Privat geht gar nicht

    Grzegorz Janusz ist Tätowierer – seit sechs Jahren arbeitet der gebürtige Pole in Kleve

    KLEVE. Der Eingang zum Paradise Tattoo ist gleich gegenüber vom Friedhof. Alpha et Omega. Diamonds sind für die Ewigkeit, Tattoos sind für ein Leben. Grzegorz tätowiert keine Sterne. Wer lesen kann, weiß das von Anfang an. „Ich tätowiere keine Sterne, keine kleinen Initialen und mache keine Kopie von einem Tattoo, das bereits jemand gemacht hat”, heißt es auf einem Schild am Eingang. Darunter steht: „Wieso? Weil es ein guter Tattoo- Shop ist und keine Kopie- oder Sterne-Shop.” Grzegorz sagt: „Ich bin Künstler, nicht Dieb.” Diebe klauen die Sachen der anderen.

    Grzegorz Janusz ist seit 2009 in Kleve. Er ist in Mittelpolen geboren und aufgewachsen. Gezeichnet hat er schon immer, „und wenn du nicht zeichnen kannst, solltest du was anderes machen, aber nicht tätowieren”, sagt Grzegorz. Grzegorz ist die polnische Form von Gregor. Wer Grzegorz zum ersten Mal sieht, kann die Gesichtstattoos nicht übersehen. Was Grzegorz in Augenhöhe tätowiert hat, erinnert irgendwie an Batman. Wer das trägt, braucht eine Menge Mut. Grzegorz würde niemandem das Gesicht tätowieren. Das Gesicht ist die persönlichste Zone. Es ist ohnehin schwer genug herauszufinden, ob einer, der ein Tattoo möchte, nur einem Trend folgt. Grzegorz will Kunden, die sich das reiflich überlegen.

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    Grzegorz Janusz – es darf ruhig ein bisschen böse aussehen. NN-Foto: RD
    Grzegorz Janusz – es darf ruhig ein bisschen böse aussehen.
    NN-Foto: RD

    Es gibt ein da noch ein paar andere Regeln, ohne die es bei Grzegorz nicht geht. „Billig und schnell sind keine Grundlage für ein lebenslanger hochwertiges Tattoo. Also denkt nach, bevor ihr jemanden an euren Körper lasst”, steht auf einem anderen Schild, und dann steht da noch: „Wir möchten jedem Interessierten wärmstens empfehlen, verschiedene Studios zur vergleichen. Wie in allen anderen Branchen gibt es enorme Qualitätsunterschiede. Letztendlich muss jeder selbst entscheiden, was für seinen Körper wichtig ist.” Klare Ansage.

    Ja, Grzegorz hat auch in Polen schon tätowiert. Er macht den Job seit 20 Jahren. Mindestens. „In Polen gibt es viele Tätowierer, die ihren Job privat machen.” Privat – das bedeutet: Ohne Gewerbeschein, ohne Hygiene. „Das ist fahrlässig”, sagt Grzegorz, der Deutsch längst Deutsch gelernt hat. Am Anfang war das Arbeiten für ihn schwer, denn „wenn du die Sprache nicht sprichst, verstehst du die Kunden nicht”, sagt Freund Ralf. „Deshalb hatten wir anfangs immer jemanden zum Übersetzen dabei.” Die Sache mit der Sprache klappt mittlerweile gut. Die Sache mit der Hygiene hat immer geklappt. „Wir haben mindestens einmal im Jahr jemandem vom Gesundheitsamt hier”, sagt Grzegorz, „und es hat noch nie ein Problem gegeben.” Gut so, denn schließlich geht es beim Tätowieren um die Gesundheit der anderen.

    Was Grzegorz so alles gemacht hat, sieht man den Wänden des Studios. Da hängen Fotos. „Am schwierigsten sind Portraits. Aber die machen auch am meisten Spaß.” In Klammern sagt Grzegorz, dass Sterne halt langweilig sind. Die Portraits, die er auf die Körper seiner Kunden gestochen hat, sind beeindruckend. Frauen, Babys, Hunde – alles ist dabei. Und manchmal wird aus dem Gesicht der einstmals heiß geliebten Frau nach der Trennung dann ein Monster. „Cover Up”, nennt sich das „Übermalen” der Altlasten, und davon gibt es reichlich. Die Alternative zum Cover-Up: Entfernung per Laser. Auch das macht Grzegorz. Musste er schon mal ein eigenes Tattoo wieder entfernen? „Nein.” Nicht ganz. Einen Kunden hat Grzegorz gehabt, der nicht zufrieden war. „Das war ich selbst”, bekennt er. Er hat sich mit links die Finger der rechten Hand tätowiert. „Das war nicht gut.” Er hat die Tattoos weggelasert. [quote_box_left]

    Mitmachen

    Wir brauchen neues „Futter” für unsere Serie „Stechen geblieben”. Wer seine ganz persönliche Tattoo-Geschichte erzählen möchte, kann sich gerne bei uns melden. Einfach eine E-Mail mit Infos (kurz) an tattoo@nno.de schicken und die Telefonnummer nicht vergessen, damit wir uns melden können.

    [/quote_box_left]Was tut eigentlich mehr weh – Tätowieren oder Lasern?” Die Antwort kommt schnell: Lasern. Was nicht heißt, dass Tätowieren für den Kunden ein Spaß wäre. „Das tut schon weh.” Vor allem die Rippenbögen sind eine schmerzhafte Angelegenheit. Wie berechnet man die Preise? Freund Ralf erklärt, dass Tattoos natürlich Kunst am Körper sind. Es gibt da keine Preistabelle. Es gibt Tätowierer, die hoch gehandelt werden. Vor allem in Amerika. Da wird‘s dann richtig teuer. Grzegorz hat eine Art Mischkalkulation. „Es gibt schwierig zu arbeitende Stellen”, sagt er. Die sind dann schon teurer als die anderen. Dann kommt natürlich dazu wie anspruchsvoll ein Tattoo ist, wie viel Zeit in den Vorbereitung geht. Es gibt viele Faktoren. Grzegorz ist ein Meister im Zeichnen. „Als Tätowierer ist die beste Werbung, wenn Kunden ihre Tattoos zeigen. So was spricht sich rum. Hast du einen, kommen die nächsten.” Und Stammkunden gibt‘s natürlich auch. Was hat sich in den letzten 20 Jahren verändert? „Da gibt es eine Menge Sachen”, sagt Ralf. „Früher war Vieles schwarzweiß und wenig filigran. Heute können die guten Jungs alles machen. Das sind wirklich echte Künstler. Auch bei den Farben hat sich viel getan. Heute wird ein guter Tätowierer nur mit wirklich gutem Material arbeiten. Farben kaufst du heute fast wie Medikamente. Du kannst genau zurückverfolgen, wo die Sachen produziert worden sind. Und schließlich hat sich die Akzeptanz geändert. Wenn du vor vierzig Jahren ein Tattoo hattest, dachten die Leuten, du bist kriminell, asozial oder Seemann. Heute tragen mehr als zehn Prozent aller Deutschen ein Tattoo.” Jetzt noch ein Foto von Grzegorz. Nein, lieb aussehen möchte er nicht. Es darf ruhig ein bisschen böse wirken. Bitte sehr.

     

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