Ein Wal, Klaviere und ein Kaufhaus: Der neue Kalender für das Klever Land

KREIS KLEVE. Heißt es eigentlich „facegeliftet“ oder „gefaceliftet“? So lange man‘s nicht genau weiß, gilt: Umschreiben. Also: Der neue „Kalender für das Klever Land“ ist erschienen. Außen: Alles wie gehabt. Innen: Neues Gesicht. Vielleicht besser: Neue Optik.
Der Kalender, den man unschwer am Stil des Titelblattes (Fritz Poorten) erkennt und der jetzt als 66. Jahrgang erscheint, ist „in neue Hände“ gekommen. Auf Seite eines findet sich noch immer das Logo des Boss-Verlags. Wer auf Seite drei das Kleingedruckte liest, findet folgenden Vermerk: „Copyright 2015 by Verlagshaus Wohlfarth GmbH. Ein Imprint des Mercator-Verlags Duisburg.“
Wiltrud Schnütgen vom Redaktionsteam des Kalenders: „Wir haben uns natürlich anfangs gefragt, wie das wohl wird. Wir sind sehr zufrieden.“ Duisburg (Mercator) liegt – im Vergleich zu Goch (Boss) natürlich ein Stück weg, „aber das gehört natürlich noch zum Niederrhein“, so Schnütgen. Man sei jetzt in professionellen Händen. „Wir als Redaktion sind sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit.“ Der neue Kalender liegt in 4.000 Exemplaren vor, umfasst 224 Seiten, kostet 12,90 Euro und ist im Buchhandel erhältlich (ISBN 978-3-9817653-0-4).
So viel zu den „Äußerlichkeiten“. Innen geht es nun bunter zu – es gibt mehr und größere Abbildungen. Frank Wohlfarth vom Boss Verlag: „Es geht natürlich auch darum, jüngere Menschen für den Kalender zu interessieren“. Teil der Änderungen im Innenteil ist ein Inhaltsverzeichnis, das mit Farben operiert.  Ähnlich wie bei „Trivial Pursuit“ erkennt man Geschichtsthemen an blauen Markern. Und dann gibt es noch: Kunst und Wissenschaft, Natur und Landschaft, Erinnerungen, Mundart und Gedichte. Gut gedacht – allein die Farbwahl macht es Menschen mit einem „Farbhandicap“ nicht eben leicht. Versuch macht klug.
Der Kalender ist kein Buch, das man in einem Rutsch lesen müsste. Den Leser erwartet: Geschichte à la carte. So schreibt beispielsweise Hans-Joachim Koepp über „100 Jahre elektrisches Licht in Goch“. Klavierliebhaber dürften sich über „Die Rowolds“ freuen. Manfred Rowold – seines Zeichens Enkel des letzten Firmen-Inhabers Carl Rowold – erzählt die Geschichte einer Klavierbauerdynastie in fünf Generationen. Helga-Ullrich-Scheyda schreibt (bestens und spannend illustriert) über „Die Geschichte des Kaufhauses A. Weyl in Kleve“. Wie beschrieb man damals in einer Anzeige ein Kaufhaus? Zum Beispiel so: „Unser modernes Kaufhaus – Grundsätze des Hauses: Strengste Reellität [sic!], Allerbilligste Preise, Stets das Neueste zuerst, Nur beste Qualitäten, Größte Zuvorkommenheit, Kein Kaufzwang.“  In einer anderen Anzeige heißt es: „Für die Wintersaison empfing ich: Eine große Auswahl in Stoffen, fertige Mäntel, Herren-Ueberzieher, Joppen. A. Weyl, Cleve, grosse Straße 10.“

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Man erlebt, wie die Anzeigen ihr Aussehen ändern und mit ihnen die Mode-Artikel. Man erlebt „Die Übernahme des Kaufhauses A. Weyl durch die Leonhard Tietz AG“ („Morgen eröffnet Tietz“, das Ende von Tietz und den Beginn des Kaufhof und erfährt etwas über die Hintergründe: „Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde der Antisemitismus zur Leitlinie der Regierungspolitik. Die jüdischen Geschäftsleute [Tietz] waren davon besonders früh betroffen. Schon im März ging man in Kleve gegen jüdische Geschäfte und auch gegen das Warenhaus Tietz vor.“ Ullrich-Scheyda erzählt die spannende wie traurige Geschichte.

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Wolfgang Richard Müller und Jürgen Grosskopf erzählen die Geschichte eines Wales: „Vor 50 Jahren – Moby Dick im Rhein“. Zu den neuen Autoren, von denen die Redaktionen künftig noch mehr möchte, gehört Jens Gebaur, der über „Das Klimahaus der Hochschule Rhein-Waal“ schreibt. Wie kommt man von Uedem nach Batavia? Frank Gesthuisen schreibt über „Abenteuer, Hoffnung und Träume Anfang des 18. Jahrhunderts“.
Der Kalender auf das Jahr 2016 ist erschienen – für das Redaktionsteam bedeutet das: Die Arbeit am 67. Jahrgang kann beginnen. Nach der Optik kommen im nächsten Schritt vielleicht auch noch mehr neue Autoren ins Team. Landrat Wolfgang Spreen ist sicher, „dass auch der neue Kalender ein schönes Geschenk zu Nikolaus oder Weihnachten ist“. Auf jeden Fall ein dauerhaftes. Wer alles lesen will, muss viel Zeit mitbringen. Andererseits: Niemand muss alles lesen. Alles kann – nichts muss.Heiner Frost

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