Kindern eine zweite Chance auf ein gesundes Leben geben

Friedensdorf International kümmert sich um verletzte Kinder: Sadhar Sakhi wurde in Goch behandelt

GOCH. Sadar Sakhi war eines der ersten 15 Kinder aus Afghanistan, die von der Hilfsorganisation Friedensdorf International zur medizinischen Behandlung nach Deutschland geholt wurden. Das war am Heiligen Abend 1988. Sadar war damals acht Jahre alt. 1989 wurde er in Goch, im Wilhelm-Anton-Hospital, operiert.

Seitdem sind Friedensdorf-Mitarbeiter viele Male in Afghanistan gewesen und haben verletzte Patienten aus- und gesunde Kinder heimgeflogen. Im Februar fand der 71. Hilfseinsatz statt. Der inzwischen erwachsene Sadar besuchte dabei die Friedensdorf-Mitarbeiter in Kabul und brachte Fotos von damals mit. Eine ganz besondere Begegnung, die Erinnerungen an alte Zeiten wachrief.
Schwere Verletzungen durch Landminen

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1989 hatte das Wilhelm-Anton-Hospital in Goch kostenfreie Behandlungsplätze für Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten zur Verfügung gestellt. Prof. Dr. Karl Detlef Lindecken, der damalige Chefarzt der Klinik für Chirurgie und Unfallchirurgie, übernahm die Behandlung von Sadar, der durch eine Mine schwer verletzt wurde. „Es handelte sich um eine drittgradig offene Unterschenkel- und Kniegelenksfraktur mit infektiöser Entzündung des Knochenmarks und Falschgelenkbildung“, weiß Prof. Lindecken 27 Jahre später noch ganz genau. Ein Blick auf die Röntgenbilder und in den Arztbrief von 1989 bestätigt seine Aussage.

Doch nicht nur an die Diagnose und Behandlung erinnert er sich: „Ich habe noch genau vor Augen, wie Sadar und sein Mitpatient Zarif durch den Krankenhauspark und über die Stationsflure flitzten.“ Von dieser Zeit erzählen auch die Fotos, die Sadar bis heute hütet. Sie zeigen ihn an einer Turnstange im Krankenhauspark in Begleitung einer Krankenschwester. Sie und alle anderen, die sich damals um ihn kümmerten, hat er bis heute in guter Erinnerung und lässt sie herzlich grüßen. Zehn Monate verbrachten die beiden Jungen im Gocher Krankenhaus, bevor sie jeweils mit zwei gesunden Beinen zurück zu ihren Familien nach Afghanistan gebracht wurden. Eine zwischenzeitlich drohende Amputation konnte dank der ärztlichen Hilfe verhindert werden.

Heute hat sich Prof. Dr. Lindecken vom Operationstisch entfernt und auf die Lehre verlegt. Junge Menschen führt er an der Ruhr-Universität Bochum und der Bildungsakademie für Gesundheitsberufe der Katholischen Karl-Leisner-Trägergesellschaft in Kleve in die Chirurgie und verwandte Bereiche ein. „Die Medizin ruhen lassen kann ich nicht, dazu ist sie viel zu spannend“, meint der engagierte Pensionär. Auch Sadar, der heute gemeinsam mit seiner Familie den schwierigen Alltag in Afghanistan meistert, kommt in seinen Erzählungen vor.

Die medizinische Versorgung dort ist nach wie vor völlig unzureichend, weswegen das Friedensdorf seine Hilfe fortsetzt. Die afghanischen Kinder stellen (neben den angolanischen) die größte Kindergruppe dar, derer sich das Friedensdorf bundesweit mit Unterstützung zahlreicher Kliniken annimmt, um ihnen eine zweite Chance auf ein gesundes Leben zu geben.

Sadar hat diese Chance genutzt. Mit Reparaturarbeiten verdient er sein Geld. Seine Geschichte berührte auch Thomas Jacobs, den Leiter des Friedensdorfes, der über langjährige Erfahrungen in der medizinischen Einzelfallhilfe verfügt: „Begegnungen wie diejenige mit Sadar überzeugen uns immer wieder davon, dass wir das Richtige tun. Sie motivieren uns zum Weitermachen und bewahren uns davor, angesichts der Schreckensmeldungen aus so vielen Krisenländern weltweit nicht den Mut zu verlieren.“ Damals wie heute muss das Friedensdorf seine Hilfe für Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten nahezu ausschließlich aus Spenden finanzieren. Nach der stationären Behandlung im Krankenhaus kommen die Kinder zur Rehabilitation in die Oberhausener Heimeinrichtung des Friedensdorfes.

Hier leben sie mit Kindern aus durchschnittlich zehn Nationen zusammen und werden auf die Reintegration in ihr Heimatland und zu ihren Familien vorbereitet. Sofern dies erforderlich ist, erhalten die ehemaligen Patienten im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Hilfseinsätze auch dort eine Dauerversorgung mit Medikamenten oder medizinischem Material.

Neben dieser Einzelfallhilfe bemüht sich das Friedensdorf durch Hilfsgüterlieferungen und Projektarbeit um eine Verbesserung der medizinischen Infrastruktur in den Heimatländern, um langfristig eine medizinisch notwendige Herausnahme der Kinder aus ihrem Kulturkreis zu vermeiden. Das Friedensdorf Bildungswerk leistet friedenspädagogische Arbeit für Kinder und Jugendliche in Deutschland.
Nähere Infos: www.friedensdorf.de.

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