Ein Finale voller Zugaben

Ex-Prinz empfängt Ex-Gardist in der Stadthalle: Schwanenfunker-Sitzung begeistert mit Gesang, Tanz und (Video)Show.

KLEVE. Kein Finale ohne Zugabe, wissen nicht nur erfahrene Konzertbesucher. Es gilt auch für Karnevalssitzungen. „In den vergangenen Jahren fehlte uns aber die Zeit für Zugaben“, blickt Walter Heicks zurück. „Und deshalb“, kündigt der Präsident der Klever Schwanenfunker schon zu Beginn der ersten Sitzung unter dem Motto „Van et Höltje op et Stöckske“ in der Stadthalle an, „gibt es heute nur noch Zugaben.“ Kein Wunder also, dass die „Funkerblaagen“ sodann auf der Bühne das große Finale der Sitzung einläuten. Der Auftakt nimmt das weltpolitische Geschehen in den Blick. „Die Welt ist aus den Fugen geraten“, sagt Heicks, doch er stellt klar: Von „Idioten wie ISIS und Pegida“ lässt sich der Klever den Karneval nicht vermiesen, hier darf jeder alles sagen, mit Witz und Ironie.

11570316RDKlSchwan72Der „Klever Narr“ (Michael Rübo) greift diese Vorlage auf; er freut sich, „endlich auch einmal eine Zugabe zu haben“, und blickt auf die Ereignisse des vergangenen Jahres zurück. Viel sei in der Welt passiert, über das sich lamentieren und diskutieren lasse; für den einen wichtig, für den anderen banal. Eines aber gelte immer: „Jeder Mensch darf glücklich sein, schränkt er den anderen damit nicht ein.“

-Anzeige-

Rübo erinnert an die Flüchtlingskrise, mahnt zu „schnellen und menschlichen Taten“ und sagt über die Angst vor Flüchtlingen: „Für manchen Stumpfsinn muss man sich schämen.“ Mit Blick auf die CSU, die „politische Sekte aus Wildbad Kreuth“, und der Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge, stellt er die Frage: „Wo ist eigentlich die Obergrenze für Populismus?“ Rübo spricht sich gegen Bürgerwehren und für Toleranz aus, nimmt VW und die Korruption im Fußball ins Visier. „Dir nimmt man es ab, wenn Du uns den Spiegel vorhälst“, lobt Walter Heicks den erfahrenen Büttenredner, die mit viel Applaus vom Publikum verabschiedet wird.

Ex-Prinz trifft Ex-Gardist, heißt es dann auf der Bühne: Heicks begrüßt Prinz Helmut, der Sportliche, bei den Schwanenfunkern. „In den vergangenen 30 Jahren war ich sechsmal in der Garde“, blickt die Tollität zurück, unter anderem 1999 bei Prinz Walter. „Jetzt bist Du selbst ein stolzer Prinz“, sagt dieser. Prinz Helmut verrät: „Einmal hier oben zu stehen, war ein Herzenswunsch.“ Nach dem Prinzenlied von Anja van den Boom und der Ordensverleihung gibt es auch für den Klever Prinzen ein Geschenk: Heicks hat einen „Kekker aus Marzipan“ gezaubert und wünscht Helmut für den anstehenden Einzug ins Klever Festzelt bestes Wetter: „Du hast Sonne verdient.“

Themen- und vor allem Generationenwechsel im Anschluss an den Gardetanz in der Bütt: Noah Sievernich erzählt von seiner Freundin Cosima – laut seinem Bruder ein Name „wie ein Damenhygiene-Artikel“ – und deren unentspanntem Vater, von Tücken und Begegnungen beim Bahnfahren und wagt sich an ein Schwergewicht des deutschen Fußballs: Rainer Callmund, den Noah mit dem passenden kölsche Dialekt und Schnaufen in die Schwanenstadt holt. „Auch wenn es von der Gewichtsklasse her nicht stimmt, sprachlich passte es zu Calli. Du hast den Sprung in die A-Jugend der Büttenredner geschafft“, gratuliert Walter Heicks.

Zu der Musik der „Heute-Show“ des ZDF beginnt die „Kleve-Show“ der Chaoten. Herbert Krahnen moderiert auf der Bühne die „Live-Schaltungen“ an, die zunächst ins Klever Rathaus gehen. Dort erleben die Zuschauer den überraschenden Wahlsieg der ersten Klever Bürgermeisterin mit: Berta Püplichhuisen (Michael Rübo) gewinnt mit 50,5 Prozent das Damenduell gegen Sonja Northing mit 49,5 Prozent. Wenig später aber erfährt das Publikum, dass Berta nach nur 100 Tagen im Amt schon wieder zurücktritt – aber nur mit großem Zapfenstreich natürlich. Bei Kandidat Artur Leenders hießt es übrigens „dreimal null bleibt null“, Funker-Schatzmeister und Elferrat-Mitglied Udo Janssen muss sich mit „08/15“ gegnügen. Es folgen unter anderem eine Schaltung zum Lichterfest im Forstgarten, wo das Feuerwerk zugunsten eines Besuches von TV-Koch Horst Lichter gestrichen wurde, und ein Blick zurück auf die wichtigsten Amtshandlungen von „Ex-König“ Theo Brauer: Fassanstich bei Kirmes und Oktoberfest.

Schwanenfunker_2016_MB_28Wie schwierig es ist, nicht immer das zu sagen, was man gerne sagen möchte, zeigt Büttenredner Bernd Thiele, etwa am Beispiel eines Elternsprechtags: „Jason-Pascal ist ein Vollpfosten, der sich auf dem Weg zum Klo verläuft – das sagt natürlich kein Lehrer. Er sagt: Keine Sorge, Jason-Pascal ist noch in der Findungsphase.“ Ganz privat wird Thiele, wenn er von der Kommunikation mit seinem „Schwalbenschwänzchen“, seiner Ehefrau erzählt: „Da gibt es gewisse Parallelen mit der chinesischen Sprache.“ Zum Abschluss kündigt er mit Blick auf wehleidige Männer noch eine Veranstaltungen an: „Am Mittwoch gibt es im Kolpinghaus ein Treffen einer Männergruppe zum Thema ‚Ein Schnupfen ist kein Todesurteil‘.“

Viva España heißt es dann beim Auftritt des Funkerchores, der vor einer andalusischen Landschaftskulisse aktuelle und zurückliegende Klever Ereignisse „mit südländischem Temprament auf den Punkt“ bringt (Heicks). Ob die Verkehrssituation in der Unterstadt, Windkraftanlagen im Reichswald, Parkleitsystem oder ebenfalls die Bürgermeisterwahl: Das Ensemble sorgt mit bekannten Rhythmen und neuen Texten für Bewegung und beste Laune im Publikum.

Eine echte Institution und wahres Weltkulturerbe öffnet nach der Pause seine Pforten: das Büdchen. Dort begrüßt der Inhaber (Bernd Thiele) die Bürgermeisterin Sonja Northing (neu auf der Bühne: Heike Edler), den Bauunternehmer „Mörtel“ (Bruno Kleindorp), Stadtführer Ingo („Ute‘s Bester“ Michael Rübo) und Student Ronnie (Sebastian Brenke). So verrät „Mörtel“, dass er einen „Spezialauftrag“ an Land gezogen hat: Er soll einen Tunnel durch den Klever Berg bauen, von der Unterstadt nach Materborn. Startpunkt: die Tiefgarage im „Palazzo Prozzo“, dem neuen Volksbank-Gebäude. Zwischenstopp: der Rathaus-Neubau – „so kann Theo abends durch den neuen Palast laufen und gucken, ob auch alles richtig läuft“, weiß das Büdchen-Team. Überhaupt Theo Brauer: Für das Trio auf der Bühne ist er ein echter Visionär, zum Beispiel bei der Wahl der Rathaus-Klinker. „Egal, welche Farbe einzieht, das Rathaus bleibt schwarz.“

[quote_box_left]Sitzung
Einer geht noch: Am kommenden Samstag, 30. Januar, laden die Schwanenfunker ab 18.11 Uhr zu ihrer dritten Sitzung in die Klever Stadthalle.[/quote_box_left]Geschichten aus der Kindheit, von seiner Familie und „unsere Pastuur“ erzählt der „Bauer van den Hau“ (Michael Hövelmann). Dabei bestätigt er Walter Heicks‘ Ankündigung, er spreche wohl besser Platt als Hochdeutsch. Im Anschluss ist es Zeit für Helden: „Vier Helden, die den Humor retten wollen“, so begrüßt der Präsident die „Funkertwens“ (André Budde, Jürgen Hecht, Thomas Schumacher, Rainer Ulrichs) auf der Bühne. Als Iron Man, Thor, Flash und Captain America singen sie über Kleve, Disco, Swimming Pool sowie Tücken im Alltag und widmen der neuen Bürgermeisterin die Hymne „Gott schütze Sonja Northing“.

Als letzter Büttenredner entert „Wim“ (Wilhelm Lievertz) die Bühne der Stadthalle.Er verrät, dass der Ötzi tatsächlich Deutscher war („Wer sonst geht ins Hochgebirge mit Sandalen und weißen Socken?“), von seinem Hund und einer Schiffsreise, auf der angesichts des Seegangs nur noch „gebrochen Deutsch gesprochen“ wurde. Nach einem mitreißenden Showtanz der neu formierten „Funkerschwänchen“ findet das Finale sein Finale – und mit der anschließenden Party im Foyer der Stadthalle eine letzte würdige Zugabe.

Vorheriger ArtikelStolpersteine für Kleve –
Gedenken muss konkret sein
Nächster Artikel„Jugend ist Zukunft der Wehr“