Was tun, wenn das Baby schreit? Acht Schülerinnen der Gustav-Adolf-Schule in Goch lernten in einer Projektwoche, wie es ist, ein Kind zu haben. Dabei mussten sie sich unter anderem um computergesteuerte Babys kümmern, die sich fast wie echte Säuglinge benahmen. NN-Foto: Anastasia Borstnik

GOCH. Fläschchen geben, Windeln wechseln und nächtliche Spaziergänge durchs Wohnzimmer: Wie es ist, ein Baby zu bekommen, durften nun acht Schülerinnen der Gustav-Adolf-Schule in Goch eine Woche lang selbst ausprobieren. Und was die Mädchen während dieser Zeit erlebt haben, erzählten sie nun in einer kleinen Runde am Ende der Projektwoche.

Die 14- und 15-Jährigen sitzen erwartungsvoll am Tisch, während Heidi Viell, Leiterin des Sozialdienstes katholischer Frauen im Kreis Kleve, und Monika Rosenbaum, Lehrerin an der Gus­tav-Adolf-Schule, das Projekt, das in diesem Jahr zum achten Mal in Goch durchgeführt wird, vorstellen. Dabei geht es darum, dass junge Frauen mit der Situation konfroniert werden, früh schwanger zu werden und ein Baby zu bekommen. „Die Mädchen proben an diesen fünf Tagen den Ernstfall“, so Heidi Viell.

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Während also die anderen Mitschüler in der Schule sind und nach acht Stunden Schulschluss haben, müssen sich die Mädchen rund um die Uhr um „ihr“ Baby kümmern. Dabei handelt es sich um computergesteuerte Babypuppen, die fast wie ein richtiges Baby agieren und reagieren. „Wir müssen sie füttern, wiegen, Windeln wechseln, Bäuerchen machen lassen und immer wieder den Kopf stützen“, listen die Schülerinnen Raya Borrmann und Sandy Roe­fels auf. „Es ist spannend, aber auch anstrengend, weil wir auf uns selbst gestellt sind“, sind sie sich einig.

Dass die Rolle als Mutter nicht immer einfach ist, stellt auch Victoria Hüppe fest: „Bereits in der ersten Nacht war ich kurz davor, dass Projekt abzubrechen, weil das Baby 25 Mal geschrien hat. Da war ich fertig.“ Auch die anderen Schülerinnen betonen, dass sie durchweg müde seien. „Das ist normal“, sagt die Leiterin. „Beim Projekt müssen sie an höchstens fünf Nächten aufstehen, im echten Leben sind es deutlich mehr.“ Vor allem sei es nur ein kleiner Ausschnitt aus der Wirklichkeit, denn die Babys werden zum Beispiel nicht krank und bekommen auch keine Koliken. Neben der Praxis sind jeden Tag auch Theoriestunden vorgesehen, in denen intensive Gespräche geführt und Erfahrungen ausgetauscht werden. Weiterhin werden bestimmte Inhalte wie Verhütung, Zeugung, Fruchtbarkeit, der Besuch beim Frauenarzt und der Frauenberatungsstelle  spielerisch erarbeitet. „Damit bekommen sie einen Einblick in das Thema“, sagt Rosenbaum. „Gleichzeitig möchten wir den Schülerinnen Hilfestellungen geben, wie und wo sie im Ernstfall Hilfe bekommen.“ Und obwohl dieses Projekt nur wenige Tage dauert, identifizieren sich die Mädchen schnell mit ihrer Rolle als „Mutter“ und es entsteht eine Art Muttergefühl, weiß Viell.

Das sieht man den Mädchen auch an: Sofort huscht ein Lächeln über ihre Lippen, wenn sie über „ihr“ Baby, dem sie Namen wie Sofie, Cosmo oder Taylor Lion gegeben haben, erzählen. Behutsam nehmen sie es dann zum Beispiel aus dem Kinderwagen, legen es sich in die Armbeuge und wiegen es hin und her. „Einerseits freut man sich, es wieder abzugeben und wieder schlafen zu können, aber andererseits vermisst man es jetzt schon“, sagen die Schülerinnen. Das „Elternpraktikum“ habe die Schülerinnen nicht fürs Leben abgeschreckt, sagen sie, aber nun wisse man, wie es ist, ein Kind zu bekommen und mit welchen Schwierigkeiten es verbunden sei. Deshalb möchten die Schülerinnen erst die Schule beenden und eine Ausbildung machen, um später ihren Kindern „etwas bieten zu können“.

Das Projekt gibt es seit zwölf Jahren. Es wurde in Kevelaer in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt entwickelt und wird als Präventionsmaßnahme im gesamten Kreisgebiet angeboten. Unterstützt wird es von den Rotariern im Kreis Kleve, von der Fachstelle für schulbezogene Jugendsozialarbeit beim Anna-Stift Goch und vom Förderverein der Gustav-Adolf-Schule.

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