Intensiv sprach die Holocaust-Zeitzeugin Eva Weyl zu den Schülern über ihre Erlebnisse. Foto: privat

GOCH. „Ihr seid nicht verantwortlich für die Gräueltaten der Nationalsozialisten, aber ihr seid verantwortlich für die Zukunft. So etwas darf sich nicht wiederholen!“ appellierte die Holocaust-Überlebende Eva Weyl an die Schüler der Leni-Valk-Realschule Goch. In ergreifender Art und Weise berichtete die 81-Jährige vor 150 Schülern über ihre Erinnerungen als Jüdin zur Zeit des Nationalsozialismus.

Ganz still war es während des Vortrags der Zeitzeugin Eva Weyl, den die Schüler im Alter von 14 bis 16 Jahren gespannt verfolgten. Eva Weyl wurde 1935 in Arnheim geboren, nachdem ihre Familie wegen des ansteigenden öffentlichen Judenhasses Deutschland verlassen hatte. Vor der Emigration in die Niederlande betrieb Evas Vater Hans in der Klever Innenstatd ein großes Textilkaufhaus, das an der Stelle der heutigen Galeria Kaufhof stand.

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Jedoch wurde die Familie Weyl, nach der Besetzung der Niederlande durch die deutsche Wehrmacht im Mai 1940, abermals aus ihrem vertrauten Leben gerissen. So mussten sie sich als Juden registrieren lassen und wurden dem Durchgangslager Westerbork zugewiesen. Westerbork war ein KZ-Sammellager, das für die Deportation niederländischer und sich in den Niederlanden aufhaltender deutscher Juden in andere Konzentrations- und Vernichtungslager bestimmt war. Zwar wurde das Leben im Lager Westerbork nicht von täglichen Grausamkeiten beherrscht, doch befanden sich die junge Eva und ihre Familie in ständiger Angst davor, in einen der Züge nach Auschwitz, Sobibor oder Treblinka steigen zu müssen.

Eva Weyl stellte in ihrem Vortrag mehrfach heraus, dass sie und ihre Eltern diesem schrecklichen Schicksal nur mit „unglaublich viel Glück“ entkamen. Dieses Glück hatte die Namensgeberin der Gocher Realschule, Leni Valk, die sich auch im Lager Westerbork befand, leider nicht. Sie wurde in das Vernichtungslager Sobibor deportiert, wo sie am 21. Mai 1943 im Alter von noch nicht einmal zehn  Jahren ermordet wurde. „Alles Schein, Fassade und Täuschung“, stellte Eva Weyl mehrfach über den Alltag im Lager Westerbork, der so normal wie möglich verlaufen sollte, heraus. So gab es ein Krankenhaus, kleine Geschäfte, Werkstätten und sogar ein Theater sowie eine Schule im Lager. Diese besuchte die kleine Eva auch regelmäßig, während ihr Vater in der Lagerverwaltung angestellt war. Dank dieser Stelle konnte der Vater mehrfach das Leben der Familie Weyl retten.

Am Ende ihres Vortrags forderte Eva Weyl die Schüler dazu auf, sich über den Holocaust zu informieren: „Googelt mit euren Smartphones! Nutzt das Internet, um euch über den Holocaust zu informieren und um zu erfahren, was für unfassbar schreckliche Dinge passiert sind.“ In beeindruckender Manier verstand es Eva Weyl, die trotz höheren Alters selbst eine aktive Nutzerin von Smartphones und Internet ist, die Jugendlichen anzusprechen. So war die große Betroffenheit der Schüler nach ihren letzten Worten deutlich zu spüren und sie nutzten die Gelegenheit, verschiedene Fragen an Eva Weyl zu richten.

In der Fragerunde spiegelte sich der tiefsinnige Rahmen der Veranstaltung wider, denn die Schüler interessierten sich für Aspekte wie die Stärke von Eva Weyls jüdischem Glauben oder wie sie heute bei einer Begegnung mit einem Lageraufseher reagieren würde. Bei der Beantwortung beider Fragen wurde der Eindruck von Eva Weyl als einer charakterstarken Frau bestätigt, die zwar nicht streng religiös ist, aber die die menschlichen Werte in erstaunlicher Einzigartigkeit vertritt und an die jüngeren Generationen weitergibt. Nachdem Lehrer Hendrik Suelmann, der den Kontakt zu Eva Weyl herstellte, sich bei ihr mit einem Blumenstrauß herzlichst bedankt hatte, forderte sie die Schüler ein letztes Mal zur Verantwortung auf: „Gemeinsam müssen wir uns dafür einsetzen, dass so etwas nie wieder passiert! Was ich euch heute erzählt habe, ist eine Warnung gegen das Vergessen“.

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