abseits des Meeres. Dazu gehört unter anderem die niederländische Grenzregion Twente. Dorthin ging es also für ein Glamping-Wochenende. Glamping ist die luxuriösere Variante von Camping und frönt sich immer größerer Beliebtheit. Und nicht nur das stieß bei den Teilnehmern des Wochenendes auf pure Begeisterung, sondern auch das gesamte Erlebnisprogramm abseits des Meeres.

Glamping anstatt Camping

Wer bei Glamping an etwas besser ausgestattete Zelte denkt, hat weit gefehlt. Vor uns stehen kleine Häuser, die zwar klein und kompakt sind, denen es aber an nichts fehlt. 100 von diesen Glamping-Unterkünften stehen im Campingdorf „de Zandstuve” in Rheeze. Dort verbringen wir auch die erste Nacht, bevor es am nächsten Tag in das zehn Kilometer entfernte Gramsbergen geht. Dort kommen Bierliebhaber voll auf ihre Kosten, denn Gert Kelder lädt in seine Bierbrauerei „de Mommeriete” ein. „Den Traum einer eigenen Brauerei hatten wir immer im Kopf”, erzählt Kelder. Dazwischen kamen dann aber ein Hausbau und die Kinder, bevor Gert und Carina Kelder sich 2004 ihren Traum verwirklichten. Seitdem brauen sie ihr eigenes Bier und sind seit 2008 an der Vechte, einem Fluss, in Gramsbergen zu finden.

-Anzeige-

Eine Fahrt mit dem Vechtezomp

Mit der Anbindung an die Vechte wurde vor zwei Jahren noch ein gänzlich anderes Angebot für Besucher der Region realisiert. Seit dem können Interessierte ab der Bierbrauerei mit einem so genannten „Vechtezomp”, einem historischen Boot den 167 Kilometer langen Fluss erkunden. Bereits 2013 wurde eine Stiftung gegründet, mit dem Ziel „solche alten Boote wieder auf das Wasser zu bekommen”, wie Piet Toering erklärt. Gemeinsam mit Henk Steenbergen ist er einer von 23 Skippern, die das „Flüsterboot”, das seinen Beinamen aufgrund seines leisen Elektromotors erhalten hat, fahren. Die Fahrten auf der Vechte werden durch verschiedene Gemeinden und Organisationen als grenzüberschreitendes Projekt realisiert. Auf der Fahrt über die Vechte offenbart sich die unglaubliche Weite des Landes rund um das Vechtetal. Beinahe geräuschlos gleitet das Boot durch das Wasser, nur unterbrochen von dem Plätschern des Wassers und dem Ruf einiger Vögel. Sogar ein Storch kommt angeflogen und lässt sich auf seinem Nest nieder. Idylle pur.

Mit dem Loopfiets durch Beuningen

Wieder an Land geht es, nach einer kleinen Stärkung, die es bei der Bierbrauerei und dem Schiffercafé „de Mommeriete” mit typisch niederländischen Sandwiches gibt, aktiver weiter. Bei „Actief Twente” warten so genannte „elektrische loopfiets” auf uns. Ausgestattet sind diese loopfiets mit einem Laufband, auf dem der Fahrer sich laufend vorwärts bewegen kann. Mit der Unterstützung eines Elektromotors können so Geschwindigkeiten bis zu 25 Stundenkilometer erlangt werden. Was sich im ersten Moment ziemlich lustig anhört, muss in der Realität erst mal ausprobiert werden. Etwas Übung braucht es schon, bis man die Handhabung des loopfiets verstanden hat. Dann geht es aber los und wir können die Umgebung rund um Beuningen binnen kürzester Zeit erkunden. Die Anfangsbedenken sind auch schnell wie weggeblasen und alle düsen mit strahlenden Gesichtern, gefolgt von staunenden Blicken der Fußgänger, durch die Gegend.

Freilichtmuseum Ootmarsum

Nach circa anderthalb Stunden ist die Tour vorbei und es geht weiter in Richtung des Künstlerstädtchens Ootmarsum. Hier wartet Rob Meijer auf uns, der durch das Freilichtmuseum und durch die Stadt führt. Im Freilichtmuseum erhalten die Besucher einen authentischen Eindruck, wie die Menschen früher gelebt haben. Inklusive Stallungen und Schlafnischen. Direkt an das Freilichtmuseum grenzt das kleine Örtchen mit 4.500 Einwohnern. Bekannt ist der Ort, der zur Gemeinde Dinkelland gehört, vor allem für seine zahlreichen Galerien, allen voran dem Kunstmuseum, das 2013 durch den niederländischen Maler Ton Schulten gegründet wurde. Nach diesem vielseitigen und erlebnisreichen Tag geht es zum zweiten Campingdorf, in dem wir ebenfalls Glamping-Unterkünfte beziehen. „De molenhof” liegt in Reutum und ist vor allem auch für das vielseitige Angebot für Kinder bekannt.

Das Unglück von Enschede

Vom familiengeführten Campingdorf geht es am nächsten Tag weiter nach Enschede, genauer gesagt in den Stadtteil Roombeek.Traurige Berühmtheit erhielt dieser Stadtteil am 13. Mai 2000. An diesem Tag explodierte in Roombeek eine Feuerwerksfabrik. Titia Boitelle führt seit 2007 durch das Viertel und berichtet von den Geschehnissen.: „Ich erinnere mich noch sehr gut an den Tag”, berichtet Boitelle, „es war sehr heiß und deswegen waren auch viele Menschen draußen auf den Straßen. Nach der riesigen Explosion war auf einmal alles dunkel auf den Straßen.” 650 Wohnungen wurden damals zerstört, 947 Menschen wurden verletzt und 23 Menschen verloren ihr Leben. Boitelle bezeichnet dieses Geschehnis als ein „Unglück, das niemals hätte passieren dürfen.” Trotzdem war nach dem Unglück klar, dass es weitergehen muss. Roombeek musste neu aufgebaut werden. „Es sollte wieder ein lebendiges Viertel werden”, erklärt Boitelle. Entstanden, unter großer Einbeziehung der Bevölkerung, ist ein modernes Stadtviertel, das durch seine Architektur besticht. 600 Millionen Euro kostete der Wiederaufbau – das Ergebnis ist beispielslos. „Jeder konnte hier seine eigenen Ideen verwirklichen und alles konnte umgesetzt werden”, erklärt Boitelle bei einer Führung durch das Viertel. In der Tat scheint es, als würde jedes Haus eine andere Sprache sprechen und einen anderen Blickwinkel auf das Viertel ermöglichen.

Mitten in diesem Viertel befindet sich das Rijksmuseum, das zurzeit eine Ausstellung zu Paula Modersohn-Becker beheimatet. Die junge Paula, die aus Deutschland stammte, ging als junges Mädchen nach Paris und entwickelte dort ihren eigenen Kunststil, der dem frühen Expressionismus zuzuordnen ist. Mit dem Besuch dieser Ausstellung endete das Glamping-Wochenende offiziell.

Ob das Meer denn nun gefehlt hat? Bei weitem nicht. Die eindrucksvolle Landschaft, die zahlreichen Unternehmungen und das reiche Kulturprogramm zeigen deutlich, wie viel mehr Holland kann als nur (das) Meer.

Weitere Informationen zum anderen Holland gibt es unter der Internetseite http://www.das-andere-holland.de.

 

Vorheriger ArtikelSchwerer Auffahrunfall auf der A40 – Lkw-Fahrer tödlich verletzt
Nächster ArtikelAlles handgemacht