Bange machen gilt nicht!

KLEVE. Der Titel der neuen Ausstellung im Klever Museum Kurhaus kommt erdenschwer lateinisch verbarrikadiert daher und lässt an Intelligenzexzesse der 70-er Jahre denken: „Et in Arcadia Ego“. Ergänzt wird das Lateinische – wie es sich gehört – durch einen Gedankenstrichzusatz, der zwischen Grablegung und Auferstehung pendelt: „– Weltchaos und Idylle“.

Es sei gleich gesagt: Bange machen (lassen) gilt nicht, denn was im Kurhaus zu sehen ist, kommt  unterhaltsam daher – irgendwie schweicht (das ist die Verbindung aus schwebend und leicht, Chaos und Idylle) und man glaubt, mittlerweile auch die Handschrift des Chefs aus den Ausstellungen lesen zu können. Kunde gibt sich nicht mit der Zurschaustellung der reinen Ästhetik zufrieden. Wenn er kuratiert, juckt immer auch der Schalk im Genick, ohne dass es krachledern zuginge oder sonstwie anheimelnd.
Es macht Spaß, die Ausstellung anzusehen und hernach mit einem Lächeln heimwärts zu streben. Manchmal stöbert man in alten Texten und ist in Zitierlaune. Wenn‘s doch schon gesagt ist: „In einem guten Museum findet Leben statt. Wer auf der Suche nach den Toten ist, biegt an der Friedhofsmauer ab. Kunst ist eine Form des kreativen Widerstandes gegen das Vergessen. Gegen die Gedankenlosigkeit. Das Museum ist keine Entbindungsstation für künftige Säulenheilige – es ist ein Ort der kommunizierenden Röhren. Botox fürs Hirn. Wer all das möchte, sollte derzeit das Museum Kurhaus Kleve auf dem Plan haben. Da gibt es die  Kunst zu sehen, die ohne Frischhaltefolie auskommt, weil sie lebt.“

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Arbeit von Olaf Holzapfel
Die große Wandelhalle im Museum Kurhaus. Der Blick durche eine der Arbeiten von Olaf Hozapfel macht die Welt zum Aquarium, in dem nichts zu finden ist als der Durchblick – auf die Welt.NN-Foto: HF

Im Ausstellungstext für die Presse liest es sich freilich anders: „Ausgehend von der lateinischen Wendung ‚Et in Arcadio Ego‘ wurden elf zeitgenössische Künstler eingeladen, Arbeiten zu schaffen, die das Spannungsfeld von Entrückung und Realität aufgreifen. Als historischer und lokaler Bezugspunkt fungiert die Grab-Tumba des brandenburgischen Statthalters Johann Moritz von Nassau-Siegen, die er sich in antikisierender Manier […] unweit des heutigen Museums Kurhaus Kleve anlegen ließ.“
Ja: Bezüge können hilfreich sein und Zusammenhänge herstellen, weil manche gern in Zusammenhängen denken. Nichts dagegen. Schön ist aber, dass die Ausstellung auch losgelöst zu einer heilsamen Explosion im Eigenhirn wird und völlig andere Lesarten zulässt.
Natürlich finden sich Chaos und Idyll, aber wo der sperrige Titel den didaktischen Zeigestock ansetzt, werden in der Wirklichkeit Hand- und Denkfesseln gelöst. Da zeigt Ana Torfs in einer beeindruckend inszenierten Arbeit, dass es eben so viele Welten gibt wie Weltenbewohner. Einsichten wie diese geraten in einer vermeintlich globalisierten Zivilisation allzuschnell unter die Schneide des politisch korrekten Schafotts.  Nichts in der neuen Ausstellung spart den Bezug zum Jetzt aus – nichts löst sich aus dem Realen und mogelt sich als zweckfrei Schönes in einen musealen Gottesdienst. Muss man Banales sagen wie: Nicht alles gefällt allen? Ja, vielleicht. Aber wer A sagt, muss auch B schreiben und ein „Must Go!“ einfügen. Wer nicht ins Kurhaus geht, um sich mit dem Virus des Nötigen impfen zu lassen, dem ist nicht zu helfen. Die da Wände, Böden und Räume bevölkern, sorgen dafür, dass der Gang ins Museum zur Unterhaltung der Extraklasse wird. Ein Sommereis und Strand reichen nicht. „Et in Arcadia Ego“ zeigt dankenswerterweise, dass ein hungriger Geist ohne die Kunst schnell zur welken Primel werden kann. Erst wenn die Dauerberieselungen des vermeintlichen Wichtigen abgeschaltet sind, fällt auf, dass im Museum eine Welt wartet, die nicht künstlich belebt werden muss, weil ihre Spannkraft von innen wächst. Kunst, die sich traut, auch Fußnote zu sein – dauernder Verweis auf eine Welt, die am Ausgang wartet und sich doch nicht von der Welt unterscheidet, die sich nach dem Eingang offenbart. „Et in Arcadia Ego“ ist kein Verweis der Kunst auf die Kunst, sondern eine Schnittstelle zwischen Denken, Hinsehen, Erleben und Leben. Kunst und Wirklichkeit treffen aufeinander. Nein – sie müssen sich nicht treffen. Sie sind ja eins. Das ist unter dem Diktat des Alltags nur leider zu oft schnell vergraben, versenkt und vergessen. Es bringt wenig, Kunstwerke zu beschreiben. Das kann und soll nicht die Aufgabe derer sein, die über Kunst schreiben. Es kann nur um Appetitmachen gehen, um kreative Reaktion auf den Urknall des Schöpferischen. Es kann nur darum gehen, dass einer schreibt: Ihr müsst jetzt, bitte schön, hingehen, denn eines ist ewiggültig: Es gibt keine Kunst ohne Hinsehen. Kunst ist nie Monolog – immer Unterhaltung, immer Verweis ins Leben. Und dann doch der kleine Ausflug in Corinna Schnitts Welt, die in einem Video ein von Tieren bevölkertes Wohnzimmer zeigt. Jurassic Park auf dem Perserteppich. Man könnte die Kinder mitbringen und sie genau hier parken, um durch die Ausstellung zu pilgern.
Künstler der Ausstellung: Simone Demandt, Ellen Harvey, Olaf Holzapfel, Kropys Löffler, Louise Lawler, Maix Mayer, Barbara Nicholls, Julian Rosefeldt, Corinna Schnitt, Ilka Sulten, Ana Torfs. Heiner Frost

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