REES. Wie emotional das Thema der Stromtrasse „A-Nord“ ist, wurde beim Bürgerdialog unter der Woche im Bürgerhaus in Rees deutlich. Zwölf Mitarbeiter des Netzbetreibers Amprion, der die Trasse als Erdkabel von Emden bis nach NRW bauen soll (NN vom 20. Januar), standen interessierten Bürgern Rede und Antwort – und es wurde mitunter auch energisch über die Pläne diskutiert.

An Monitoren und Schautafeln erläutern Amprion-Mitarbeiter den möglichen Verlauf und die Bauphase von A-Nord.
NN-Fotos (2): MB

Im Vorfeld hatte Amprion Vertreter der Landwirtschaft zu einer Info-Veranstaltung nach Rees eingeladen. Rees deshalb, weil hier mit der Rheinquerung bei Haffen einer der Schlüsselstellen der Stromtrasse liegt. Rund 150 Landwirte aus der Region waren der Einladung gefolgt. „Insgesamt war es sehr sachlich“, berichtet Amprion-Projektsprecher Jonas Knoop. „Es wurden berechtigte Fragen gestellt, etwa zum Thema Entschädigungen.“ Zwar habe es auch Anwesende gegeben, die sich entschlossen zeigten, klagen zu wollen. „Das war aber die Ausnahme“, betont Knoop. „Viele kamen mit Bedenken, die wir aber vielfach ausräumen konnten.“

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Josef Peters, der Vorsitzende der Kreisbauernschaft Kleve, findet es grundsätzlich positiv, dass Amprion „von Beginn an so viele Leute mit ins Boot holt wie möglich“. Allerdings sei es noch zu früh, sich ein abschließendes Urteil über das Bauvorhaben zu bilden. „Wir stehen noch ganz am Anfang der Diskussion, wir befinden uns nicht mal in der Offenlage“, sagt Peters. Grundsätzlich ahnt er: „Es ist gesellschaftlich gewünscht, daher werden wir uns als Landwirtschaft nicht davor verschließen können.“

Beim Bürgerdialog war der Ton dann aber oft deutlich emotionaler, mitunter auch verärgert. „Das können Sie vergessen, ich werde mein Land nicht dafür hergeben“, sagte Clemens Janßen aus Uedemerbruch zu Beginn der Veranstaltung mit Nachdruck. Die ablehende Haltung des Landwirts resultiert aus der schlechten Erfahrung, die sein Vater von fast 50 Jahren beim Bau einer Gasleitung auf seinem Land gemacht hat. „Mit den Schäden muss ich mich noch heute herumärgern“, sagt Janßen. Damals sei bei den Erdarbeiten der Boden seiner Felder ruiniert worden. Die Folge: „Der Boden ist nur bei trockenem Wetter zu bestellen, bei Regen bleibe ich mit dem Traktor im Bereich der Gasleitung stecken.“ Sein Vater habe damals lediglich eine einmalige Entschädigung erhalten, heute will niemand mehr zuständiger Ansprechpartner sein. Janßen wäre im Fall der von Amprion ausgearbeiteten Vorzugstrasse auf einem Kilometer Breite betroffen, die Leitung würde also in jedem Fall über sein Land laufen. „Ich sehe die Gefahr, dass sich alles wiederholt.“

[quote_box_left]Ablauf A-Nord
Ende März: Antrag auf Bundesfachplanung; öffentliche Auslage der Antragsunterlagen (online)
April/Mai: vier Antragskonferenzen (Termine und Orte werden bekannt gegeben), Träger öffentlicher Belange (TöB) und Bürger können Einwände vorbringen
Ende 2018: Auslegung der Antragsunterlagen; Beteiligung von TöB und Bürgern
Anfang 2019: Erörterungstermine mit Darstellung und Erläuterung der Stellungnahmen; Beteiligung von TöB und Bürgern
Mitte 2019: Festlegung des Trassenkorridors durch die Bundes­netz­agentur
bis 2021: Planfeststellungsverfahren und Planfeststellungsbeschluss[/quote_box_left]Bei Amprion könne man Bedenken aufgrund solcher Vorerfahrungen sehr wohl verstehen, sagt Sprecher Jonas Knoop. Genau deshalb organisiere man die Bürgerdialoge und versuche, die weiteren Pläne in enger Abstimmung unter anderem mit Landwirten zu erarbeiten. Zum Thema Entschädigungen erläutert Knoop: „Die Eigentümer der Grundstücke erhalten eine einmalige Entschädigungen. Pächter wiederum erhalten für die Zeit der Baumaßnahme und der Rekultivierung eine wirtschaftliche Entschädigung.“ Auch für mögliche Folgeschäden muss Amprion aufkommen, unter Umständen über einen Zeitraum von zehn bis 20 Jahren.

Während Amprion in Rees beziehungsweise Haffen eine Schlüsselstelle sieht, sehen sich die Bürger in Uedem „stark am Hochwald berührt“, berichtet Agnes Stevens vom CDU-Ortsverband. Sie kritisiert die Informationspolitik von Amprion, vermisst einen Vor-Ort-Termin in Uedem, um den man bereits gebeten habe. Amprion habe nur auf die Veranstaltungen in Rees und Willich verwiesen. „Die betroffenen Uedemer wollen aber genau wissen, was passiert.“ Man sei nicht skeptisch und im Prinzip auch für die Erdkabel-Variante. „Die Leute wollen aber wissen, wie lange sie ihr Land nicht nutzen können“, sagt Stevens und versichert, dass man auf das Angebot von Jonas Knoop, zu einer individuellen Info-Veranstaltung nach Uedem zu kommen, mit Sicherheit eingehen werde.

Im Reeser Bürgerhaus haben die Besucher weiter erfahren, dass die Bauzeit rund vier Jahre betragen wird und Gesamtinvestitionen bei etwa zwei Milliarden Euro liegen. Die 320 Kilometer lange Trasse wird in mehreren Bauabschnitten errichtet. „Wir werden mit lokalen und regionalen Unternehmen arbeiten, die die örtlichen Gegebenheiten und die Böden kennen“, erläutert Knoop. Die einzelnen Bauabschnitte werden parallel angegangen, damit alle bis 2025 möglichst zeitgleich fertiggestellt werden.

Landwirt Clemens Janßen ist zum Ende des Bürgerdialogs nur bedingt zufriedengestellt. „Ich weiß zwar nun mehr, aber immer noch nichts Genaues.“ Er wolle sich weiterhin nicht damit abfinden, dass die Trasse über seine Felder führen könnte. „Ich weiß aber nicht, was ich tun würde, wenn es doch so kommt.“

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