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Tüte – nein, Danke!: So setzt der Einzelhandel die freiwillige Bezahlpflicht für Plastiktüten um

NIEDERRHEIN. „Jute statt Plastik“ – vor mehr als 35 Jahren war dieser Slogan das Symbol gegen die Wegwerfmentalität. Oft belächelt und in die „Öko-Ecke“ gestellt, scheint er aber heute umso aktueller zu sein. Denn jetzt schockieren die Bilder und Meldungen über gigantische Mengen Plastikmülls in den Weltmeeren. Seit Juli gilt für den Handel eine freiwillige Bezahlpflicht für Plastiktüten. Hintergrund der Vereinbarung ist eine EU-Richtlinie, wonach der Verbrauch der Kunststofftüten in den Mitgliedstaaten bis 2025 auf 40 Tüten pro Einwohner und Jahr reduziert werden soll. Am Niederrhein haben einige Händler bereits die (kostenlose) Plastiktüte abgeschafft. Die NN haben sich nach den ersten Erfahrungen umgehört.

Einkaufen ohne eigenen Korb kommt für Marlies Verberkt nicht in die Tüte. Sie verzichtet bewusst auf überflüssiges Verpackungsmaterial. Nur bei den Weintrauben macht sie eine Ausnahme. NN-Fotos: nm
Einkaufen ohne eigenen Korb kommt für Marlies Verberkt nicht in die Tüte. Sie verzichtet bewusst auf überflüssiges Verpackungsmaterial. Nur bei den Weintrauben macht sie eine Ausnahme. NN-Fotos: nm

Die Bilanz im Gartencenter von André Thielen in Nieukerk ist überzeugend: Seit 1. Januar 2015 bietet der Twistedener seinen Kunden keine kostenlosen Plastiktüten mehr an. Für 15 Cent können sie Papiertüten kaufen. „Aber die meisten verzichten ganz darauf“, sagt er. Und so wandern bei ihm statt rund 12.000 Tüten pro Jahr nun gerade mal 400 bis 500 Tragetaschen über die Ladentheke. „Wir sind total begeistert von der Resonanz“, sagt er. Ab 1. Januar 2017 will Thielen sogar noch einen Schritt weiter gehen. Dann streicht er auch die Folienverpackung für Geschenke. „Der Umweltgedanke ist uns wichtig“, hebt er hevor.
Auch in der Buchhandlung von Mirjam Keuck-Grönheim in Geldern gibt es seit Sommer 2015 keine Plastiktüten mehr.  Für 20 oder 40 Cent können ihre Kunden recyclingfähige Papiertüten kaufen. Damit unterstützt sie die Aktion „Plant for the Planet“, die 2007 von einem damals neunjährigen Jungen ins Leben gerufen wurde und das Ziel hat, 1.000 Milliarden Bäume zu pflanzen. „Ich war erst skeptisch, ob unsere Kunden das mitmachen würden. Aber heute bin ich total zufrieden. Die Reaktionen sind überwiegend positiv“, freut sich die Geldernerin. Den Erlös aus dem Tütenverkauf spendet für die Baumpflanz-Aktion, die auch von der UN unterstützt wird. Mirjam Grönheim-Keuck schätzt, dass der Tütenverbrauch seitdem um gut 40 Prozent zurück gegangen ist. „Auslöser war ein Urlaub auf Sardinien, wo unsere Kinder total schockiert waren vom ganzen Plastikmüll in der Badebucht“, erzählt sie.

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Für Markus Kaenders, Inhaber eines Modehauses in Kevelaer, kommt es gar nicht in Frage, Geld für seine Tragetaschen zu verlangen. Zudem ist er überzeugt: „Unsere Tüten gelangen nicht ins Meer. Sie werden mehrfach verwendet, bis hin zum Sattelschutz fürs Fahrrad.“ Trotzdem sei das Thema Plastiktüten eine Imagefrage, die man nicht vernachlässigen dürfe. „Daher stellen wir komplett auf Papiertüten um. Wir brauchen die etlichen 10.000 Plastiktüten, die wir noch auf Lager haben, auf, bestellen aber keine neuen mehr“, erklärt er, „wir passen uns an, ohne Trendsetter zu sen.“

“Am besten bringt jeder seine eigene Tasche mit”

„Der Einzelhandelsverband Kleve begrüßt die Selbstverpflichtung an Stelle einer staatlich verordneten Steuer“, so die stellvertretende Vorsitzende Susanne Rexing, „wichtig ist, das Bewusstsein auch bei den Kunden zu stärken. Und am besten bringt jeder seine eigene Tasche mit.“ Eine ganze Palette unterschiedlicher Tragetaschen – von reycyelbarem Kunststoff, über Transportkartons bis hin zu mehrfach nutzbaren Baumwolltaschen – bietet Edeka Brüggemeier in seinen Märkten am Niederrhein an. „Wir arbeiten daran, so wenig Plastikmüll wie möglich zu produzieren und sind in engem Austausch mit unserer Edeka-Zentrale, um die umweltschonendsten Möglichkeiten umzusetzen“, lautet die Stellungnahme von Andre Spittmann aus der Geschäftsführung. Er stellt heraus: „Eine Reduzierung des Verbrauchs von Einweg-Taschen ist sinnvoll. Daher haben wir eine Bezahlpflicht für Tragetaschen schon seit langem und damit eine massive Reduzierung der Plastiktragetaschen erreicht. Wir freuen uns, dass viele Kunden eigene Körbe zum Einkaufen mitbringen.“ Häufig kritisiert werden im Allgemeinen auch die Plastiktüten in den Obst- und Gemüseabteilungen der Supermärkte. Dazu teilt An­dre Spittmann mit: „ Die derzeit verwendeten Obst- und Gemüse-Beutel aus Kunststoff werden momentan als sinnvollste Variante in diesem Bereich angesehen. Obst- und Gemüse-Papiertüten sind unter Umweltgesichtspunkten nicht vorteilhafter, aus Sicht des WWF besteht derzeit kein Anlass, sie durch Papiertüten zu ersetzen.“

Helene Pelzer geht nie ohne ihre schwarze Shopping-Bag auf den Markt und beweißt: Es geht auch schick statt Jute.
Helene Pelzer geht nie ohne ihre schwarze Shopping-Bag auf den Markt und beweißt: Es geht auch schick statt Jute.

Bei Trachtenmode Schlusen in Xanten herrscht momentan, kurz vor dem Oktoberfest, Hochbetrieb. Doch hier haben die Kunden keine Wahl – jedes Teil wird in eine Papiertüte gepackt, es gibt kein Plastik. „Wir haben schöne Papiertüten mit einem Hund drauf“, so einer der Mitarbeiter, „und die kommen bei den Kunden richtig gut an, da kommt überhaupt keiner auf die Idee, nach einer Plastiktüte zu fragen!“
Ganz anders ist die Lage bei Rainer Treffler, der sein Obst und Gemüse in Xanten verkauft. „Wie soll man denn Erdbeeren oder Himbeeren ohne Plastikverpackung transportieren?“, fragt er, „wir wären zwar froh, wenn es gar kein Plastik gäbe, da würden wir viel sparen. Aber das halte ich gerade in unserer Branche für unmöglich. Die Beeren wandern doch schon direkt nach der Ernte in Plastikschalen. Schön wäre es natürlich, wenn die Kunden für die nicht so empfindlichen Produkte ihre eigenen Einkaufskörbe mitbringen würden. Aber wer ohne Tasche kommt, der erhält nach wie vor alles in Plastik verpackt, weil ich gar nicht wüsste, womit ich das ersetzen soll, damit die Kunden alles sicher nach Hause transportieren können.“

Aber wenigstens die Kartoffeln werden hier und bei vielen anderen Händlern schon in Papiertüten verpackt. Und wer seinen eigenen Korb zum Einkauf auf dem Markt mitnimmt, der kann auch da jede Menge Plastiktüten sparen. Das sehen Helene Pelzer und Marlies Verberkt genau so. Die beiden Veerterinnen kaufen regelmäßig auf dem Gelderner Wochenmarkt ein und gehen  nie ohne Tasche oder Korb los. Helene Pelzer: „Meine schwarze Shopping-Bag habe ich immer dabei.“ Und auch im Stoffkorb von Marlies Ver­berkt liegen Brokkoli, Paprika und Romanesco ganz ohne Verpackung neben einanander.

von Nina Meyer und Ingeborg Maas

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