Applaus, Applaus

Natürlich geht es beim Haldern Pop um die Musik – aber die Energie des Festivals findet im Kopf statt.

HALDERN. Was ist schon ein Think-Tank? Eine Ideenschmiede. Vielleicht. Und so viel ist sicher: Ideen sind in Köpfen verortet – nicht notwendigerweise in Metropolen. Provinz findet da statt, wo sie hingedacht wird. Ist Haldern Provinz? Never. Dafür wird hier zu viel nachgedacht über die Mechanik der Gesellschaft. Natürlich ist Haldern mehr als nur einmal im Jahr „Haldern Pop“. Wenn die Gäste abreisen, bleibt ein Dorf zurück. Trotzdem ist Haldern Pop längst das, was man einen integralen Bestandteil der Dorfidentität nennen könnte.

Haldern Pop ist ein Musikfestival, aber man muss begreifen, dass Musik mehr sein kann als die Addition von Tönen. Musik und wie man mit ihr umgeht, ist immer auch eine Aussage über den Zusammenhalt des Gefüges, in dem die Töne leben – aus dem sie entspringen. Musik ist wie ein Bild: Sie existiert erst durch Wahrnehmung. Dass Töne längst zu einer Bewusslosigkeitstapete geworden sind, die nicht mehr wahrgenommen wird, weil sie allgegenwärtig ist, steht in einer anderen Partitur.

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[quote_box_left]Haldern Pop
Das Festival startet am Donnerstag, 10. August und endet am 12. August. Das Line Up umfasst 65 verschiedene Acts von A wie „A Blaze of Feather“ bis W wie „Wolf Mahn“. Die Musiker kommen aus Australien, Kanada, Deutschland, England, den Niederlande, Island, Italien, Norwegen, Österreich, Schottland, Schweiz, und USA.[/quote_box_left]Vielleicht ist das Haldern Pop ein Versuch, die Töne vor der Bedeutungslosigkeit zu retten.Ein Festival, das in der Lage ist, einerseits Geschichte zu sein und andererseits zu schreiben, muss am Ende der richtigen Gedanken stattfinden. Oder: Am richtigen Ende des Denkens. Wer bestehen will, muss sich auch verweigern können und nicht einfach nachgeben. Verweigern? Dem Wachstum haben die Macher des Haldern-Pop eine Absage erteilt. In Haldern folgen sie nicht den Trends – hier werden sie gemacht. Wer mit Stefan Reichmann spricht, der von Beginn an einer der Hauptmotoren ist, findet einen, der sich natürlich mit dem Festivalmachen auskennt wie kaum jemand sonst, aber Reichmann ist eben auch einer, der mit Begriffen wie „Zuhause“, „Vertrauen“ und „Zuversicht“ arbeitet. Man könnte vom Halderner Dreisatz sprechen. „Wir investieren hier seit über 30 Jahren in Kunst“, sagt Reichmann. Aber mit dem Investieren ins Unsichtbare ist es so eine Sache. Am Aktienmarkt fragt niemand danach, aber wenn es um Musik geht…? Die Halderner haben, das bestreitet längst niemand mehr, über die Jahre eine Marke etabliert – eine, die so viel Kundenvertrauen bindet, dass alljährlich fast alle Festivalkarten vergriffen sind, bevor überhaupt bekannt ist, wer auftreten wird.

Natürlich braucht man Geld, um ein Festival wie Haldern Pop auf die Beine zu stellen, aber letztlich geht es nicht um das Geld – es geht um die Bereitschaft, die eigene Energie einzusetzen. „Eins ist sicher: Das Festival lebt zu einem großen Teil von der Energie der Menschen, die das alles hier organisieren“, ist Reichmann sicher. Das Geld ist gewissermaßen die Hardware – die Haldern-Software ist das Konzept, die Energie. Haldern ist ein Feiern von (musikalischer) Bandbreite – eine Hymne ans Vertrauen in die Qualität und die Qualität braucht einen Ort. Orte, an denen so etwas möglich ist, werden auch Heimat genannt.

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