Forensik: Gute Nachsorge
ist die beste Prävention

150 Fachleute diskutierten, ob die Nachsorgesysteme ihr Limit erreichen

BEDBURG-HAU. Die Zahl neuer Patienten in forensischen Kliniken ist im vergangenen Jahr stark anstiegen. Rund 1500 Patienten betreut der Landschaftsverband Rheinland (LVR) derzeit als bundesweit größter Träger des Maßregelvollzuges an sechs Standorten im Rheinland – einer davon befindet sich in Bedburg-Hau. Gestiegen ist aber nicht nur die Zahl neuer Patienten, sondern auch die Zahl der Entlassungen aus dem Maßregelvollzug. 150 Fachleute aus ganz Deutschland haben deshalb an einer Tagung zum Thema „Bringen forensische Patienten die Nachsorgesysteme an ihr Limit?” teilgenommen.

Mit einem einfachen Ja oder Nein ließ sich diese Frage für die Fachleute kaum beantworten. Dass gute Nachsorge und Rehabilitation aber die beste Prävention ist, war dagegen der einstimmige Tenor der Beteiligten. Und da sei eben der Maßregelvollzug schon auf einem guten Weg. „So ein engmaschiges therapeutisches System der Nachsorge und Rehabilitation wie im Maßregelvollzug, gibt es im Strafvollzug nicht”, sagte Dr. Rudolf Schlabbers, Chefarzt in der Forensik in Bedburg-Hau. Diese intensive Betreuung schlägt sich auch in entsprechenden Zahlen nieder. „Bundesweit liegt die Rückfallquote bei entlassenen Maßregelvollzugs-Patienten deutlich unter zehn Prozent”, sagt Dr. Jack Kreuz, Leiter der forensischen Psychiatrie in Bedburg-Hau. Diese Rückfallquote sei deutlich niedriger, als die der entlassenen Strafgefangenen.

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Dass die Zahl der Entlassungen aus dem Maßregelvollzug nach oben geht, hängt mit einer Gesetzesnovellierung aus dem Jahr 2016 zusammen. Sie zielt auf eine kürzere Verweildauer der Patienten im Maßregelvollzug ab. Zudem ordnen die Gerichte häufiger die Entlassung aus Verhältnismäßigkeitsgründen an, wenn die Dauer der forensischen Unterbringung nicht mehr im Verhältnis zur Schwere der Straftat steht.

Die Maßregelvollzugskliniken bereiten von Anfang an ihre Patienten auf die Entlassung vor. Unterstützung erfahren sie dabei von den Gemeindepsychiatrien, welche die Patienten nach ihrer Entlassung weiter versorgen und beispielsweise bei der Suche nach betreuten Wohnformen helfen. Wenn von den Patienten keine schweren Straftaten in Freiheit zu erwarten sind, haben sie nämlich einen Anspruch auf Lockerung, langfristige Beurlaubung und – nach erfolgreicher Bewältigung aller Stationen – auf ihre Freiheit. Klaus Lüder, Fachbereichsleiter Maßregelvollzug beim LVR, stellte hierzu fest: „Der Maßregelvollzug ist keine Sackgasse, sondern ein therapeutisch hochgesicherter Transitbereich.”

Bei der Nachsorge und der Rehabilitation bekommt die Forensik regelmäßig Hilfe von Papillon. Der Verein für sozialtherapeutische Angebote im Kreis Kleve unterstützt Patienten aus dem Maßregelvollzug. Aktuell betreut Papillon acht Patienten in einem Wohnheim, neun ambulant und einen in der Tagesstruktur. Dr. Jack Kreutz sieht den Maßregelvollzug aufgrund dessen und seiner im Vergleich zum Strafvollzug geringen Rückfallquote auch gut aufgestellt. „Aber wir haben das Problem, dass es bestimmte Untergruppen schwer haben”, sagt Kreutz und nennt Brandstifter als Beispiel. „Sie sind schwer weiter zu vermitteln, weil viele Wohnheime Angst haben, dass sie wieder ein Feuer legen könnten”, begründet Kreutz. Selbiges gelte in ähnlicher Form auch für geistig beeinträchtigte Sexualstraftäter. Allerdings seien diese Schwierigkeiten im Kreis Kleve nicht ganz so ausgeprägt wie in anderen Regionen. „Vielleicht ist die Toleranz hier größer”, merkt Kreutz an.

Ein logistisches Problem könnte es in naher Zukunft jedoch in Bedburg-Hau geben. Dadurch, dass die Zahl der Patienten in der Forensik steigt, werden die Räumlichkeiten allmählich knapp. „Die beiden Nachsorge-Ambulanzen sind zurzeit provisorisch in Gebäuden untergebracht, die irgendwann mal verkauft werden sollen”, sagt Kreutz. Es sei durchaus möglich, dass die LVR-Klinik dann expandieren müsse, weil der Platz schlicht zu wenig wird.

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