KLEVE. Die Anfrage kommt plötzlich, aber nicht unbedingt unerwartet: Mittwochmorgen erhält Bürgermeister Theo Brauer einen Anruf vom stellvertretenden Regierungspräsidenten Roland Schlapka. Die Bezirksregierung Arnsberg koordiniert die Unterbringung der Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen. „Man bat uns um Amtshilfe“, erklärt Brauer am Donnerstagabend im Rahmen einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Der unverzüglich eingerichtete Krisenstab der Stadtverwaltung habe zu keinem Zeitpunkt in Erwägung gezogen, die Einrichtung einer Notunterkunft abzuwenden, versichert Brauer: „Unsere klare Zielsetzung war, es möglich zu machen.“

Bis zu 150 Flüchtlinge sind gestern Abend in Kleve angekommen – die genaue Zahl und die Herkunft war bis Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Wie lange die Notunterkunft benötigt wird, steht ebenfalls noch nicht fest. Eigentlich soll es sich in einem Zeitrahmen von drei Wochen bewegen. Erfahrungen anderer Notunterkünfte – in NRW gibt es aktuell rund 70 – zeigen aber, dass die Menschen oft auch deutlich länger bleiben. „Wir werden uns da nicht auf Spekulationen einlassen“, stellt Brauer klar: „Die Menschen stehen jetzt im Vordergrund.“ Rund 1.400 Flüchtlinge kommen pro Tag in Nordrhein-Westfalen an. Zentrale Unterbringungseinrichtungen wie die Via Stenden und das Schullandheim Herongen sind komplett ausgelastet. Die Kommunen sind bei der Einrichtung sich selbst überlassen. Brauer: „Es war eine Aufgabenstellung bar jeder Inhalte. Aber wir haben es geschafft und sind gut vorbereitet.“

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Ein Teil des Krisenstabes bei der Pressekonferenz am Donnerstag (v. l.): Jürgen Rauer, Theo Brauer, Willibrord Haas, Sonja Northing und Annette Wier. NN-Foto: Michael Bühs
Ein Teil des Krisenstabes bei der Pressekonferenz am Donnerstag (v. l.): Jürgen Rauer, Theo Brauer, Willibrord Haas, Sonja Northing und Annette Wier.
NN-Foto: Michael Bühs

Dass die Dreifach-Turnhalle des Konrad-Adenauer-Gymnasiums die Voraussetzungen erfüllt, war den Verantwortlichen der Stadt Kleve schnell klar – „sowohl was die hygienischen Anforderungen betrifft, als auch die baulichen“, führt Hauptamtsleiterin Bettina Keysers aus. „In zwei Feldern sind 150 Feldbetten aufgestellt, das dritte Feld dient als Aufenthaltsraum“, erklärt Thomas Mutz, Leiter des städtischen Gebäudemanagements. Geklärt ist auch die Frage der medizinischen Versorgung. Zwei niedergelassene Ärzte und eine Amtsärztin werden vor Ort sein und den vorgeschriebenen Erst-Check der Flüchtlinge durchführen. „Wir kooperieren da sehr eng mit dem Gesundheitsamt des Kreises Kleve“, sagt Keysers und betont, dass auch das keine Selbstverständlichkeit sei. „Viele Menschen werden jetzt um Mithilfe und um Verständnis gebeten“, weiß Brauer und setzt darauf, dass alle Mitbürger die Flüchtlinge offen empfangen und freundlich willkommen heißen.

Mit Einschränkungen leben müssen vorübergehend in erster Linie die Schüler und die Vereine, die auf die Sporthalle angewiesen sind. „Wir hoffen, dass sich die Außenanlagen noch lange nutzen lassen und der Sportunterricht dort stattfinden kann“, sagt Annette Wier, Leiterin des Schulamts. Notfalls könne man einen Busverkehr nach Griethausen einrichten und die dortige Halle nutzen. Auch für die Vereine habe man sich bemüht, Alternativen zu finden. „Aber in den umliegenden Kommunen sieht es schlecht aus“, bedauert Wier, dass die Vereine (wie etwa der VfL Merkur) nun auf sich selbst gestellt sind.

„Wir werden die Flüchtlinge mit Hilfe der ‚Palette‘ und der Caritas mit Kleidern versorgen. Eine zentrale Sammelstelle wird noch eingerichtet. Vorgeschrieben ist außerdem ein Taschengeld von 30 Euro für Erwachsene und 15 Euro für Kinder“, beschreibt Sonja Northing, Leiterin des Sozialamts, wie es jetzt weitergeht. Clivia versorgt die Flüchtlinge dreimal täglich mit Mahlzeiten. Auch die Versorgung mit Sachmitteln ist gewährleistet, sagt Northing: „Wir wissen ja nicht, ob es Familien mit Kindern sind oder ältere Menschen.“ Vorsorglich habe man sogar Windeln und Babynahrung organisiert. „Und viele ehrenamtliche Helfer haben bereits ihre Unterstützung angeboten“, freut sich Northing. Zunächst wolle man den Neuankömmlingen allerdings Gelegenheit geben, sich an ihre neue Umgebung zu gewöhnen.

Erfahrung mit Asylsuchenden hat man in Kleve ohnehin. Northing erläutert: „Gerade in den letzten beiden Wochen sind uns viele Menschen zugewiesen worden.“ Rund 400 waren es bis gestern Abend. Mit der Ankunft der Flüchtlinge steigt die Zahl auf 550. Dass damit auch Kosten verbunden sind, weiß Kämmerer Willibrord Haas. Die Stadt Kleve sei zudem bald am Ende ihrer Kapazität angelangt. „Wenn das Land die Kommunen nicht mehr unterstützt, droht vielen der finanzielle Kollaps“, gibt Haas zu bedenken. Die Einrichtung der Notunterkunft sei jedoch mit keinen zusätzlichen Kosten für die Stadt verbunden. „Die Erstaufnahme ist Landessache“, betont Haas.

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