Freibad Rees vor dem Aus

Schließung, Neubau oder ein Naturfreibad am Reeser Meer – Politik muss über Lösung entscheiden

REES. Kinder können laut einer bundesweiten Studie des Robert-Koch-Instituts aus dem vergangenen Jahr immer schlechter schwimmen. Maßnahmen wie der Aktionstag „Deutschland schwimmt“ sollen dies ändern. Voraussetzung dazu sind aber erst einmal: Schwimmbäder. Doch genau die gibt es immer seltener, da sie zumeist Verluste für die Betrieber – in der Regel die Kommunen – erwirtschaften. So auch in Rees: Auf 680.000 Euro belief sich das Defizit des Stadtbades (Hallen- und Freibad) im vergangenen Jahr, berichtet Kämmerer und Stadtwerke-Chef Andreas Mai. Doch Rees hat den Betrieb des Hallenbades „optimiert“ und durch einen steuerlichen Querverbund so den Verlust verringert. Ein Vorgehen, das in Nachbarkommunen bald Nachahmer finden könnte. Für das marode Freibad muss jedoch eine andere Lösung her.

Mai spricht von einer „Daseinsfürsorge“ der Stadt, wenn es um das Schwimmbad geht. Den Reeser Bürgern, vor allem den Kindern, müsse eine Möglichkeit geboten werden, schwimmen zu gehen und zu lernen. „Das ändert aber nichts daran, dass ein Bad immer ein Verlustbetrieb ist“, sagt Mai. Für jeden Besucher zahle die Stadt zehn Euro drauf. Kursteilnehmer und Mitglieder von Vereinen, die das Bad nutzen, sind da noch nicht eingerechnet. „Um kostendeckend zu operieren, müssten wir statt drei Euro einen Tageseintritt von 13 Euro nehmen“, rechnet er vor.

-Anzeige-

Vor allem das 40 Jahre alte Freibad verursacht immense Kosten. Allein die Technik, die neun Monate im Jahr ruht, für die dreimonatige Saison zu reaktivieren, sei mit einem hohen Aufwand verbunden, sagt Mai. „Wir könnten hier ein Schild ‚Technik-Museum‘ aufhängen“, sagt Mai – nur halb im Scherz. Hinzu kommen die Kosten für beispielsweise 3.500 Kubikmeter Gas täglich, um das Wasser auf Temperatur zu halten, und 2.000 Euro im Monat an Strom für die Umwälzpumpen. Der Knackpunkt: Das Freibad ist an 80 Tagen im Jahr geöffnet, an nur 40 Tagen mit mehr als 100 Gästen „halbwegs gut besucht“. Um es „wirtschaftlich halbwegs gut“ betreiben zu können, wären aber mehr als 1.000 Besucher nötig. Dies war laut Mai in diesem Jahr an nur fünf Tagen der Fall, an sechs weiteren Tagen lag die Gästezahl bei 500 bis 1.000. Fazit: „Der Betrieb des Freibades ist höchst defizitär“, sagt Mai.

[pull_quote_left]Chlorgas- und Filteranlagen sind nach 40 Jahren veraltet. Wir könnten hier auch ein Schild aufhängen: Technik-Museum![/pull_quote_left]Nun hat sich in diesem Jahr gezeigt, dass Kacheln in den Becken gesplittert, Teile der Leitungen undicht sowie Chlorgasanlage und Wasseraufbereitung veraltet sind. „Das Kreisgesundheitsamt hat zwar gesagt, dass die Werte in Ordnung sind, die Technik aber für das nächste Jahr erneuert werden muss“, berichtet Mai.
Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, wie man mit dem Freibad verfahren solle. Dazu hat der Aufsichtsrat der Stadtwerke einen Prüfungsauftrag an die Stadt als Eigentümer gegeben. Am 10. November steht eine Ausschusssitzung an, vier Tage später folgt eine Stadtratssitzung. Wenn dieser dann am 20. Dezember erneut zusammenkommt, muss eine Entscheidung fallen. Dazu erstellt Andreas Mai derzeit ein Konzept, in dem er die verschiedenen Optionen aufführt. „Die einfachste Möglichkeit wäre eine komplette Schließung des Freibades, das würde keine Kosten produzieren.“ Eine Lösung, die er nicht favorisiere, ebenso wenig einen Neubau. Dieser würde bereits in einer einfachen Ausführung mindestens vier Millionen Euro kosten – schwierig, angesichts eines Haushaltsdefizites von drei Millionen Euro.

Für die laut Mai praktikabelste Lösung verweist er auf das Strategiepapier des Rates vom April diesen Jahres. Darin heißt es unter anderem: „Als besonders bedeutsam für die langfristige Zukunft der Stadt Rees ist die Entwicklung des Reeser Meers hin zu einem auch touristisch nutzbaren Freizeitgebiet mit Strandbad zu sehen.“ Bislang hatte die Stadt nach einem Investor für einen Ferienpark gesucht, doch für Mai käme auch eine Erschließung unabhängig davon in Frage, eben in Form eines Naturfreibades mit Naturstrand.
Bereits heute ist das Reeser Meer ein beliebter Treffpunkt für Schwimmer – obwohl es eigentlich verboten ist. „Mit einem Naturfreibad könnte man das Ganze unter Aufsicht steuern“, sagt Mai. „Zudem bräuchte man keine aufwendige Filtertechnik.“ Das Personal der Stadtwerke würde ebenfalls dort arbeiten.

Ein rechtskräftiger Bebauungsplan für einen Ferienpark und Naturstrandbad besteht bereits, allerdings fehlt unter anderem noch ein kosten- und zeitaufwendiges wasserrechtlichtes Planfeststellungsverfahren. „Dazu bräuchten wir ein Böschungsgutachten, und eine Flachwasserzone müsste entwickelt werden“, sagt Mai, der mit fünf bis sieben Jahren von der Antragstellung bis zur Realisierung rechnet. Doch sieht er deutlich mehr Vor- als Nachteile rund um das Reeser Meer. Nicht nur würde eine „wunderschöne Landschaft touristisch erschlossen“, mit einem ganzjährigen Restaurationsbetrieb nach Xantener Vorbild in einem multifunktionalen Gebäude „könnte man an 365 Tage im Jahr Gäste ans Reeser Meer locken.“ Eine Laufstrecke gibt es ja bereits vor Ort.

Für die Übergangszeit müsste das bestehende Freibad teilsaniert werden. Das bedeutet, die Becken „zu flicken“ (auch sicherheitstechnisch), Chlorgas- und Filteranlagen sowie Teile der sanitären Einrichtungen instandzusetzen. Dies würde rund 150.000 Euro Kosten – eine Investition, die der Bäderbetrieb laut Mai stemmen könnte. „Damit wäre das Freibad noch ein paar Jahre nutzbar.“ Die Entscheidung muss aber der Rat der Stadt Rees treffen.

Die Bürger jedenfalls begegnen dem Thema mit gemischten Gefühlen. In einem Punkt sind sie sich einig: Ohne ein Freibad – in welcher Form auch immer – geht es nicht. „Eine Schließung fände ich extrem schade, vor allem für die Kinder“, sagt André Raayman, der das Freibad mit seinen Kinder oft besucht. Wie aber steht er einem Naturfreibad am Reeser Meer gegenüber? „Dort bin ich noch nicht gewesen. Entscheidend ist, dass es auch für Kinder geeignet ist.“ Viele Reeser könnten sich mit der Lösung Reeser Meer sehr gut anfreunden. So fände Doris Jansen ein dortiges Naturfreibad „viel sympathischer. Das Wasser ist super sauber, die Lage toll.“

Betrieb „optimiert“: Mit einem steuerlichen Querverbund lassen sich die Verluste des Hallenbades ausgleichen. NN-Foto: R. Dehnen
Betrieb „optimiert“: Mit einem steuerlichen Querverbund lassen sich die Verluste des Hallenbades ausgleichen.
NN-Foto: R. Dehnen

Dagegen sind die Fragen rund um das Hallenbad mit dem Neubau längst beantwortet. Rees ist damit einen Schritt gegangen, den viele andere Städte scheuen und ihre Hallenbäder stattdessen schließen. Anfragen anderer Kommunen, die ihre Schüler im Rahmen des Sportunterrichts gerne nach Rees schicken würden, zeigen, wie prekär die Lage andernorts ist. „Wir können da leider nicht helfen“, sagt Mai, „das Hallenbad ist ausgelastet.“ Schwimm- und Aquafitness-Kurse, Schwimm- und Ruderverein sowie der Schulsport benötigen viele Zeiten, und auch den „normalen“ Besuchern möchte man ja noch Gelegenheit zum Schwimmen einräumen. Bislang übernahm der Bäderbetrieb der Stadt den Betrieb des Bades, konnte den Verlust durch Einnahmen seiner Tochtergesellschaft, der Stadtwerke, aber ausgleichen. Mit dem Neubau des Hallenbades wurde umstrukturiert: Der Bäderbetrieb bleibt Eigentümer und verpachtet das Bad an die Stadtwerke, wo nun auch das Personal angestellt ist. Die Stadtwerke wiederum haben eine neue Sparte eröffnet – neben Gas, Wasser und Strom nun auch Badbetrieb – und können nun die Verluste des Bades direkt mit den Gewinnen der drei Verkaufssparten verrechnen. „So wird der Gewinn der Stadtwerke zwar minimiert, gleichzeitig sinkt aber auch das zu versteuernde Einkommen“, erläutert Mai. Rund 200.000 Euro weniger Steuern sind zu zahlen, der Verlust des Hallenbades beläuft sich somit auf „nur“ 480.000 Euro. „Dank dieses steuerlichen Querverbundes ist der Verlust nicht höher als beim alten Bad“, sagt Mai. Voraussetzung ist, dass die Stadtwerke das Blockheizkraftwerk im neuen Hallenbad mit eigenem Gas betreiben. „Dank dieser wirtschaftlichen Verquickung dürfen wir die Verluste verrechnen“, sagt Mai. Und kann sich die Stadt Rees überhaupt noch den Betrieb des Hallenbades leisten.

Vorheriger ArtikelAufwendige Rettung nach Sturz auf dem Dach
Nächster ArtikelSommerausklang im GochMuseumsgarten