Die Kälte kroch der Reisegruppe durch die Kleidung, doch nicht nur die Kälte ließ die Besucher in Auschwitz erstarren. Fotos: privat

XANTEN. Bei einer Reise nach Auschwitz kann man nicht unbedingt von einem „Schulausflug“ sprechen und doch wird das Erlebte den Schülerinnen der Marienschule Xanten lange (immer) in Erinnerung bleiben.
Fast ein Jahr lang hatten sie sich mit ihrem Lehrer Jörg Heinemann auf die Fahrt vorbereitet (die NN berichteten).

Auf diesem Wachturm des Vernichtungslager standen einst die SS-Leute und jetzt die Marienschülerinnen - ein Ort, der Grauen weckte.
Auf diesem Wachturm des Vernichtungslager standen einst die SS-Leute und jetzt die Marienschülerinnen – ein Ort, der Grauen weckte.

Nach der fünftägigigen Studienreise beschreiben sie ihre „unguten Gefühle“, die sie beschlichen beim Anblick des riesigen Geländes am Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz Birkenau. Sie suchen Worte, das Erlebte zu beschreiben: „erschreckend, das riesige Tor mit dem Aufdruck ,Arbeit macht frei‘ hat einen schon beim Anblick erschlagen – Wir standen dort, wo die SS-Leute vor über 70 Jahren gestanden haben und mit Handzeichen über Leben und Tod der jüdischen Häftlinge entschieden haben. Wir konnten nachspüren, wie sich die Juden, kahlgeschoren, der Kleidung entledigt, barfüßig und mit Nummern tätowiert in der Kälte aufstellen und lange warten mussten, was mit ihnen geschieht. Diese Vorstellung vor Ort hat uns die Tränen in die Augen getrieben – so etwas geht beim Lesen im Unterricht nicht so nahe.

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Diese Momente werden wir nie vergessen. Tränen flossen auch beim Anblick der Kinderbaracken, die getrennt von den Eltern in unmenschlichen Behausungen untergebracht waren. Ein Schauer lief den Mädchen über den Rücken beim Anblick von Haaren, die als Zeugnis der entwürdigenden Kahlschur der Juden an einer Wand aufgetürmt waren – Zigtausend Menschen eingepfercht in dem Stammlager Ausschwitz – Zigtausende Schicksale.

Zwei mal am Tag durften die Häftlinge die „Toiletten“ benutzen, die Maren so beschrieb: „Es waren Steinblöcke mit Holzdeckeln, auf denen gleichzeitig 200 Leute nebeneinander ihr Geschäft verrichteten. Wenn sie sich meldeten, diese Sammelbecken mit ihren Händen auszuleeren, standen ihre Chancen besser zu überleben, ein Grund warum diese Arbeit so beliebt war!“ – Unvorstellbar in der heutigen Zeit!

Das Leiden der Häftlinge konnten die Mädchen besonders gut nachvollziehen bei der Begegnung mit einer Zeitzeugin. Lidia Makseymowich wurde in Russland geboren, kam mit drei Jahren ins Lager gemeinsam mit ihrer Mutter und den Großeltern. Die Großeltern wurden vergast, die Mutter versuchte ihre Tochter in der Kinderbaracke heimlich zu besuchen, ihr etwas Essen zuzustecken. Erkennen konnte Lidia das Gesicht ihrer Mutter nicht mehr und nach ihrer Befreiuung wusste sie nicht, was mit ihrer Mutter war. Erst mit 18 Jahren kam nach intensiver Suche ein Wiedersehen in Russland zustande, doch Lidia kehrte zurück in ihre polnische Pflegefamilie. Sehr ausführlich berichteten die Marienschülerinnen von dieser Begegnung mit der „süßen Omi, die total lieb war, Freude ausstrahlte und keinen Groll auf Deutsche hegte“.

Fünf Tage Unterrichtsausfall in der Marienschule – fünf Tage deutsche Geschichte lernen und verstehen, fünf Tage Besinnen auf Werte, die uns allzu selbstverständlich sind. Die Reisegruppe ist zusammengerückt, hat gelernt füreindander da zu sein, wenn Einzelne von Emotionen überwältigt wurden. Der nächste Schritt wird sein, im Unterricht mit Jörg Heinemann zu erarbeiten, wie wichtig Demokratie ist und wozu Rechtsextremismus führen kann. Ein weiterer Schritt ist, das Erlebte weiterzugeben an die Schulgemeinschaft, insbesondere an die Schülerinnen, die – sofern die Schulkonferenz zustimmt – die Reise im nächsten Jahr antritt.

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