Vorwurf: Sparkasse schwächt
die Infrastruktur in Millingen

Heimatverein kritisiert ersatzlose Schließung der Filiale – Vorstandsvorsitzender nimmt Stellung

MILLINGEN. Der Unmut über die Entscheidung der Sparkasse Rhein-Maas, zahlreiche Filialen – teilweise ersatzlos – zu schließen (die NN berichteten mehrfach), hält an. Nun wendet sich der Heimatverein Millingen/Empel in einem Schreiben an der Vorstand der Sparkasse.

Unter dem Betreff „Ein verbessertes Service-/Beratungsangebot ersetzt keine Bargeldversorgung vor Ort” schreiben die Vertreter des Heimatvereins an den Sparkassen-Vorstandsvorsitzenden Rudi van Zoggel und seine Kollegen zu dem Entschluss, die Filiale in Millingen zum 2. Januar 2018 zu schließen: „Laut Ihrer Aussage ist ein geändertes Nutzerverhalten sowie die zunehmende Digitalisierung Grund genug, die Filiale in Millingen zu schließen. Für den Heimatverein und dessen Mitglieder, aber auch Ihren Kunden gegenüber ist dies ein Affront. Sie benachteiligen mit der Schließung nicht nur die immer älter werdende Bevölkerung und deren fehlende Mobilität und Ängste vor Missbrauch, sondern auch Kinder, die beispielsweise keine Möglichkeit mehr haben, vor Ort Ein-/Auszahlungen von ihrem Sparbuch oder Taschengeldkonto vorzunehmen.”

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[quote_box_left]„Völliger Kahlschlag”

Auch die Emmericher Politik reagiert auf die Pläne der Sparkasse. So fordert der Stadtrat von Landrat Wolfgang Spreen, dem Verwaltungsrat und der Verbandsversammlung der Sparkasse Rhein-Maas, „eine auskömmliche und flächendeckende Versorung mit Kundenbetreuung und Kundenservice sowie Bankautomaten in Emmerich und Rees mit ihren Ortsteilen sicherzustellen”. Zudem sollen Alternativen zum „völligen Kahlschlag” entwickelt werden. Über den entsprechenden Antrag soll am 23. November abgestimmt werden. Zur Begründung bezieht sich der Rat auf das Sparkassengesetz, nach dem die Gewinnerzielung nicht Hauptzweck des Geschäftsbetriebes sei.

[/quote_box_left]Diese „offensichtliche Benachteiligung” führe zu einer ungerechten Geldversorgung in der Kundenstruktur der Sparkasse. „Nehmen Sie billigend in Kauf, dass diese Kunden zu Mitbewerbern abwandern? Ist heute nicht viel mehr eine verbesserte Nachhaltigkeit gegenüber Kunden, Mitarbeitern und Eigentümern gefragt, und können aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht eventuell doch Alternativen angeboten werden? Ist es nicht gerade jetzt Aufgabe der Sparkasse, sich von minimalistischen Direktbanklösungen abzuheben?”

Neben Rees und Haldern sei Millingen mit rund 3.000 Einwohnern Siedlungsschwerpunkt. Zum Einzugsgebiet für die Nahversorgung gehöre auch Bienen mit etwa 900 Einwohnern sowie Empel mit knapp 480 Einwohnern, aber auch Praest, Isselburg-Heelden und Vehlingen.

Weiter kritisiert der Heimatverein, dass eine gut funktionierende Einzelhandelsstruktur im Dorf (Lebensmittelmarkt, Bäckerei, Apotheke, Friseur, Post, Schreibwaren-, Floristikgeschäft) mit der Maßnahme, die Filiale in Millingen zu schließen, in Frage gestellt werde. „Durch Wegfall der Bargeldversorgung gehen die Kunden der Sparkasse, aber auch Nichtkunden, die den Geldautomaten nutzen, neue Wege, Umsätze bleiben aus, Geschäftsschließungen und eine weitere Schwächung der Infrastruktur in Millingen sind die Folge”, fürchtet der Heimatverein.

„Es kann doch nicht im Auftrag der Sparkasse Rhein-Maas liegen, diese mehr als 5.000 Menschen von der Nahversorgung in Millingen abzuhängen. Wozu gibt es denn den öffentlichen Auftrag laut Sparkassengesetz?”

Eine Vielzahl der betroffenen Bürger habe über die Schließung der Millinger Sparkassenfiliale erst aus der Zeitung erfahren, wirft der Heimatverein dem Sparkassen-Vorstand vor. „Wir würden es begrüßen, wenn Sie durch eine Kundenveranstaltung in Millingen die notwendigen Maßnahmen erläutern könnten und sich den Fragen, Sorgen und Nöten der ‚Sparkassen-Nutzer‘ stellen würden.” Dafür würde man auch das Heimathaus zur Verfügung stellen.

Weiter teilt der Heimatverein mit, dass er den Verwaltungsrat der Sparkasse Rhein-Maas in einem Schreiben darum gebeten habe, „die Prüfung einer möglichen Einrichtung einer SB-Zone/Geldautomat oder eines Einsatzes einer mobilen Sparkasse in Millingen vorzunehmen”.

Van Zoggel: Es gibt weiterhin Bargeld in Millingen

Die hohen Wellen, die die Ankündigung der Sparkasse Rhein-Maas, zahlreiche Filialen zu schließen, noch immer schlagen, kommen für Rudi van Zoggel nicht unerwartet. „Als wir im Althaus Kleve seinerzeit viele Filialen schließen mussten, auch ohne den Ersatz durch Geldautomaten, haben wir bereits Bürgerproteste erlebt”, sagt der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse. Er sei sich bewusst, dass es ein sehr emotionales Thema sei, das vor allem ältere Bürger sehr berühre: „Gerade für sie gehört die Sparkasse ins Dorf wie der Bäcker, die Apotheke und die Kirche. Und sie sorgen sich, dass sich alle nach und nach verabschieden, bis auf die Kirche.”

Doch es ändere nichts an der getroffenen Entscheidung, betont van Zoggel: „Wir haben einen Kundenauftrag, und den versuchen wir auch zu erfüllen.” Doch für das Kreditgeschäft benötige man Eigenkapital, und das werde durch Gewinne erwirtschaftet. „Und deshalb können wir nicht ohne Gewinne auskommen”, erläutert van Zoggel.

Den Umut der Bürger beispielsweise in Millingen könne er nachvollziehen, doch gleichzeitig weist van Zoggel darauf hin: „Es geht bei allen Diskussionen fast immer um die Bargeldversorgung – und die ist auch in Millingen weiterhin gewährleistet.” So sei es möglich, in einem örtlichen Supermarkt bei einem Einkauf ab 25 Euro sich zusätzlich bis zu 200 Euro auszahlen zu lassen – „bei Bezahlung mit der EC-Karte, und das absolut sicher”, versichert van Zoggel. Zudem biete die Sparkasse einen Geldbring-Service an, der einmal wöchentlich zwischen 300 und 1.000 Euro zu den Kunden nach Hause bringt. Und schließlich, so erläutert der Vorstandsvorsitzende, „können unsere Kunden im Service-Center viele Dinge ab Januar telefonisch erledigen, etwa Überweisungen”.


Wirtschaftsforum Rees:
„Negative Signalwirkung”

REES. Das Wirtschaftsforum Rees hat einen offenen Brief an den Vorstand der Sparkasse Rhein-Maas um Vorsitzender Rudi van Zoggel geschrieben. Darin drückt der Vorstand des Wirtschaftsforums seine Sorge „um den zu erwartenden Rückbau elementarer Infrastruktureinrichtungen – nicht nur für Privatkunden”, aus. Dies betreffe vor allem die Selfservice-Einrichtungen wie Geldautomaten, etwa in Haffen-Mehr und Millingen. „Fehlende Flexibilität, weitere Anfahrten und abnehmender persönlicher Kundenkontakt betreffen ebenso kleine und mittlere Unternehmen, die insbesondere das Reeser Wirtschaftsbild prägen”, schreibt der WiFo-Vorstand.

Dabei gehe es auch ganz allgemein um den Wirtschaftsstandort der Region Emmerich-Rees und des Umlandes. Die Attraktivität von Arbeitsplätzen sei stark verknüpft mit einem gut ausgebauten Angebot infrastruktureller Einrichtungen und einem Maß an Lebensqualität, das nicht nur Landflucht verhindere, sondern auch den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte ermögliche. Hier sehe man jedoch „eine potenziell negative Signalwirkung” für Menschen und Unternehmen in und um Rees und Emmerich.

„So wichtig notwendige Maßnahmen der Restrukturierung und Neuausrichtung für ein effektives und effizient arbeitendes Unternehmen sind, so zielführend ist es, diese maßvoll und ausgewogen für die bestehende Kundenstruktur beziehungsweise für potenzielle neue Kunden zu wählen”, heißt in dem Schreiben an die Sparkasse weiter: „Im Namen aller Mitglieder des Wirtschaftsforums Rees appellieren wir dringend an Sie, wenigstens die SB-Stellen in Millingen und Haffen-Mehr zu erhalten.”

 

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